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Inhaltsverzeichnis

Letzter Auftritt

2
Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen.
3
Saladin:
4
Ah, meine guten lieben Freunde! Dich,
5
Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen
6
Bedeuten, daß du nun, sobald du willst,
7
Dein Geld kannst wieder holen lassen!
8
Nathan:
9
Sultan! ...
10
Saladin:
11
Nun steh ich auch zu deinen Diensten
12
Nathan:
13
Sultan! ...
14
Saladin:
15
Die Karawan' ist da. Ich bin so reich
16
Nun wieder, als ich lange nicht gewesen.
17
Komm, sag mir, was du brauchst, so recht was Großes
18
Zu unternehmen! Denn auch ihr, auch ihr,
19
Ihr Handelsleute, könnt des baren Geldes
20
Zuviel nie haben!
21
Nathan:
22
Und warum zuerst
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Von dieser Kleinigkeit? Ich sehe dort
24
Ein Aug' in Tränen, das zu trocknen, mir
25
Weit angelegner ist. (Geht auf Recha zu.)
26
Du hast geweint?
27
Was fehlt dir? bist doch meine Tochter noch?
28
Recha:
29
Mein Vater! ...
30
Nathan:
31
Wir verstehen uns. Genug!
32
Sei heiter! Sei gefaßt! Wenn sonst dein Herz
33
Nur dein noch ist! Wenn deinem Herzen sonst
34
Nur kein Verlust nicht droht! Dein Vater ist
35
Dir unverloren!
36
Recha:
37
Keiner, keiner sonst!
38
Tempelherr:
39
Sonst keiner? Nun! so hab ich mich betrogen.
40
Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat
41
Man zu besitzen nie geglaubt, und nie
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Gewünscht. Recht wohl! recht wohl! Das ändert, Nathan,
43
Das ändert alles! – Saladin, wir kamen
44
Auf dein Geheiß. Allein, ich hatte dich
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Verleitet; itzt bemüh dich nur nicht weiter!
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Saladin:
47
Wie gach nun wieder, junger Mann! Soll alles
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Dir denn entgegenkommen? Alles dich
49
Erraten?
50
Tempelherr:
51
Nun du hörst ja! siehst ja, Sultan!
52
Saladin:
53
Ei wahrlich! Schlimm genug, daß deiner Sache
54
Du nicht gewisser warst!
55
Tempelherr:
56
So bin ich's nun.
57
Saladin:
58
Wer so auf irgendeine Wohltat trotzt,
59
Nimmt sie zurück. Was du gerettet, ist
60
Deswegen nicht dein Eigentum. Sonst wär'
61
Der Räuber, den sein Geiz ins Feuer jagt,
62
So gut ein Held wie du!
63
(Auf Recha zugehend, um sie dem Tempelherrn zuzuführen.)
64
Komm, liebes Mädchen,
65
Komm! Nimm's mit ihm nicht so genau. Denn wär'
66
Er anders; wär' er minder warm und stolz:
67
Er hätt' es bleibenlassen, dich zu retten.
68
Du mußt ihm eins fürs andre rechnen. Komm!
69
Beschäm ihn! tu, was ihm zu tun geziemte!
70
Bekenn ihm deine Liebe! trage dich ihm an!
71
Und wenn er dich verschmäht; dir's je vergißt,
72
Wie ungleich mehr in diesem Schritte du
73
Für ihn getan, als er für dich ... Was hat
74
Er denn für dich getan? Ein wenig sich
75
Beräuchern lassen! ist was Rechts! so hat
76
Er meines Bruders, meines Assad, nichts!
77
So trägt er seine Larve, nicht sein Herz.
78
Komm, Liebe ...
79
Sittah:
80
Geh! geh, Liebe, geh! Es ist
81
Für deine Dankbarkeit noch immer wenig;
82
Noch immer nichts.
83
Nathan:
84
Halt Saladin! halt Sittah!
85
Saladin:
86
Auch du?
87
Nathan:
88
Hier hat noch einer mitzusprechen...
89
Saladin:
90
Wer leugnet das? Unstreitig, Nathan, kömmt
91
So einem Pflegevater eine Stimme
92
Mit zu! Die erste, wenn du willst. Du hörst,
93
Ich weiß der Sache ganze Lage.
94
Nathan:
95
Nicht so ganz!
96
Ich rede nicht von mir. Es ist ein andrer;
97
Weit, weit ein andrer, den ich, Saladin,
98
Doch auch vorher zu hören bitte.
99
Saladin:
100
Wer?
101
Nathan:
102
Ihr Bruder!
103
Saladin:
104
Rechas Bruder?
