Zweiter Auftritt
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Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah.
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Al-Hafi:
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Die Gelder aus
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Ägypten sind vermutlich angelangt.
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Wenn's nur fein viel ist.
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Saladin:
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Hast du Nachricht?
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Al-Hafi:
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Ich?
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Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in
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Empfang soll nehmen.
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Saladin:
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Zahl an Sittah tausend
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Dinare! (In Gedanken hin und her gebend.)
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Al-Hafi:
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Zahl! anstatt empfang! O schön!
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Das ist für Was noch weniger als Nichts. –
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An Sittah? – wiederum an Sittah? Und
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Verloren? – wiederum im Schach verloren? –
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Da steht es noch das Spiel!
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Sittah:
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Du gönnst mir doch
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Mein Glück?
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Al-Hafi (das Spiel betrachtend):
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Was gönnen? Wenn – Ihr wißt ja wohl.
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Sittah (ihm winkend):
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Bst! Hafi! bst!
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Al-Hafi (noch auf das Spiel gerichtet):
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Gönnt's Euch nur selber erst!
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Sittah:
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Al-Hafi; bst!
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Al-Hafi (zu Sittah):
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Die Weißen waren Euer?
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Ihr bietet Schach?
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Sittah:
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Gut, daß er nichts gehört.
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Al-Hafi:
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Nun ist der Zug an ihm?
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Sittah (ihm nähertretend):
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So sage doch,
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Daß ich mein Geld bekommen kann.
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Al-Hafi (noch auf das Spiel geheftet):
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Nun ja;
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Ihr sollt's bekommen, wie Ihr's stets bekommen.
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Sittah:
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Wie? bist du toll?
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Al-Hafi:
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Das Spiel ist ja nicht aus.
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Ihr habt ja nicht verloren, Saladin.
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Saladin (kaum hinhörend):
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Doch! doch! Bezahl! bezahl!
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Al-Hafi:
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Bezahl! bezahl!
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Da steht ja Eure Königin.
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Saladin (noch so):
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Gilt nicht;
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Gehört nicht mehr ins Spiel.
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Sittah:
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So mach und sag,
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Daß ich das Geld mir nur kann holen lassen.
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Al-Hafi (noch immer in das Spiel vertieft):
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Versteht sich, so wie immer. – Wenn auch schon;
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Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid
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Doch darum noch nicht matt.
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Saladin (tritt hinzu und wirft das Spiel um):
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Ich bin es; will
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Es sein.
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Al-Hafi:
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Ja so! – Spiel wie Gewinst! So wie
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Gewonnen, so bezahlt.
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Saladin (zu Sittah):
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Was sagt er? was?
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Sittah (von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend):
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Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; läßt gern
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Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch. –
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Saladin:
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Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht?
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Was hör ich, Hafi? Neidisch? du?
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Al-Hafi:
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Kann sein!
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Kann sein! – Ich hätt' ihr Hirn wohl lieber selbst;
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Wär' lieber selbst so gut, als sie.
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Sittah:
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Indes
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Hat er doch immer richtig noch bezahlt.
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Und wird auch heut bezahlen. Laß ihn nur! –
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Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld
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Schon holen lassen.
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Al-Hafi:
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Nein; ich spiele länger
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Die Mummerei nicht mit. Er muß es doch
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Einmal erfahren.
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Saladin:
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Wer? und was?
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Sittah:
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Al-Hafi!
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Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so
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Mir Wort?
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Al-Hafi:
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Wie konnt' ich glauben, daß es so
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Weit gehen würde.
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Saladin:
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Nun? erfahr ich nichts?
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Sittah:
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Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden.
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Saladin:
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Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah
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So feierlich, so warm bei einem Fremden,
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Bei einem Derwisch lieber, als bei mir,
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Bei ihrem Bruder, sich verbitten wollen.
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Al-Hafi, nun befehl ich. – Rede, Derwisch!
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Sittah:
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Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir
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Nicht näher treten, als sie würdig ist.
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Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen
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Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen.
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Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe;
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Weil itzt in Hafis Kasse doch das Geld
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Nicht eben allzuhäufig ist: so sind
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Die Posten stehngeblieben. Aber sorgt
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Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,
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Noch Hafi, noch der Kasse schenken.
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Al-Hafi:
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Ja,
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Wenn's das nur wäre! das!
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Sittah:
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Und mehr dergleichen. –
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Auch das ist in der Kasse stehngeblieben,
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Was du mir einmal ausgeworfen; ist
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Seit wenig Monden stehngeblieben.
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Al-Hafi:
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Noch
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Nicht alles.
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Saladin:
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Noch nicht? – Wirst du reden?
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Al-Hafi:
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Seit aus Ägypten wir das Geld erwarten,
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Hat sie ...
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Sittah (zu Saladin):
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Wozu ihn hören?
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Al-Hafi:
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Nicht nur nichts
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Bekommen ...
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Saladin:
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Gutes Mädchen! – Auch beiher
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Mit vorgeschossen. Nicht?
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Al-Hafi:
149
Den ganzen Hof
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Erhalten; Euern Aufwand ganz allein
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Bestritten.
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Saladin:
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Ha! das, das ist meine Schwester!
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(Sie umarmend.)
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Sittah:
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Wer hatte, dies zu können, mich so reich
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Gemacht, als du, mein Bruder?
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Al-Hafi:
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Wird schon auch
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So bettelarm sie wieder machen, als
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Er selber ist.
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Saladin:
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Ich arm? der Bruder arm?
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Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt? –
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Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, – und Einen Gott!
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Was brauch ich mehr? Wenn kann's an dem mir fehlen?
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Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten.
168
Sittah:
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Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater
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Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!
