1. Kapitel

Verhaftung / Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner

Am Morgen seines 30. Geburtstages wird Josef K. von zwei Beamten verhaftet, die sich selbst als „Wächter“ bezeichnen. Dabei erfährt er nicht einmal, was ihm zur Last gelegt wird, denn die beiden Beamten sind „nicht dazu bestellt“, ihm das zu sagen (Z. 57). Das Verfahren sei eingeleitet und K. werde alles zur rechten Zeit erfahren.
Während die Wächter, genannt Franz und Willem, im Nebenzimmer das eigentlich für K. bestimmte Frühstück verspeisen, sucht dieser seine Legitimationspapiere, um das vermutete Missverständnis aufzuklären. Seinerseits verlangt er von den Wächtern, den Haftbefehl zu sehen. Allerdings bleibt K. erfolglos; die Wächter geben lediglich zu verstehen, dass sie niedrige Angestellte im Dienste hoher Behörden seien, welche die Gründe der Verhaftung und die Person des Verhafteten gut kennten. Sie selbst seien nur mit den niedrigsten Graden jener Behörde vertraut, die von der Schuld angezogen werde und ihre Wächter ausschicke: „Das ist Gesetz. Wo gäbe es da einen Irrtum?“ (Z. 160 f.) K. kennt dieses Gesetz nicht, behauptet aber, unschuldig zu sein. Selbst eine vergleichsweise hohe Stellung bei einer Bank innehabend, verlangt es K., mit einem „ebenbürtigen Menschen“ zu sprechen statt auf das „Geschwätz dieser niedrigsten Organe“ zu hören (Z. 170).
Tatsächlich wird er kurz darauf von einem gewissen Aufseher gerufen, der ihn im Zimmer seiner Nachbarin, Frau Bürstner, in Empfang nimmt. Dort hat er den Nachttisch als Verhandlungstisch aufgebaut und widmet seine Aufmerksamkeit verschiedenen Gegenständen, während er mit K. spricht. Neben dem Aufseher und K. befinden sich noch drei junge Leute im Raum, die Fotografien von Frau Bürstner betrachten. K. gibt sich von der Situation „überrascht, aber [...] keineswegs sehr überrascht“, schätzt sie nicht für bedeutend ein (Z. 284). Er stellt fest, dass er angeklagt ist, kann an sich jedoch keine Schuld entdecken - während das Gericht aber angeblich die Schuld nicht sucht, sondern „von der Schuld angezogen“ wird (Z. 159 f.). Wichtiger noch als die Frage, wessen er angeklagt ist, scheint ihm die Frage, wer ihn anklagt. Jedoch kann ihm der Aufseher nicht einmal bestätigen, dass er angeklagt ist. Fest stehe nur, dass er verhaftet sei - mehr wisse er nicht. Auf die für ihn sinnlose Situation reagiert K. zunehmend unwirsch, auch die Zuschauer am gegenüberliegenden Fenster stören ihn. Durch einen Händedruck will er die ganze Sache auf sich beruhen lassen, worauf der Aufseher nicht eingeht. Es bleibt bei der Verhaftung und K. wird freigestellt, nun seiner Arbeit in der Bank nachzugehen. Die Verhaftung nämlich solle ihn nicht daran hindern, seinem Beruf nachzugehen. So, stellt K. fest, sei das Verhaftetsein nicht sehr schlimm (vgl. Z. 205 ff.). K. fühlt sich zwar überrumpelt, nimmt die Verhaftung jedoch nicht ernst.
Erst jetzt stellt er zu seiner Überraschung fest, dass die drei jungen Herren seine Kollegen aus der Bank sind, Rabensteiner, Kullich und Kaminer. K. lässt ein Auto kommen, um sich nicht noch später zur Arbeit zu kommen. Gemeinsam mit seinen Kollegen fährt er zur Bank, wobei ihm entgeht, wie die Wächter und der Aufseher weggehen.