105
Nathan:
106
Ja!
107
Recha:
108
Mein Bruder?
109
So hab ich einen Bruder?
110
Tempelherr (aus seiner wilden, stummen Zerstreuung auffahrend):
111
Wo? wo ist
112
Er, dieser Bruder? Noch nicht hier? Ich sollt'
113
Ihn hier ja treffen.
114
Nathan:
115
Nur Geduld!
116
Tempelherr (äußerst bitter):
117
Er hat
118
Ihr einen Vater aufgebunden: wird
119
Er keinen Bruder für sie finden?
120
Saladin:
121
Das
122
Hat noch gefehlt! Christ! ein so niedriger
123
Verdacht wär' über Assads Lippen nicht
124
Gekommen. Gut! fahr nur so fort!
125
Nathan:
126
Verzeih
127
Ihm! Ich verzeih ihm gern. Wer weiß, was wir
128
An seiner Stell', in seinem Alter dächten!
129
(Freundschaftlich auf ihn zugehend.)
130
Natürlich, Ritter! Argwohn folgt auf Mißtraun!
131
Wenn Ihr mich Eures wahren Namens gleich
132
Gewürdigt hättet ...
133
Tempelherr:
134
Wie?
135
Nathan:
136
Ihr seid kein Stauffen!
137
Tempelherr:
138
Wer bin ich denn?
139
Nathan:
140
Heißt Curd von Stauffen nicht!
141
Tempelherr:
142
Wie heiß ich denn?
143
Nathan:
144
Heißt Leu von Filnek.
145
Tempelherr:
146
Wie?
147
Nathan:
148
Ihr stutzt?
149
Tempelherr:
150
Mit Recht! Wer sagt das?
151
Nathan:
152
Ich; der mehr,
153
Noch mehr Euch sagen kann. Ich straf indes
154
Euch keiner Lüge.
155
Tempelherr:
156
Nicht?
157
Nathan:
158
Kann doch wohl sein,
159
Daß jener Nam' Euch ebenfalls gebührt.
160
Tempelherr:
161
Das sollt' ich meinen! (Das hieß Gott ihn sprechen!)
162
Nathan:
163
Denn Eure Mutter – die war eine Stauffin.
164
Ihr Bruder, Euer Ohm, der Euch erzogen,
165
Dem Eure Eltern Euch in Deutschland ließen,
166
Als, von dem rauhen Himmel dort vertrieben,
167
Sie wieder hierzulande kamen: – Der
168
Hieß Curd von Stauffen; mag an Kindes Statt
169
Vielleicht Euch angenommen haben! – Seid
170
Ihr lange schon mit ihm nun auch herüber-
171
Gekommen? Und er lebt doch noch?
172
Tempelherr:
173
Was soll
174
Ich sagen? Nathan! Allerdings! So ist's!
175
Er selbst ist tot. Ich kam erst mit der letzten
176
Verstärkung unsers Ordens. – Aber, aber –
177
Was hat mit diesem allen Rechas Bruder
178
Zu schaffen?
179
Nathan:
180
Euer Vater ...
181
Tempelherr:
182
Wie? auch den
183
Habt Ihr gekannt? Auch den?
184
Nathan:
185
Er war mein Freund.
186
Tempelherr:
187
War Euer Freund? Ist's möglich, Nathan! ...
188
Nathan:
189
Nannte
190
Sich Wolf von Filnek; aber war kein Deutscher ...
191
Tempelherr:
192
Ihr wißt auch das?
193
Nathan:
194
War einer Deutschen nur
195
Vermählt; war Eurer Mutter nur nach Deutschland
196
Auf kurze Zeit gefolgt ...
197
Tempelherr:
198
Nicht mehr! Ich bitt
199
Euch! Aber Rechas Bruder? Rechas Bruder ...
200
Nathan:
201
Seid Ihr!
202
Tempelherr:
203
Ich? ich ihr Bruder?
204
Recha:
205
Er mein Bruder?
206
Sittah:
207
Geschwister!
208
Saladin:
209
Sie Geschwister!
210
Recha (will auf ihn zu):
211
Ah! mein Bruder!
212
Tempelherr (tritt zurück):
213
Ihr Bruder!
214
Recha (hält an, und wendet sich zu Nathan):
215
Kann nicht sein! nicht sein! Sein Herz
216
Weiß nichts davon! – Wir sind Betrüger! Gott!
217
Saladin (zum Tempelherrn):
218
Betrüger? wie? Das denkst du? kannst du denken?
219
Betrüger selbst! Denn alles ist erlogen
220
An dir: Gesicht und Stimm' und Gang! Nichts dein!
