7. Szene
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Marie. Woyzeck.
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Woyzeck (sieht sie starr an und schüttelt den Kopf): Hm! Ich seh' nichts,
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ich seh nichts. O man müßt's sehen, man müßt's greifen könne mit
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Fäusten!
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Marie (verschüchtert): Was hast du, Franz? Du bist hirnwütig, Franz.
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Woyzeck: Eine Sünde, so dick und so breit. (Es stinkt, dass man die
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Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'!) Du hast ein' roten
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Mund, Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist schön wie die
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Sünde – Kann die Totsünde so schön sein?
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Marie: Franz, du redest im Fieber!
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Woyzeck: Teufel! – Hat er da gestanden? So? So?
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Marie: Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, können viele Menschen
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an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
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Woyzeck: Ich hab ihn gesehn!
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Marie: Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is
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und die Sonn scheint.
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Woyzeck: Mensch! (Geht auf sie los.)
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Marie: Rühr mich an, Franz! Ich hätt' lieber ein Messer in den Leib als
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deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen
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gewagt, wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
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Woyzeck: Weib! Nein, es müßte was an dir sein! Jeder Mensch ist ein
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Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. Es wäre!
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Sie geht wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an
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dir. Weiß ich's? Weiß ich's? Wer weiß es? (Er geht.)