Im Zuge dieses Menüpunktes wird eine Auswahl an Leitmotiven in der Novelle analysiert.
Definition eines Leitmotivs
Es handelt sich bei diesem literarischen Mittel um die Verbindung zwischen einem nicht-literarischen Inhalt und dem schöpferischen Text. In Form eines immer wiederkehrenden Themas ist ein Leitmotiv dazu fähig, gewisse Stimmungen hervorzurufen oder zu verstärken sowie bestimmte Themen zu betonen.
Ein Leitmotiv kann in der Form eines Dingsymbols, jedoch auch in Form abstrakter Symbole atmosphärischer, emotionaler oder akustischer Art auftreten.
Es ist möglich, mit dieser Art des Motivs tiefere Sinneszusammenhänge zwischen mehreren Themenkomplexen in einem literarischen Werk auf subtile Art und Weise herzustellen und zu erklären
In der Literatur existieren inzwischen unzählige Leitmotive und Dingsymbole, wobei manche höher frequentiert eingesetzt werden, wie etwa die
blaue Blume in der Romantik und andere erst abhängig vom jeweiligen Werk individuell gebildet werden können.
Gewitter & Feuer als Motive
Eichendorff verwendet als Zeichen der nahenden Revolution Feuer als symbolisches Motiv. „Als der Tag anbrach, war der ganze Himmel gegen Morgen dunkelrot gefärbt; gegenüber aber stand das Gewitter bleifarben hinter den grauen Türmen des Schlosses Dürande, die Sterbeglocke ging in einzelnen abgebrochenen Klängen über die stillte Gegend, die fremd und wie verwandelt in der seltsamen Beleuchtung herausblickte.“ Die feuerrote Himmelsfärbung verrät laut Autor, dass sich die Revolution nun auch der Provence und damit dem Schloss Dürande nähern wird.
Laut Literaturkritiker Helmut Koopmann zieht der Schriftsteller des vorliegenden Werks einen Vergleich zwischen der Französischen Revolution und der „Urgewalt eines Naturereignisses“, wie er in seiner Rezension
„Raubtier Revolution“ in „Das Schloss Dürande“ ) zitiert. Weiterhin, so Koopmann, sei die Revolution für Eichendorff ein „grässliches Naturereignis“, welches gleichermaßen angsteinflößend sei und bekämpft werden müsse.
Doch die Vorzeichen des politischen Umbruchs kündigen sich bereits schon viel früher in
Das Schloss Dürande an. „Der schwüle Sommerabend“ (S. 6, Z. 17) kann bereits als unheilvolles Omen für die bevorstehende Revolution gedeutet werden. Die in der Luft liegende Spannung des drückenden Wetters spiegelt die spannungsgeladene politische Situation wider. Auch Eichendorffs geschätzte Kollegen wie etwa Friedrich Schlegel brachten bereits die Revolution mit der Metapher des Gewitters in Verbindung.
Auch aus der Beschreibung der revolutionären Unruhen in Paris geht hervor, dass der Autor die Rebellion mit unwetterähnlichen Zuständen assoziiert. So lässt spricht der junge Graf Hippolyt etwa „von den feurigen Zeichen der Revolution“ (S. 38, Z. 14) und dem „Aufblitzen kampffertiger Geschwader“ (S. 38, Z. 15). Auch Hippolyt empfindet eine „drückende Schwüle“ (S. 38, Z. 18), die ihn dazu treibt, das Geschehen eigenhändig miterleben zu können und seine Reise nach Paris veranlasst.
Nicht zuletzt das Ende der Novelle, bei welchem nach „eine[m] furchtbaren Blitz“ (S. 84, Z. 11 f.) „donnernd [...] das Schloss“ (S. 84, Z. 12) in sich zusammenstürzt, stellt eine Metapher zum unwiderruflichen Einbruch der Revolution dar. Eichendorff schildert die Revolution als etwas Grausames, Teuflisches und Höllenartiges und behandelt ein politisch hochkomplexes Thema wie die Französischen Revolution damit äußerst eindimensional und einseitig. Letzteres wird von den Literaturkritikern seiner Werke auch streng kritisiert. Fraglich ist jedoch, ob diese geläufige Interpretation seiner Stellungnahme nicht zu voreilig ist. Denkbar wäre nämlich ebenso, dass Eichendorff eine Art Warnung davor aussprechen wollte, was passiert, wenn man die Anzeichen eines Umbruchs ignoriert. So wäre das tragische Ende der Novelle als Mahnmal dafür zu interpretieren, das einem das Leben gewisse Fehler nicht verzeiht und ignorantes Verhalten gegenüber Unausweichlichem unwiderrufliche Folgen mit sich bringen kann.
Symbol des Storches
Bei ihrer Ankunft am Kloster begegnet Gabriele einem „zahmen Storch“ (S. 15, Z. 12), welcher sie mit „klugen Augen verwundert“ (S. 15, Z. 14) ansieht. Für Eichendorff besitzt dieser Vogel eine starke Verbundenheit zum Thema Heimatverbundenheit. Dass der Storch aus seinem Schlaf erwacht und es ihm die weibliche Protagonistin wenige Momente später gleichtut, deutet darauf hin, dass sich Gabriele bereits kurz nach ihrem Eintreffen im Kloster Willkommen fühlt. Die schützenden Mauern der geistlichen Institution sind ebenso als Metapher für ein geborgenes Zuhause zu verstehen wie die Anwesenheit des Storchenvogels. Der Storch übernimmt gewissermaßen die Rolle des Empfängers der jungen Frau.
Zudem besitzt der Storch auch eine Bedeutung, die ihm aus der Welt der Fabeln zuteilwird. So trägt er in Märchen den Namen
Adebar und wird als kluges und zugleich eingebildetes Wesen personifiziert. Sein Name bedeutet auch
Glücksträger, sodass seine Anwesenheit und sein Auftreten grundsätzlich als etwas Verheißungsvolles gedeutet werden kann. Wenn man vom Storchen als ein überdurchschnittlich intelligentes Tier ausgeht, könnte seine Präsenz vor dem Kloster überdies auch auf die Gelehrtheit der Nonnen und Geistlichen hinweisen.