Dritter Auftritt
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Pirro und bald darauf Angelo.
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Pirro: Die sich nur aus Neugierde melden lassen. – Was bin ich seit einer
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Stunde nicht alles ausgefragt worden! – Und wer kömmt da?
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Angelo (noch halb hinter der Szene, in einem kurzen Mantel, den er über
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das Gesicht gezogen, den Hut in die Stirne): Pirro! – Pirro!
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Pirro: Ein Bekannter? – (Indem Angelo vollends hereintritt und den Mantel
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auseinanderschlägt.) Himmel! Angelo? – Du?
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Angelo: Wie du siehst. – Ich bin lange genug um das Haus
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herumgegangen, dich zu sprechen. – Auf ein Wort! –
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Pirro: Und du wagst es, wieder ans Licht zu kommen? – Du bist seit deiner
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letzten Mordtat vogelfrei erkläret; auf deinen Kopf steht eine Belohnung
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Angelo: Die doch du nicht wirst verdienen wollen? –
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Pirro: Was willst du? – Ich bitte dich, mache mich nicht unglücklich.
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Angelo: Damit etwa? (Ihm einen Beutel mit Gelde zeigend.) – Nimm! Es
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gehöret dir!
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Pirro: Mir?
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Angelo: Hast du vergessen? Der Deutsche, dein voriger Herr – –
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Pirro: Schweig davon!
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Angelo: Den du uns, auf dem Wege nach Pisa, in die Falle führtest –
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Pirro: Wenn uns jemand hörte!
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Angelo: Hatte ja die Güte, uns auch einen kostbaren Ring zu hinterlassen.
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– Weißt du nicht? – Er war zu kostbar, der Ring, als daß wir ihn
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sogleich ohne Verdacht hätten zu Gelde machen können. Endlich ist
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mir es damit gelungen. Ich habe hundert Pistolen dafür erhalten, und
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das ist dein Anteil. Nimm!
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Pirro: Ich mag nichts – behalt alles.
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Angelo: Meinetwegen! – wenn es dir gleichviel ist, wie hoch du deinen Kopf
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feil trägst – (Als ob er den Beutel wieder einstecken wollte.)
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Pirro: So gib nur! (Nimmt ihn.) – Und was nun? Denn daß du bloß
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deswegen mich aufgesucht haben solltest – –
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Angelo: Das kömmt dir nicht so recht glaublich vor? – Halunke! Was denkst
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du von uns? – daß wir fähig sind, jemand seinen Verdienst
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vorzuenthalten? Das mag unter den sogenannten ehrlichen Leuten
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Mode sein: unter uns nicht. – Leb wohl! – (Tut, als ob er gehen wollte,
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und kehrt wieder um.) Eins muß ich doch fragen. – Da kam ja der alte
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Galotti so ganz allein in die Stadt gesprengt. Was will der?
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Pirro: Nichts will er; ein bloßer Spazierritt. Seine Tochter wird heut abend
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auf dem Gute, von dem er herkömmt, dem Grafen Appiani angetrauet.
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Er kann die Zeit nicht erwarten –
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Angelo: Und reitet bald wieder hinaus?
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Pirro: So bald, daß er dich hier trifft, wo du noch lange verziehest. – Aber
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du hast doch keinen Anschlag auf ihn? Nimm dich in acht. Er ist ein
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Mann –
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Angelo: Kenn ich ihn nicht? Hab ich nicht unter ihm gedienet? – Wenn
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darum bei ihm nur viel zu holen wäre! – Wenn fahren die junge Leute
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nach?
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Pirro: Gegen Mittag.
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Angelo: Mit viel Begleitung?
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Pirro: In einem einzigen Wagen.- die Mutter, die Tochter und der Graf. Ein
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paar Freunde kommen aus Sabionetta als Zeugen.
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Angelo: Und Bediente?
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Pirro: Nur zwei; außer mir, der ich zu Pferde voraufreiten soll.
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Angelo: Das ist gut. – Noch eins: wessen ist die Equipage? Ist es eure?
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oder des Grafen?
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Pirro: Des Grafen.
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Angelo: Schlimm! Da ist noch ein Vorreiter, außer einem handfesten
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Kutscher. Doch! –
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Pirro: Ich erstaune. Aber was willst du? – Das bißchen Schmuck, das die
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Braut etwa haben dürfte, wird schwerlich der Mühe lohnen –
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Angelo: So lohnt ihrer die Braut selbst!
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Pirro: Und auch bei diesem Verbrechen soll ich dein Mitschuldiger sein?
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Angelo: Du reitest vorauf. Reite doch, reite! und kehre dich an nichts!
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Pirro: Nimmermehr!
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Angelo: Wie? ich glaube gar, du willst den Gewissenhaften spielen.
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Bursche! ich denke, du kennst mich. – Wo du plauderst! Wo sich ein
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einziger Umstand anders findet, als du mir ihn angegeben! –
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Pirro: Aber, Angelo, um des Himmels willen! –
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Angelo: Tu, was du nicht lassen kannst! (Geht ab.)
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Pirro: Ha! Laß dich den Teufel bei einem Haare fassen, und du bist sein auf
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ewig! Ich Unglücklicher!