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Inhaltsverzeichnis

Siebenter Auftritt

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Nathan und der Klosterbruder.
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Nathan: (Ich bliebe Rechas Vater
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Doch gar zu gern! Zwar kann ich's denn nicht bleiben,
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Auch wenn ich aufhör, es zu heißen? Ihr,
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Ihr selbst werd ich's doch immer auch noch heißen,
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Wenn sie erkennt, wie gern ich's wäre.)
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Geh!
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Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder?
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Klosterbruder:
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Nicht eben viel. Ich freue mich, Herr Nathan,
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Euch annoch wohl zu sehn.
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Nathan:
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So kennt Ihr mich?
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Klosterbruder:
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Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem
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Ja Euern Namen in die Hand gedrückt.
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Er steht in meiner auch, seit vielen Jahren.
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Nathan (nach seinem Beutel langend):
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Kommt, Bruder, kommt; ich frisch ihn auf.
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Klosterbruder:
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Habt Dank!
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Ich würd' es Ärmern stehlen; nehme nichts.
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Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig
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Euch meinen Namen aufzufrischen. Denn
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Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand
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Etwas gelegt zu haben, was nicht zu
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Verachten war.
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Nathan:
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Verzeiht! Ich schäme mich
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Sagt, was? und nehmt zur Buße siebenfach
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Den Wert desselben von mir an.
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Klosterbruder:
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Hört doch
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Vor allen Dingen, wie ich selber nur
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Erst heut an dies mein Euch vertrautes Pfand
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Erinnert worden.
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Nathan:
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Mir vertrautes Pfand?
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Klosterbruder:
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Vor kurzem saß ich noch als Eremit
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Auf Quarantana, unweit Jericho.
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Da kam arabisch Raubgesindel, brach
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Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle
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Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam
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Ich noch und floh hierher zum Patriarchen,
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Um mir ein ander Plätzchen auszubitten,
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Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit
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Bis an mein selig Ende dienen könne.
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Nathan:
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Ich steh auf Kohlen, guter Bruder. Macht
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Es kurz. Das Pfand! das mir vertraute Pfand!
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Klosterbruder:
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Sogleich, Herr Nathan. Nun, der Patriarch
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Versprach mir eine Siedelei auf Tabor,
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Sobald als eine leer; und hieß inzwischen
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Im Kloster mich als Laienbruder bleiben.
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Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange
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Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn
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Der Patriarch braucht mich zu allerlei,
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Wovor ich großen Ekel habe. Zum
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Exempel:
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Nathan:
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Macht, ich bitt Euch!
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Klosterbruder:
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Nun, es kömmt!
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Da hat ihm jemand heut ins Ohr gesetzt:
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Es lebe hier herum ein Jude, der
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Ein Christenkind als seine Tochter sich
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Erzöge.
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Nathan:
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Wie? (Betroffen.)
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Klosterbruder:
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Hört mich nur aus! Indem
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Er mir nun aufträgt, diesem Juden stracks,
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Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und
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Gewaltig sich ob eines solchen Frevels
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Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider
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Den heil'gen Geist bedünkt; das ist, die Sünde,
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Die aller Sünden größte Sünd' uns gilt,
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Nur daß wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen,
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Worin sie eigentlich besteht: da wacht
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Mit einmal mein Gewissen auf; und mir
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Fällt bei, ich könnte selber wohl vor Zeiten
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Zu dieser unverzeihlich großen Sünde
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Gelegenheit gegeben haben. Sagt:
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Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren
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Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen?
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Nathan:
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Wie das? Nun freilich allerdings
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Klosterbruder:
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Ei, seht
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Mich doch recht an! Der Reitknecht, der bin ich.
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Nathan:
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Seid ihr?
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Klosterbruder:
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Der Herr, von welchem ich's Euch brachte,
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War ist mir recht ein Herr von Filnek. Wolf
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Von Filnek!
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Nathan:
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Richtig!
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Klosterbruder:
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Weil die Mutter kurz
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Vorher gestorben war; und sich der Vater
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Nach mein ich Gazza plötzlich werfen mußte,
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Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte:
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So sandt' er's Euch. Und traf ich Euch damit
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Nicht in Darun?