Durch seine Verhaftung wird K. in seinem regelmäßigen Tagesablauf gestört. Statt sich wie sonst zum Stammtisch zu begeben, mit dem Bankdirektor zu Abend zu essen oder ein Mädchen namens Elsa zu besuchen, will K. einfach nachhause gehen. Während der Arbeit hat er seine drei Kollegen mehrmals in sein Büro berufen, nur um sie zu beobachten. Zuhause angekommen, sucht er das Gespräch mit Frau Grubach, seiner Vermieterin. Er möchte sich für die Unannehmlichkeiten des Morgens entschuldigen, woraufhin sie auf K.s Verhaftung zu sprechen kommen. Frau Grubach meint, dass K. nicht wie ein Dieb verhaftet sei, sondern dass es sich um „etwas Gelehrtes“ handle, das sie weder verstehe noch verstehen müsse (Z. 539 ff.). K. entgegnet ihr, dass er die Sache nicht als etwas Gelehrtes, sondern als unwichtig ansieht: Hätte er sich nicht überrumpeln lassen, „es wäre nichts weiter geschehen“ (Z. 551). In der Überzeugung, die Sache sei vorüber, will er seiner Vermieterin die Hand reichen, um die Übereinstimmung per Handschlag zu bekräftigen. Ohne den Handschlag anzunehmen, bricht Frau Grubach in Tränen aus und bittet K., es nicht so schwer zu nehmen. So muss K. sich eingestehen, dass sie ihn nicht verstanden hat. Weil das Gespräch mit dem Aufseher im Zimmer von Frau Bürstner stattgefunden hat, fragt K. auch nach ihr. Allerdings ist die andere Mieterin noch nicht zuhause und als Frau Grubach ihr unsittliches Verhalten vorwirft, gerät K. in Rage (vgl. Z. 602-608).
Nunmehr in seinem Zimmer auf Fräulein Bürstner wartend, überlegt er sogar, sein Zimmer in der Pension zu kündigen, entscheidet sich jedoch letztlich dagegen. Ohne eigentlich zu wissen, warum, will er Fräulein Bürstner abpassen und ist durch ihr spätes Kommen gereizt. Er gibt ihr die Schuld dafür, nicht zu Abend gegessen und Elsa nicht besucht zu haben. Als sie spät nachts doch erscheint, spricht K. sie durch den Türspalt an und begleitet sie in ihr Zimmer. Er entschuldigt sich dafür, dass eine Untersuchungskommission ihr Zimmer während ihrer Abwesenheit in Beschlag genommen hat und erkundigt sich, ob sie ihn für schuldlos halte. Ohne sich festlegen zu wollen antwortet sie ihm, dass er doch frei sei und also kein schweres Verbrechen begangen haben könne. Sie gibt zu verstehen, dass sie im kommenden Monat als Kanzleikraft bei einem Anwalt anfangen werde und bietet K. ihre Hilfe an. Dieser findet die Sache jedoch zu klein, um einen Anwalt heranzuziehen, „aber einen Ratgeber könnte [er] gut brauchen.“ (Z. 729 f.)
Von Fräulein Bürstners lasziver Haltung fasziniert, will K. die Szene vom Morgen nachstellen und lässt sich von seinem eigenen Vortrag gefangennehmen. Dabei wird er so laut, dass der Hauptmann, ein Neffe von Frau Grubach, aus dem Nebenzimmer klopft. Um das erschrockene Fräulein Bürstner zu beruhigen, küsst K. es auf die Stirn. Ihr spätes Beisammensein werde keine Probleme mit sich führen, da ihn Frau Grubach verehre und von ihm abhängig sei - er habe ihr eine größere Geldsumme geliehen (Z. 800 f.). Als das Fräulein darum bittet, nun allein gelassen zu werden, küsst K. es „auf den Mund und dann über das ganze Gesicht, wie ein durstiges Tier mit der Zunge über das endlich gefundene Quellwasser hinjagt.“ (Z. 835 ff.) Vor dem Einschlafen reflektiert er sein Verhalten und ist zufrieden damit.