171
Saladin:
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Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit
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Auf einmal wieder nieder! – Mir, für mich
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Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm,
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Ihm fehlet; und in ihm uns allen. – Sagt,
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Was soll ich machen? – Aus Ägypten kommt
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Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,
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Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. –
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Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,
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Mir gern gefallen lassen; wenn es mich,
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Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst
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Darunter leidet. – Doch was kann das machen?
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Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben.
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Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen.
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Ihm gnügt schon so mit wenigem genug;
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Mit meinem Herzen. – Auf den Überschuß
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Von deiner Kasse, Hafi, hatt' ich sehr
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Gerechnet.
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Al-Hafi: Überschuß? – Sagt selber, ob
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Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens
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Mich drosseln lassen, wenn auf Überschuß
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Ich von Euch wär' ergriffen worden. Ja,
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Auf Unterschleif! das war zu wagen.
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Saladin:
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Nun,
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Was machen wir denn aber? – Konntest du
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Vorerst bei niemand andern borgen, als
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Bei Sittah?
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Sittah:
200
Würd' ich dieses Vorrecht, Bruder,
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Mir haben nehmen lassen? Mir von ihm?
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Auch noch besteh ich drauf. Noch bin ich auf
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Dem Trocknen völlig nicht.
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Saladin:
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Nur völlig nicht!
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Das fehlte noch! – Geh gleich, mach Anstalt, Hafi!
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Nimm auf bei wem du kannst! und wie du kannst!
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Geh, borg, versprich. – Nur, Hafi, borge nicht
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Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen
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Von diesen, möchte wiederfordern heißen.
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Geh zu den Geizigsten; die werden mir
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Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl,
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Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert.
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Al-Hafi:
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Ich kenne deren keine.
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Sittah:
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Eben fällt
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Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß
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Dein Freund zurückgekommen.
220
Al-Hafi (betroffen):
221
Freund? mein Freund?
222
Wer wär' denn das?
223
Sittah:
224
Dein hochgepriesner Jude.
225
Al-Hafi:
226
Gepriesner Jude? hoch von mir?
227
Sittah:
228
Dem Gott, –
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Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, des einst
230
Du selber dich von ihm bedientest, – dem
231
Sein Gott von allen Gütern dieser Welt
232
Das Kleinst' und Größte so in vollem Maß
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Erteilet habe. –
234
Al-Hafi:
235
Sagt' ich so? – Was meint'
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Ich denn damit?
237
Sittah:
238
Das Kleinste: Reichtum. Und
239
Das Größte: Weisheit.
240
Al-Hafi:
241
Wie? von einem Juden?
241
Von einem Juden hätt' ich das gesagt?
243
Sittah:
244
Das hättest du von deinem Nathan nicht
245
Gesagt?
246
Al-Hafi:
247
Ja so! von dem! vom Nathan! – Fiel
248
Mir der doch gar nicht bei. – Wahrhaftig? Der
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Ist endlich wieder heimgekommen? Ei!
250
So mag's doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. –
251
Ganz recht: den nannt' einmal das Volk den Weisen!
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Den Reichen auch.
253
Sittah:
254
Den Reichen nennt es ihn
255
Itzt mehr als je. Die ganze Stadt erschallt,
256
Was für Kostbarkeiten, was für Schätze
257
Er mitgebracht.
258
Al-Hafi:
259
Nun, ist's der Reiche wieder:
260
So wird's auch wohl der Weise wieder sein.
261
Sittah:
262
Was meinst du, Hafi, wenn du diesen angingst?
263
Al-Hafi:
264
Und was bei ihm? – Doch wohl nicht borgen? – Ja,
265
Da kennt Ihr ihn. – Er borgen! – Seine Weisheit
266
Ist eben, daß er niemand borgt.
267
Sittah:
268
Du hast
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Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm
270
Gemacht.
271
Al-Hafi:
272
Zur Not wird er Euch Waren borgen.
273
Geld aber, Geld? Geld nimmermehr. – Es ist
274
Ein Jude freilich übrigens, wie's nicht
275
Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß
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Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er
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Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten
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Von allen andern Juden aus. – Auf den,
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Auf den nur rechnet nicht. – Den Armen gibt
280
Er zwar; und gibt vielleicht trotz Saladin.
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Wenn schon nicht ganz so viel; doch ganz so gern;
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Doch ganz so sonder Ansehn. Jud' und Christ
283
Und Muselmann und Parsi, alles ist
284
Ihm eins.
285
Sittah:
286
Und so ein Mann ...
287
Saladin:
288
Wie kommt es denn,
289
Daß ich von diesem Manne nie gehört? ...
290
Sittah:
291
Der sollte Saladin nicht borgen? nicht
292
Dem Saladin, der nur für andre braucht,
293
Nicht sich?
294
Al-Hafi:
295
Da seht nun gleich den Juden wieder;
296
Den ganz gemeinen Juden! – Glaubt mir's doch! –
297
Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig,
298
So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in
299
Der Welt gesagt wird, zög' er lieber ganz
300
Allein. Nur darum eben leiht er keinem,
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Damit er stets zu geben habe. Weil
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Die Mild' ihm im Gesetz geboten; die
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Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht
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Die Mild' ihn zu dem ungefälligsten
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Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit
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Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß
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Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich
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Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige.
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Er ist zu allem gut: bloß dazu nicht;
310
Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich
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Nur gehn, an andre Türen klopfen ... Da
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Besinn ich mich soeben eines Mohren,
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Der reich und geizig ist. – Ich geh; ich geh.
314
Sittah:
315
Was eilst du, Hafi?
316
Saladin:
317
Laß ihn! laß ihn!