Modernes Märchen
E.T.A. Hoffmann hat sein Werk Der goldne Topf selbst untertitelt mit „Ein Märchen aus der neuen Zeit“. Dabei benutzte er einerseits althergebrachte Märchen-Elemente wie den Aarne-Thompson-Index. So hat er die alte Hexe als übernatürlichen Gegenspieler, Lindhorst als übernatürlichen Helfer, den Metall-Spiegel als magischen Gegenstand und die Schreib-Arbeit von Anselmus als übernatürliche Aufgabe entworfen. Auch antiker Mystizismus, die Aufhebung der Logik oder fehlende Figurenidentität und die Existenz von Mensch-Tier-Kreuzungen sind im Goldnen Topf enthalten. Andere typische Elemente ließ er allerdings bewusst weg. Gibt es in klassischen Märchen zum Beispiel eigentlich das Brautwerbe-Motiv, steht Anselmus zwischen zwei Frauen, die ihn umwerben.
Andererseits benutzte E.T.A. Hoffmann die Elemente des Kunstmärchens. So sind in seinem Werk konkrete Zeit- und Raum-Angaben zu finden, er lässt die Handlung explizit am Himmelfahrtstag beginnen, nennt immer wieder Daten und reale Orte in Dresden. Er arbeitet mit einer mehrsträngigen Handlung, indem er die Geschichte von Lindhorst als Märchen im Märchen erzählt. Außerdem sind die Figuren nicht eindimensional wie im Volksmärchen, sondern in ihrer Psyche detailliert gezeichnet und dadurch nicht reine Schwarz-Weiß-Menschen. Die Figuren nehmen sogar die Trennung von Wirklichkeit und Wunderbarem wahr.
Das Märchen aus der neuen Zeit ist also durch folgende Punkte zu charakterisieren:
- Keine Handlung in der Vergangenheit, sondern in der aktuellen Zeit
- Der Held erlebt, was der Leser selbst kennt und beobachte kann
- Realer Ort, reale Zeit und real beschriebene Personen
- Bürgerliches und übernatürliches Leben finden nahezu gleichzeitig statt
- Das Wunderbare begegnet dem Helden im Alltag