Vierter Auftritt
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Marinelli, und bald darauf dessen Bedienter Battista mit Emilien.
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Marinelli: Wenn sie ihn nicht selbst stürzen gesehen – Und das muß sie
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wohl nicht; da sie so fortgeeilet – Sie kömmt. Auch ich will nicht das
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erste sein, was ihr hier in die Augen fällt. (Er zieht sich in einen Winkel
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des Saales zurück.)
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Battista: Nur hier herein, gnädiges Fräulein!
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Emilia (außer Atem): Ah! – Ah! – Ich danke Ihm, mein Freund – ich dank
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Ihm. – Aber Gott, Gott! wo bin ich? – Und so ganz allein? Wo bleibt
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meine Mutter? Wo blieb der Graf? – Sie kommen doch nach? mir auf
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dem Fuße nach?
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Battista: Ich vermute.
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Emilia: Er vermutet? Er weiß es nicht? Er sah sie nicht? – Ward nicht gar
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hinter uns geschossen? –
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Battista: Geschossen? – Das wäre! –
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Emilia: Ganz gewiß! Und das hat den Grafen oder meine Mutter getroffen. –
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Battista: Ich will gleich nach ihnen ausgehen.
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Emilia: Nicht ohne mich. – Ich will mit; ich muß mit: komm' Er, mein Freund!
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Marinelli (der plötzlich herzutritt, als ob er eben hereinkäme): Ah, gnädiges
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Fräulein! Was für ein Unglück, oder vielmehr, was für ein Glück – was
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für ein glückliches Unglück verschafft uns die Ehre –
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Emilia (stutzend): Wie? Sie hier, mein Herr? – Ich bin also wohl bei Ihnen?
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– Verzeihen Sie, Herr Kammerherr. Wir sind von Räubern ohnfern
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überfallen worden. Da kamen uns gute Leute zu Hilfe – und dieser
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ehrliche Mann hob mich aus dem Wagen und brachte mich hierher. –
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Aber ich erschrecke, mich allein gerettet zu sehen. Meine Mutter ist
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noch in der Gefahr. Hinter uns ward sogar geschossen. Sie ist vielleicht
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tot – und ich lebe? – Verzeihen Sie. Ich muß fort; ich muß wieder hin –
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wo ich gleich hätte bleiben sollen.
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Marinelli: Beruhigen Sie sich, gnädiges Fräulein. Es stehet alles gut; sie
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werden bald bei Ihnen sein, die geliebten Personen, für die Sie so viel
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zärtliche Angst empfinden. – Indes, Battista, geh, lauf: sie dürften
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vielleicht nicht wissen, wo das Fräulein ist. Sie dürften sie vielleicht in
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einem von den Wirtschaftshäusern des Gartens suchen. Bringe sie
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unverzüglich hierher. (Battista geht ab.)
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Emilia: Gewiß? Sind sie alle geborgen? Ist ihnen nichts widerfahren? – Ah,
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was ist dieser Tag für ein Tag des Schreckens für mich! – Aber ich
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sollte nicht hier bleiben – ich sollte ihnen entgegeneilen –
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Marinelli: Wozu das, gnädiges Fräulein? Sie sind ohnedem schon ohne
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Atem und Kräfte. Erholen Sie sich vielmehr und geruhen in ein Zimmer
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zu treten, wo mehr Bequemlichkeit ist. – Ich will wetten, daß der Prinz
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schon selbst um Ihre teure, ehrwürdige Mutter ist und sie Ihnen
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zuführet.
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Emilia: Wer, sagen Sie?
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Marinelli: Unser gnädigster Prinz selbst.
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Emilia (äußerst bestürzt): Der Prinz?
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Marinelli: Er floh auf die erste Nachricht Ihnen zu Hülfe. – Er ist höchst
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ergrimmt, daß ein solches Verbrechen ihm so nahe, unter seinen Augen
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gleichsam, hat dürfen gewagt werden. Er läßt den Tätern nachsetzen,
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und ihre Strafe, wenn sie ergriffen werden, wird unerhört sein.
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Emilia: Der Prinz! – Wo bin ich denn also?
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Marinelli: Auf Dosalo, dem Lustschlosse des Prinzen.
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Emilia: Welch ein Zufall! – Und Sie glauben, daß er gleich selbst erscheinen
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könne? – Aber doch in Gesellschaft meiner Mutter?
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Marinelli: Hier ist er schon.