221
So eine Schwester nicht erkennen wollen! Geh!
222
Tempelherr (sich demütig ihm nahend):
223
Mißdeut auch du nicht mein Erstaunen, Sultan!
224
Verkenn in einem Augenblick', in dem
225
Du schwerlich deinen Assad je gesehen,
226
Nicht ihn und mich! (Auf Nathan zueilend.)
227
Ihr nehmt und gebt mir, Nathan!
228
Mit vollen Händen beides! Nein! Ihr gebt
229
Mir mehr, als Ihr mir nehmt! unendlich mehr!
230
(Recha um den Hals fallend.)
231
Ah! meine Schwester! meine Schwester!
232
Nathan:
233
Blanda
234
Von Filnek.
235
Tempelherr:
236
Blanda? Blanda? Recha nicht?
237
Nicht Eure Recha mehr? Gott! Ihr verstoßt
238
Sie! gebt ihr ihren Christennamen wieder!
239
Verstoßt sie meinetwegen! Nathan! Nathan!
240
Warum es sie entgelten lassen? sie!
241
Nathan:
242
Und was? O meine Kinder! meine Kinder!
243
Denn meiner Tochter Bruder wär' mein Kind
244
Nicht auch, sobald er will?
245
Indem er sich ihren Umarmungen überläßt,
246
tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner Schwester.
247
Saladin:
248
Was sagst du, Schwester?
249
Sittah:
250
Ich bin gerührt ...
251
Saladin:
252
Und ich, ich schaudere
253
Vor einer größern Rührung fast zurück!
254
Bereite dich nur drauf, so gut du kannst.
255
Sittah:
256
Wie?
257
Saladin:
258
Nathan, auf ein Wort! ein Wort!
259
(Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu dem Geschwister,
260
ihm ihre Teilnahme zu bezeigen;
261
und Nathan und Saladin sprechen leiser.)
262
Hör! hör doch, Nathan! Sagtest du vorhin
263
Nicht –?
264
Nathan:
265
Was?
266
Saladin:
267
Aus Deutschland sei ihr Vater nicht
268
Gewesen; ein geborner Deutscher nicht.
269
Was war er denn? Wo war er sonst denn her?
270
Nathan:
271
Das hat er selbst mir nie vertrauen wollen.
272
Aus seinem Munde weiß ich nichts davon.
273
Saladin:
274
Und war auch sonst kein Frank? kein Abendländer?
275
Nathan:
276
Oh! daß er der nicht sei, gestand er wohl.
277
Er sprach am liebsten Persisch ...
278
Saladin:
279
Persisch? Persisch?
280
Was will ich mehr? Er ist's! Er war es!
281
Nathan:
282
Wer?
283
Saladin:
284
Mein Bruder! ganz gewiß! Mein Assad! ganz
285
Gewiß!
286
Nathan:
287
Nun, wenn du selbst darauf verfällst:
288
Nimm die Versichrung hier in diesem Buche!
289
Ihm das Brevier überreichend.
290
Saladin (es begierig aufschlagend):
291
Ah! seine Hand! Auch die erkenn ich wieder!
292
Nathan:
293
Noch wissen sie von nichts! Noch steht's bei dir
294
Allein, was sie davon erfahren sollen!
295
Saladin (indes er darin geblättert):
296
Ich meines Bruders Kinder nicht erkennen?
297
Ich meine Neffen meine Kinder nicht?
298
Sie nicht erkennen? ich? Sie dir wohl lassen?
299
(Wieder laut.)
300
Sie sind's! Sie sind es, Sittah, sind's! Sie sind's!
301
Sind beide meines ... deines Bruders Kinder!
302
Er rennt in ihre Umarmungen.
303
Sittah (ihm folgend):
304
Was hör ich! Konnt's auch anders, anders sein!
305
Saladin (zum Tempelherrn):
306
Nun mußt du doch wohl, Trotzkopf, mußt mich lieben!
307
(Zu Recha.)
308
Nun bin ich doch, wozu ich mich erbot?
309
Magst wollen, oder nicht!
310
Sittah:
311
Ich auch! ich auch!
312
Saladin (zum Tempelherrn zurück):
313
Mein Sohn! mein Assad! meines Assads Sohn!
314
Tempelherr:
315
Ich deines Bluts! So waren jene Träume,
316
Womit man meine Kindheit wiegte, doch
317
Doch mehr als Träume!
318
Ihm zu Füßen fallend.
319
Saladin (ihn aufhebend):
320
Seht den Bösewicht!
321
Er wußte was davon, und konnte mich
322
Zu seinem Mörder machen wollen! Wart!
323
Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.

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