Siebenter Auftritt
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Graf Appiani. Die Vorigen.
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Appiani (tritt tiefsinnig, mit vor sich hin geschlagenen
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Augen herein und kömmt näher, ohne sie zu erblicken; bis Emilia ihm
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entgegenspringt): Ah, meine Teuerste! – Ich war mir
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Sie in dem Vorzimmer nicht vermutend.
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Emilia: Ich wünschte Sie heiter, Herr Graf, auch wo Sie
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mich nicht vermuten. – So feierlich? so ernsthaft? – Ist dieser Tag
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keiner freudigern Aufwallung wert?
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Appiani: Er ist mehr wert als mein ganzes Leben. Aber
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schwanger mit so viel Glückseligkeit für mich – mag es wohl diese
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Glückseligkeit selbst sein, die mich so ernst, die mich, wie Sie es
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nennen, mein Fräulein, so feierlich macht. – (Indem er die Mutter
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erblickt.) Ha! auch Sie hier, meine gnädige Frau! – nun bald mir mit
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einem innigern Namen zu verehrende!
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Claudia: Der mein größter Stolz sein wird! – Wie
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glücklich bist du, meine Emilia! – Warum hat dein Vater unsere
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Entzückung nicht teilen wollen?
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Appiani: Eben habe ich mich aus seinen Armen
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gerissen: – oder vielmehr, er sich aus meinen. – Welch ein Mann,
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meine Emilia, Ihr Vater! Das Muster aller männlichen Tugend! Zu was
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für Gesinnungen erhebt sich meine Seele in seiner Gegenwart! Nie ist
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mein Entschluß, immer gut, immer edel zu sein, lebendiger, als wenn
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ich ihn sehe – wenn ich ihn mir denke. Und womit sonst als mit der
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Erfüllung dieses Entschlusses kann ich mich der Ehre würdig machen,
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sein Sohn zu heißen – der Ihrige zu sein, meine Emilia?
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Emilia: Und er wollte mich nicht erwarten!
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Appiani: Ich urteile, weil ihn seine Emilia, für diesen
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augenblicklichen Besuch, zu sehr erschüttert, zu sehr sich seiner
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ganzen Seele bemächtiget hätte.
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Claudia: Er glaubte dich mit deinem Brautschmucke
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beschäftiget zu finden und hörte –
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Appiani: Was ich mit der zärtlichsten Bewunderung
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wieder von ihm gehört habe. – So recht, meine Emilia! Ich werde eine
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fromme Frau an Ihnen haben, und die nicht stolz auf ihre Frömmigkeit
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ist.
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Claudia: Aber, meine Kinder, eines tun und das andere
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nicht lassen! – Nun ist es hohe Zeit; nun mach, Emilia!
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Appiani: Was? meine gnädige Frau.
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Claudia: Sie wollen sie doch nicht so, Herr Graf – so
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wie sie da ist, zum Altare führen?
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Appiani: Wahrlich, das werd ich nun erst gewahr. – Wer
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kann Sie sehen, Emilia, und auch auf Ihren Putz achten? – Und warum
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nicht so, so wie sie da ist?
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Emilia: Nein, mein lieber Graf, nicht so; nicht ganz so.
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Aber auch nicht viel prächtiger, nicht viel. – Husch, husch, und ich bin
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fertig! – Nichts, gar nichts von dem Geschmeide, dem letzten
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Geschenke Ihrer verschwenderischen Großmut! Nichts, gar nichts, was
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sich nur zu solchem Geschmeide schickte! – Ich könnte ihm gram sein,
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diesem Geschmeide, wenn es nicht von Ihnen wäre. Denn dreimal hat
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mir von ihm geträumt –
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Claudia: Nun! davon weiß ich ja nichts.
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Emilia: Als ob ich es trüge, und als ob plötzlich sich
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jeder Stein desselben in eine Perle verwandele. – Perlen aber, meine
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Mutter, Perlen bedeuten Tränen.
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Claudia: Kind! – Die Bedeutung ist träumerischer als
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der Traum. – Warest du nicht von jeher eine größere Liebhaberin von
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Perlen als von Steinen? –
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Emilia: Freilich, meine Mutter, freilich –
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Appiani (nachdenkend und
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schwermütig): Bedeuten Tränen – bedeuten Tränen!
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Emilia: Wie? Ihnen fällt das auf? Ihnen?
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Appiani: Jawohl, ich sollte mich schämen. – Aber, wenn
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die Einbildungskraft einmal zu traurigen Bildern gestimmt ist –
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Emilia: Warum ist sie das auch? – Und was meinen
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Sie, das ich mir ausgedacht habe? – Was trug ich, wie sah ich, als ich
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Ihnen zuerst gefiel? – Wissen Sie es noch?
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Appiani: Ob ich es noch weiß? Ich sehe Sie in
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Gedanken nie anders als so; und sehe Sie so, auch wenn ich Sie nicht
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so sehe.
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Emilia: Also, ein Kleid von der nämlichen Farbe, von
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dem nämlichen Schnitte; fliegend und frei –
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Appiani: Vortrefflich!
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Emilia: Und das Haar –
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Appiani: In seinem eignen braunen Glanze; in Locken,
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wie sie die Natur schlug –
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Emilia: Die Rose darin nicht zu vergessen! Recht! recht!
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– Eine kleine Geduld, und ich stehe so vor Ihnen da!