Walpurgisnachtstraum
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oder Oberons und Titanias goldne Hochzeit Intermezzo
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Theatermeister:
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Heute ruhen wir einmal,
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Miedings wackre Söhne.
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Alter Berg und feuchtes Tal,
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Das ist die ganze Szene!
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Herold:
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Daß die Hochzeit golden sei,
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Solln funfzig Jahr sein vorüber;
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Aber ist der Streit vorbei,
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Das golden ist mir lieber.
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Oberon:
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Seid ihr Geister, wo ich bin,
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So zeigt's in diesen Stunden;
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König und die Königin,
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Sie sind aufs neu verbunden.
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Puck:
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Kommt der Puck und dreht sich quer
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Und schleift den Fuß im Reihen;
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Hundert kommen hinterher,
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Sich auch mit ihm zu freuen.
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Ariel:
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Ariel bewegt den Sang
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In himmlisch reinen Tönen;
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Viele Fratzen lockt sein Klang,
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Doch lockt er auch die Schönen.
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Oberon:
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Gatten, die sich vertragen wollen,
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Lernen's von uns beiden!
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Wenn sich zweie lieben sollen,
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Braucht man sie nur zu scheiden.
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Titania:
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Schmollt der Mann und grillt die Frau,
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So faßt sie nur behende,
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Führt mir nach dem Mittag sie,
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Und ihn an Nordens Ende.
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Orchester Tutti (Fortissimo):
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Fliegenschnauz und Mückennas
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Mit ihren Anverwandten,
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Frosch im Laub und Grill im Gras,
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Das sind die Musikanten!
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Solo:
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Seht, da kommt der Dudelsack!
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Es ist die Seifenblase.
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Hört den Schneckeschnickeschnack
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Durch seine stumpfe Nase
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Geist, der sich bildet:
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Spinnenfuß und Krötenbauch
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Und Flügelchen dem Wichtchen!
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Zwar ein Tierchen gibt es nicht,
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Doch gibt es ein Gedichtchen.
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Ein Pärchen:
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Kleiner Schritt und hoher Sprung
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Durch Honigtau und Düfte
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Zwar du trippelst mir genung,
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Doch geh's nicht in die Lüfte.
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Neugieriger Reisender:
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Ist das nicht Maskeradenspott?
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Soll ich den Augen trauen,
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Oberon, den schönen Gott,
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Auch heute hier zu schauen?
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Orthodox:
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Keine Klauen, keinen Schwanz!
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Doch bleibt es außer Zweifel:
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So wie die Götter Griechenlands,
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So ist auch er ein Teufel.
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Nordischer Künstler:
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Was ich ergreife, das ist heut
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Fürwahr nur skizzenweise;
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Doch ich bereite mich beizeit
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Zur italien'schen Reise.
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Purist:
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Ach! mein Unglück führt mich her:
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Wie wird nicht hier geludert!
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Und von dem ganzen Hexenheer
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Sind zweie nur gepudert.
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Junge Hexe:
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Der Puder ist so wie der Rock
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Für alt' und graue Weibchen,
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Drum sitz ich nackt auf meinem Bock
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Und zeig ein derbes Leibchen.
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Matrone:
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Wir haben zu viel Lebensart
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Um hier mit euch zu maulen!
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Doch hoff ich, sollt ihr jung und zart
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So wie ihr seid, verfaulen.
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Kapellmeister:
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Fliegenschnauz und Mückennas
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Umschwärmt mir nicht die Nackte!
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Frosch im Laub und Grill im Gras,
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So bleibt doch auch im Takte!
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Windfahne (nach der einen Seite):
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Gesellschaft, wie man wünschen kann:
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Wahrhaftig lauter Bräute!
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Und Junggesellen, Mann für Mann,
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Die hoffnungsvollsten Leute!
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Windfahne (nach der andern Seite):
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Und tut sich nicht der Boden auf,
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Sie alle zu verschlingen,
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So will ich mit behendem Lauf
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Gleich in die Hölle springen.
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Xenien:
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Als Insekten sind wir da,
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Mit kleinen scharfen Scheren,
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Satan, unsern Herrn Papa,
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Nach Würden zu verehren.
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Hennings:
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Seht, wie sie in gedrängter Schar
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Naiv zusammen scherzen!
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Am Ende sagen sie noch gar,
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Sie hätten gute Herzen.
