3. Standlied
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Chor: Ihr Enkel des Erechtheus[1], von alters gesegnet und Kinder seliger
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Götter, ihr stammt aus heiligem, unversehrtem Land, nährt euch an
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hochberühmter Weisheit, schreitet immer voll Anmut durch hellglänzendes
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Licht, dort, wo einst die heiligen neun Pierischen Musen[2], wie es heißt, die
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blonde Harmonia schufen.
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Sie rufen an den Wellen des lieblich strömenden Kephisos[3] Kypris[4] an, sie
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möge das Land aus dem Fluß berieseln und weiche, sanfte Lüfte
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herabsenden; sie, die sich stets einen duftenden Kranz von Rosen ins Haar
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drückt, möge die Eroten[5] senden, Gefährten der Weisheit, Helfer zu
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vielfachem Guten.
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Wie soll nun die Stadt an heiligen Flüssen oder das gastliche Land dich
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hegen, dich, die Kindsmörderin, nicht fromm unter Frommen? Bedenke den
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Todesstoß gegen die Kinder, bedenke, welchen Mord du begehst! Morde
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die Kinder nicht! Bei deinen Knieen flehe ich dich an, so inständig ich
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vermag.
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Woher nimmt dein Herz den Mut für Geist oder Hand gegen deine Kinder,
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um den grausen Frevel zu wagen? Wie kannst du die Kinder ansehen und
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sie ohne Tränen ermorden? Fallen die Kleinen dir flehend zu Füßen,
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vermagst du nicht, vermessenen Sinnes deine Hand mit Mordblut zu
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benetzen.
[1] Enkel des Erechtheus: Hier ist das athenische Volk gemeint. Erechtheus war einer der mythischen Könige vonm Athen.
[2] Pierischen Musen: Der Sage nach, schufen die neun Töchter des Zeus' aus Pieren, einem Ort Nahe des Olymps, die zehnte Muse Harmonia.
[3] Kephisos: Fluss in Griechenland
[4] Kypris: Beiname von Aphrodite, der Göttin der Schönheit, der Liebe und der sinnlichen Begierde
[5] Eroten: bildliche Darstellung geflügelter Liebesgötter, meist in Kindergestalt