Trüber Tag - Feld
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Faust. Mephistopheles.
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Faust:
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Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun
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gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt,
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das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin!- Verräterischer,
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nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!- Steh nur, steh!
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wälze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir
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durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen
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Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit!
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Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir
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ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!
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Mephistopheles:
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Sie ist die erste nicht.
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Faust:
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Hund! abscheuliches Untier!- Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den
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Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nächtlicherweile gefiel,
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vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Füße zu kollern und
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sich dem niederstürzenden auf die Schultern zu hängen. Wandl' ihn wieder in
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seine Lieblingsbildung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich
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ihn mit Füßen trete, den Verworfnen!- "Die erste nicht!"- Jammer! Jammer!
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von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe
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dieses Elendes versank, daß nicht das erste genugtat für die Schuld aller
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übrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden!
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Mir wühlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser einzigen- du grinsest
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gelassen über das Schicksal von Tausenden hin!
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Mephistopheles:
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Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da, wo euch Menschen
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der Sinn überschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie
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nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht
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sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?
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Faust:
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Fletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen! Mir ekelt's!-
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Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein
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Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden,
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der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?
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Mephistopheles:
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Endigst du?
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Faust:
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Rette sie! oder weh dir! Den gräßlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!
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Mephistopheles:
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Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen.-
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Rette sie!- Wer war's, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?
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(Faust blickt wild umher.)
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Greifst du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden Sterblichen nicht
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gegeben ward! Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern, das ist so
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Tyrannenart, sich in Verlegenheiten Luft zu machen.
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Faust:
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Bringe mich hin! Sie soll frei sein!
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Mephistopheles:
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Und die Gefahr, der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt
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Blutschuld von deiner Hand. Über des Erschlagenen Stätte schweben rächende
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Geister und lauern auf den wiederkehrenden Mörder.
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Faust:
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Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt über dich Ungeheuer! Führe mich
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hin, sag ich, und befrei sie.
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Mephistopheles:
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Ich führe dich, und was ich tun kann, höre! Habe ich alle Macht im Himmel
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und auf Erden? Des Türners Sinne will ich umnebeln, bemächtige dich der
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Schlüssel und führe sie heraus mit Menschenhand! Ich wache, die
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Zauberpferde sind bereit, ich entführe euch. Das vermag ich.
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Faust:
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Auf und davon!