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Nathan:
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Ganz recht!
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Klosterbruder:
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Es wär' kein Wunder,
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Wenn mein Gedächtnis mich betrög'. Ich habe
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Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem
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Hab ich nur gar zu kurze Zeit gedient.
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Er blieb bald drauf bei Askalon: und war
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Wohl sonst ein lieber Herr.
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Nathan:
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Ja wohl! Ja wohl!
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Dem ich so viel, so viel zu danken habe!
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Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen!
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Klosterbruder:
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O schön! So werd't Ihr seines Töchterchens
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Euch um so lieber angenommen haben.
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Nathan:
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Das könnt Ihr denken.
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Klosterbruder:
128
Nun, wo ist es denn?
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Es ist doch wohl nicht etwa gar gestorben?
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Laßt's lieber nicht gestorben sein! Wenn sonst
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Nur niemand um die Sache weiß: so hat
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Es gute Wege.
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Nathan:
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Hat es?
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Klosterbruder:
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Traut mir, Nathan!
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Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute,
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Das ich zu tun vermeine, gar zu nah
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Was gar zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber
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Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar
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So ziemlich zuverlässig kennen, aber
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Bei weiten nicht das Gute. War ja wohl
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Natürlich; wenn das Christentöchterchen
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Recht gut von Euch erzogen werden sollte:
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Daß Ihr's als Euer eigen Töchterchen
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Erzögt. Das hättet Ihr mit aller Lieb'
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Und Treue nun getan, und müßtet so
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Belohnet werden? Das will mir nicht ein.
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Ei freilich, klüger hättet Ihr getan;
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Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand
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Als Christin auferziehen lassen: aber
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So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds
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Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe,
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Wär's eines wilden Tieres Lieb' auch nur,
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In solchen Jahren mehr, als Christentum.
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Zum Christentume hat's noch immer Zeit.
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Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm
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Vor Euern Augen aufgewachsen ist,
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So blieb's vor Gottes Augen, was es war.
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Und ist denn nicht das ganze Christentum
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Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft
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Geärgert, hat mir Tränen g'nug gekostet,
163
Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten,
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Daß unser Herr ja selbst ein Jude war.
165
Nathan:
166
Ihr, guter Bruder, müßt mein Fürsprach sein,
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Wenn Haß und Gleisnerei sich gegen mich
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Erheben sollten, wegen einer Tat
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Ah, wegen einer Tat! Nur Ihr, Ihr sollt
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Sie wissen! Nehmt sie aber mit ins Grab!
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Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht,
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Sie jemand andern zu erzählen. Euch
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Allein erzähl ich sie. Der frommen Einfalt
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Allein erzähl ich sie. Weil die allein
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Versteht, was sich der gottergebne Mensch
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Für Taten abgewinnen kann.
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Klosterbruder:
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Ihr seid
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Gerührt, und Euer Auge steht voll Wasser?
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Nathan:
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Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun.
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Ihr wißt wohl aber nicht, daß wenig Tage
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Zuvor, in Gath die Christen alle Juden
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Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt
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Wohl nicht, daß unter diesen meine Frau
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Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich
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Befunden, die in meines Bruders Hause,
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Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt
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Verbrennen müssen.
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Klosterbruder:
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Allgerechter!
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Nathan:
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Als
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Ihr kamt, hatt' ich drei Tag' und Nächt' in Asch'
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Und Staub vor Gott gelegen, und geweint.
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Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet,
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Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
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Der Christenheit den unversöhnlichsten
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Haß zugeschworen
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Klosterbruder:
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Ach! Ich glaub's Euch wohl!
202
Nathan:
203
Doch nun kam die Vernunft allmählich wieder.
204
Sie sprach mit sanfter Stimm': »und doch ist Gott!
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Doch war auch Gottes Ratschluß das! Wohlan!
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Komm! übe, was du längst begriffen hast,
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Was sicherlich zu üben schwerer nicht,
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Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.
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Steh auf!« Ich stand! und rief zu Gott: ich will!