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Musaget:
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Ich mag in diesem Hexenheer
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Mich gar zu gern verlieren;
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Denn freilich diese wüßt ich eh'r
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Als Musen anzuführen.
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CI-Devant Genius der Zeit:
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Mit rechten Leuten wird man was.
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Komm, fasse meinen Zipfel!
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Der Blocksberg, wie der deutsche Parnaß,
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Hat gar einen breiten Gipfel.
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Neugieriger Reisender:
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Sagt, wie heißt der steife Mann?
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Er geht mit stolzen Schritten.
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Er schnopert, was er schnopern kann.
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Er spürt nach Jesuiten.
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Kranich:
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In dem klaren mag ich gern
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Und auch im trüben fischen;
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Darum seht ihr den frommen Herrn
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Sich auch mit Teufeln mischen.
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Weltkind:
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Ja, für die Frommen, glaubet mir,
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Ist alles ein Vehikel,
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Sie bilden auf dem Blocksberg hier
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Gar manches Konventikel.
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Tänzer:
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Da kommt ja wohl ein neues Chor?
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Ich höre ferne Trommeln.
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"Nur ungestört! es sind im Rohr
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Die unisonen Dommeln.""
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Tanzmeister:
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Wie jeder doch die Beine lupft!
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Sich, wie er kann, herauszieht!
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Der Krumme springt, der Plumpe hupft
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Und fragt nicht, wie es aussieht.
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Fiedler:
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Das haßt sich schwer, das Lumpenpack,
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Und gäb sich gern das Restchen;
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Es eint sie hier der Dudelsack,
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Wie Orpheus' Leier die Bestjen.
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Dogmatiker:
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Ich lasse mich nicht irre schrein,
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Nicht durch Kritik noch Zweifel.
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Der Teufel muß doch etwas sein;
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Wie gäb's denn sonst auch Teufel?
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Idealist:
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Die Phantasie in meinem Sinn
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Ist diesmal gar zu herrisch.
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Fürwahr, wenn ich das alles bin,
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So bin ich heute närrisch.
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Realist:
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Das Wesen ist mir recht zur Qual
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Und muß mich baß verdrießen;
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Ich stehe hier zum erstenmal
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Nicht fest auf meinen Füßen.
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Supernaturalist:
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Mit viel Vergnügen bin ich da
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Und freue mich mit diesen;
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Denn von den Teufeln kann ich ja
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Auf gute Geister schließen.
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Skeptiker:
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Sie gehn den Flämmchen auf der Spur
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Und glaubn sich nah dem Schatze.
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Auf Teufel reimt der Zweifel nur;
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Da bin ich recht am Platze.
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Kapellmeister:
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Frosch im Laub und Grill im Gras,
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Verfluchte Dilettanten!
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Fliegenschnauz und Mückennas,
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Ihr seid doch Musikanten!
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Die Gewandten:
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Sanssouci, so heißt das Heer
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Von lustigen Geschöpfen;
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Auf den Füßen geht's nicht mehr,
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Drum gehn wir auf den Köpfen.
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Die Unbehilflichen:
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Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt,
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Nun aber Gott befohlen!
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Unsere Schuhe sind durchgetanzt,
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Wir laufen auf nackten Sohlen.
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Irrlichter:
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Von dem Sumpfe kommen wir,
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Woraus wir erst entstanden;
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Doch sind wir gleich im Reihen hier
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Die glänzenden Galanten.
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Sternschnuppe:
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Aus der Höhe schoß ich her
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Im Stern- und Feuerscheine,
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Liege nun im Grase quer-
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Wer hilft mir auf die Beine?
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Die Massiven:
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Platz und Platz! und ringsherum!
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So gehn die Gräschen nieder.
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Geister kommen, Geister auch,
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Sie haben plumpe Glieder.
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Puck:
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Tretet nicht so mastig auf
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Wie Elefantenkälber,
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Und der plumpst' an diesem Tag
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Sei Puck, der derbe, selber.
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Ariel:
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Gab die liebende Natur,
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Gab der Geist euch Flügel,
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Folget meiner leichten Spur,
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Auf zum Rosenhügel!
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Orchester (Pianissimo):
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Wolkenzug und Nebelflor
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Erhellen sich von oben.
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Luft im Laub und Wind im Rohr,
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Und alles ist zerstoben.