Kontext und Einordnung

Aus: E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi, 2012, Stuttgart, Reclam (Erstausgabe 1819).
Die 1819 erschienene Novelle Das Fräulein von Scuderi ist eine Erzählung des berühmtesten deutschen Romantikers E.T.A. Hoffmann. Der Autor verarbeitet in seinem Werk sowohl die Eindrücke der als gescheitert und grausam empfundenen Französischen Revolution als auch Erfahrungen, die er in seinem Berufsleben als Jurist und als Kind seiner Zeit machte: Er erlebte die autoritären Regime und die Unterdrückung der Demokraten nach dem Ende der Napoleonischen Kriege.
Dabei verwendet er zu einem Teil historische Persönlichkeiten wie die vom französischen absolutistischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. (der ebenfalls in der Novelle auftritt) begünstigte Schriftstellerin Madeleine de Scuderi und die Marquise de Maintenon, die Geliebte des Königs, wobei sie sich charakterlich völlig im Rahmen der Fiktion bewegen, wie auch der Großteil der Handlung rein fitkiv ist - die Giftmorde, die am Anfang geschildert werden, hat es tatsächlich gegeben.
Hoffman erfindet aber auch Figuren wie den Präsidenten la Regnie, welcher durch seine gnadenlose, oft nur auf Verdacht begründete Justiz Erinnerungen an die staatliche Willkür zur Zeit des Absolutismus sowie an den Terror Robespierres wachruft. Das von Verbrecherbanden und Raubmorden geplagte Paris im Jahre 1680 dient E.T.A. Hoffmann zur Gestaltung seiner für eine Novelle typischen Handlung: Das Fräulein von Scuderi wird durch die Überreichung eines mysteriösen Kästchens in einen Fall verwickelt, der die Pariser Gesellschaft erschüttert. Dem Goldschmiedsgesellen Olivier Brusson wird vorgeworfen, seinen hoch angesehenen und genialen Meister René Cardillac ermordet zu haben. Die Justiz sieht in ihm zudem ein Mitglied einer Bande von Juwelendieben, die man für in der Vergangenheit begangene Raube und Morde verantwortlich macht. Die Autorin glaubt aber nicht an dessen Schuld und entüllt ein furchtbares Geheimnis - Olivier Brusson hat seinen Meister nicht getötet, sondern dieser ist durch die Hand eines seiner Opfer tödlich verwundet worden. Der seinen Wahnsinn vor der Öffentlichkeit verbergende René Cardillac entpuppt sich als Dieb und Mörder. Am Ende gelingt es dem Fräulein, die Freilassung des unschuldigen Olivier Brusson und die Vereinigung mit seiner Geliebten, der Tochter Cardillacs, zu bewirken.
Hoffmann thematisiert Schuld und Unschuld, Schein und Sein, eine oberflächlich makellose Gesellschaft, hinter deren Fassade Wahnsinn, Ungerechtigkeit und Gewalt wirken. Geschickt verbindet er die in der Romantik beliebte Thematik der Offenlegung von den im Menschen schlummernden zerstöre-rischen Kräften mit dem Typus der Kriminalnovelle. Intuition und Gefühl führen zur Aufklärung des Verbrechens und somit zum Sieg des Guten, nicht logische Schlussfolgerung. E.T.A. Hoffmann bleibt somit den Wurzeln der Romantik treu, bereitet aber auch das Entstehen der deutschen Kriminalliteratur maßgeblich vor.