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Willst du nur, daß ich will! Indem stiegt Ihr
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Vom Pferd, und überreichtet mir das Kind,
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In Euern Mantel eingehüllt. Was Ihr
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Mir damals sagtet; was ich Euch: hab ich
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Vergessen. Soviel weiß ich nur; ich nahm
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Das Kind, trug's auf mein Lager, küßt' es, warf
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Mich auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben
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Doch nun schon Eines wieder!
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Klosterbruder:
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Nathan! Nathan!
220
Ihr seid ein Christ! Bei Gott, Ihr seid ein Christ!
221
Ein beßrer Christ war nie!
222
Nathan:
223
Wohl uns! Denn was
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Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir
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Zum Juden! Aber laßt uns länger nicht
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Einander nur erweichen. Hier braucht's Tat!
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Und ob mich siebenfache Liebe schon
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Bald an dies einz'ge fremde Mädchen band,
229
Ob der Gedanke mich schon tötet, daß
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Ich meine sieben Söhn' in ihr aufs neue
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Verlieren soll: wenn sie von meinen Händen
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Die Vorsicht wieder fodert, ich gehorche!
233
Klosterbruder:
234
Nun vollends! Eben das bedacht' ich mich
235
So viel, Euch anzuraten! Und so hat's
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Euch Euer guter Geist schon angeraten!
237
Nathan:
238
Nur muß der erste beste mir sie nicht
239
Entreißen wollen!
240
Klosterbruder:
241
Nein, gewiß nicht!
242
Nathan:
243
Wer
244
Auf sie nicht größre Rechte hat, als ich,
245
Muß frühere zum mind'sten haben
246
Klosterbruder:
247
Freilich!
248
Nathan:
249
Die ihm Natur und Blut erteilen.
250
Klosterbruder:
251
So
252
Mein ich es auch!
253
Nathan:
254
Drum nennt mir nur geschwind
255
Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm,
256
Als Vetter oder sonst als Sipp' verwandt.-
257
Ihm will ich sie nicht vorenthalten Sie,
258
Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde
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Zu sein erschaffen und erzogen ward.
260
Ich hoff, Ihr wißt von diesem Euern Herrn
261
Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich.
262
Klosterbruder:
263
Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! Denn
264
Ihr habt ja schon gehört, daß ich nur gar
265
Zu kurze Zeit bei ihm gewesen.
266
Nathan:
267
Wißt
268
Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts
269
Die Mutter war? War sie nicht eine Stauffin?
270
Klosterbruder:
271
Wohl möglich! Ja, mich dünkt.
272
Nathan:
273
Hieß nicht ihr Bruder
274
Conrad von Stauffen? und war Tempelherr?
275
Klosterbruder:
276
Wenn mich's nicht trügt. Doch halt! Da fällt mir ein,
277
Daß ich vom sel'gen Herrn ein Büchelchen
278
Noch hab. Ich zog's ihm aus dem Busen, als
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Wir ihn bei Askalon verscharrten.
280
Nathan:
281
Nathan: Nun?
282
Klosterbruder:
283
Es sind Gebete drin. Wir nennen's ein
284
Brevier. Das, dacht' ich, kann ein Christenmensch
285
Ja wohl noch brauchen. Ich nun freilich nicht
286
Ich kann nicht lesen
287
Nathan:
288
Tut nichts! Nur zur Sache.
289
Klosterbruder:
290
In diesem Büchelchen stehn vorn und hinten,
291
Wie ich mir sagen lassen, mit des Herrn
292
Selbsteigner Hand, die Angehörigen
293
Von ihm und ihr geschrieben.
294
Nathan:
295
O erwünscht!
296
Geht! lauft! holt mir das Büchelchen. Geschwind!
297
Ich bin bereit mit Gold es aufzuwiegen;
298
Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft!
299
Klosterbruder:
300
Recht gern!
301
Es ist Arabisch aber, was der Herr
302
Hineingeschrieben. (Ab.)
303
Nathan:
304
Einerlei! Nur her!
305
Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten,
306
Und einen solchen Eidam mir damit
307
Erkaufen könnte! Schwerlich wohl! Nun, fall'
308
Es aus, wie's will! Wer mag es aber denn
309
Gewesen sein, der bei dem Patriarchen
310
So etwas angebracht? Das muß ich doch
311
Zu fragen nicht vergessen. Wenn es gar
312
Von Daja käme?

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