Zweiter Auftritt
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Marinelli und bald darauf Angelo.
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Marinelli (der wieder nach dem Fenster geht): Dort fährt der Wagen
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langsam nach der Stadt zurück. – So langsam? Und in jedem Schlage
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ein Bedienter? – Das sind Anzeichen, die mir nicht gefallen – daß der
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Streich wohl nur halb gelungen ist: – daß man einen Verwundeten
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gemächlich zurückführet – und keinen Toten. – Die Maske steigt ab. –
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Es ist Angelo selbst. Der Tolldreiste! – Endlich, hier weiß er die
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Schliche. – Er winkt mir zu. Er muß seiner Sache gewiß sein. – Ha, Herr
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Graf, der Sie nicht nach Massa wollten, und nun noch einen weitern
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Weg müssen! – Wer hatte Sie die Affen so kennen gelehrt? (Indem er
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nach der Türe zugeht.) Jawohl sind sie hämisch. – Nun, Angelo?
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Angelo (der die Maske abgenommen): Passen Sie auf, Herr Kammerherr!
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Man muß sie gleich bringen.
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Marinelli: Und wie lief es sonst ab?
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Angelo: Ich denke ja, recht gut.
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Marinelli: Wie steht es mit dem Grafen?
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Angelo: Zu dienen! So, so! – Aber er muß Wind gehabt haben. Denn er war
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nicht so ganz unbereitet.
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Marinelli: Geschwind sage mir, was du mir zu sagen hast! – Ist er tot?
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Angelo: Es tut mir leid um den guten Herrn.
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Marinelli: Nun da, für dein mitleidiges Herz! (Gibt ihm einen Beutel mit
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Gold.)
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Angelo: Vollends mein braver Nicolo! der das Bad mit bezahlen müssen.
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Marinelli: So? Verlust auf beiden Seiten?
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Angelo: Ich könnte weinen um den ehrlichen Jungen! Ob mir sein Tod
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schon das (indem er den Beutel in der Hand wieget) um ein Vierteil
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verbessert. Denn ich bin sein Erbe, weil ich ihn gerächet habe. Das ist
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so unser Gesetz; ein so gutes, mein ich, als für Treu' und Freundschaft
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je gemacht worden. Dieser Nicolo, Herr Kammerherr –
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Marinelli: Mit deinem Nicolo! – Aber der Graf, der Graf –
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Angelo: Blitz! der Graf hatte ihn gut gefaßt. Dafür faßt' ich auch wieder den
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Grafen! – Er stürzte; und wenn er noch lebendig zurück in die Kutsche
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kam, so steh ich dafür, daß er nicht lebendig wieder herauskommt.
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Marinelli: Wenn das nur gewiß ist, Angelo.
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Angelo: Ich will Ihre Kundschaft verlieren, wenn es nicht gewiß ist! – Haben
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Sie noch was zu befehlen? Denn mein Weg ist der weiteste: wir wollen
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heute noch über die Grenze.
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Marinelli: So geh.
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Angelo: Wenn wieder was vorfällt, Herr Kammerherr – Sie wissen, wo ich
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zu erfragen bin. Was sich ein andrer zu tun getrauet, wird für mich auch
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keine Hexerei sein. Und billiger bin ich als jeder andere. (Geht ab.)
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Marinelli: Gut das! – Aber doch nicht so recht gut. – Pfui, Angelo! so ein
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Knicker zu sein! Einen zweiten Schuß wäre er ja wohl noch wert
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gewesen. – Und wie er sich vielleicht nun martern muß, der arme Graf!
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– Pfui, Angelo! Das heißt sein Handwerk sehr grausam treiben – und
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verpfuschen. – Aber davon muß der Prinz noch nichts wissen. Er muß
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erst selbst finden, wie zuträglich ihm dieser Tod ist. – Dieser Tod! –
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Was gäb' ich um die Gewißheit! –