Definition
Polysaccharide (Mehrfachzucker) sind die Polymere (vgl. ChemieLV-Themengebiet Makromolekulare Chemie: Makromoleküle-Einführung und Definition) der Monosaccharide (Einfachzucker). Diese speziellen Polymere bestehen aus vielen Monosacchariden eines Typs oder verschiedener Typen - die Monosaccharide stellen hier die kleinsten Bausteine, die Monomere, dar. Das bedeutet, dass Polysaccharide im Bezug auf Moleküle sehr groß sein können, womit sie zu den Makromolekülen zählen.
Polysaccharide spielen eine zentrale Rolle in der Biologie und Biochemie. Wir wollen uns in diesem Skript vor allem auf Polysaccharide konzentrieren, die in der Biologie Energiespeicherfunktionen und Stützfunktionen einnehmen.
Wir sprechen die Stärke und ihren Aufbau an und lernen anschließend das Glycogen als wichtigen Energiespeicher kennen. Den Abschluss bildet die Cellulose, ihr Auftreten in der Natur und ihre Verwendung als Rohstoff für die Papierproduktion.
Stärke
Der Aufbau - Amylose und Amylopektin
Die Stärke ist ein Polysaccharid, welches aus einzelnen -D-Glucose-Molekülen aufgebaut ist. Die -D-Glucose stellt demnach das Monomer der Stärke dar. Wenn der Aufbau der Stärke detaillierter betrachtet wird, dann fällt auf, dass sie aus zwei Hauptbestandteilen aufgebaut ist, die wiederum Makromoleküle sind: Amylose und Amylopektin.
Amylose
Ungefähr der Stärke setzt sich aus Amylose zusammen. Diese ist aus mehreren hundert -D-Glucose-Molekülen aufgebaut, die -glycosidisch miteinander verknüpft sind (vgl. Abb. 2)
Abb. 2: Monomer der Amylose (o) sowie ein Ausschnitt aus der Molekülstruktur der Amylose (u)
Wie du anhand des Ausschnitts der Amylose erkennen kannst, handelt es sich um ein lineares, unverzweigtes Makromolekül, welches sich aus Maltose-Einheiten aufbaut (vgl. ChemieLV-Skript Disaccharide). Die Polymerketten der Stärke liegen spiralförmig vor - sie bilden strukturell gesehen eine Helix aus (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Helixstruktur des Amylosemoleküls
Diese Struktur ist auf die Stellung der OH-Gruppe am anomeren C-Atom der -D-Glucose zurückzuführen.
Amylopektin
Der deutlich größere Anteil der Stärke besteht mit ca. aus Amylopektin. Amylopektin ist ebenfalls aus Glucose-Einheiten aufgebaut, weist im Vergleich zur Amylose jedoch Verzweigungen auf. Diese lassen sich ungefähr alle 25 Monomer-Einheiten am C-6-Atom finden (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Struktur von Amylopektin
Amylopektin besteht folglich aus -D-Glucose, die sowohl -1,4-glycosidisch als auch -1,6-glycosidisch verknüpft ist. Die Folge ist ein Makromolekül, welches mehrfach verzweigt ist.
Die Zusammensetzung von Stärke bzgl. dem Amylose- und dem Amylopektin kann zwischen Pflanzen stark variieren, sodass beispielsweise auch sehr hohe anteilsmäßige Prozentsätze (über ) einer der beiden Verbindungen erreicht werden.
Die Rolle der Stärke in der Biologie
Die Hauptenergiequelle von Pflanzen ist Glucose, welche bei der Photosynthese synthetisiert wird. Überschüssige Glucose kann in Form von Stärke in Pflanzen gelagert werden, womit der Stärke die Rolle eines Energiespeichers zukommt.
Abb. 5: Stärkehaltige Kartoffeln als Energiespeicher
Der Mensch profitiert beispielsweise durch Kartoffeln von dieser Option des Energiespeichers (vgl. Abb. 5).
Nachweis von Stärke
Der Nachweis von Stärke wird mithilfe von Iod durchgeführt. Dabei kommt die Lugol‘sche Lösung zum Einsatz. Sie stellt eine wässrige Kaliumiodid-Lösung dar, der elementares Iod zugesetzt wird. Zwischen elementarem Iod () und Iodid () läuft folgende Reaktion ab:
Normalerweise ist elementares Iod nur sehr schlecht in Wasser löslich. Durch Anwesenheit von Iodid-Anionen kommt es jedoch zur Reaktion unter Bildung sogenannter Polyiodid-Anionen. Diese können wie hier drei Glieder besitzen, fallen jedoch auch länger aus (fünf oder sieben Glieder).
Der Nachweis findet auf Grundlage einer Wechselwirkung dieser Polyiodid-Anionen mit der Helixstruktur der in der Stärke enthaltenen Amylose statt. Die linearen Polyiodid-Anionen lagern sich in die Helix der Amylose ein - sie bilden eine Einschlussverbindung aus. Diese weist eine charakteristische tiefblaue Farbe auf.
Abb. 6:: Bildung der Einschlussverbindung des Iodid-Anions und der Amylose
Wird dieser Nachweis in einer wässrigen Stärkelösung durchgeführt, dann führt die Ausbildung der Einschlussverbindung zu einer tiefblauen Färbung, wie bereits angemerkt. Wird diese wässrige Stärkelösung nun erhitzt, verschwindet die blaue Färbung und die Lösung wird wiederum farblos. Durch das Erhitzen löst sich das Iodid-Anion gleichsam aus der Helixstruktur der Amylose - die Einschlussverbindung wird zerstört und somit auch die blaue Färbung.
Glycogen - Energiespeicher
Glycogen ist ein Polysaccharid, welches wie Stärke aus Glucose-Bausteinen aufgebaut ist. Glucose nimmt als Monosaccharid (Einfachzucker) hier folglich wieder die Rolle des Monomers (kleinster Baustein) ein. Im Gegensatz zu Stärke ist Glycogen ein Polysaccharid, welches in tierischen und dem menschlichen Organismus vorkommt. Dort dient es vergleichbar zur Stärke als Energiespeicher. Strukturell gesehen weist Glycogen Ähnlichkeiten zu Amylopektin auf (vgl. Abb. 4 und Abb. 7).
Abb. 7: Struktur von Glycogen
Glycogen setzt sich aus Monomeren der -D-Glucose zusammen, die linear -1,4-glycosdisch verknüpft sind. Des Weiteren ist Glycogen ähnlich wie Amylopektin -1,6-glycosdisch verzweigt, wobei die Verzweigungen in diesem Fall bereits ungefähr an jeder zehnten Glucose-Einheit in einer Kette vorkommt. Der Verzweigungsgrad ist also sehr viel höher als bei Amylopektin.
Einige biologisch und biochemisch relevante Aspekte des Glycogens:
- Die Speicherung erfolgt vor allem in Muskelzellen und der Leber.
- Durch Hydrolyse wird das Glycogen in die Glucose-Monomere zerlegt und dient so als Energielieferant.
- Der Glycogenvorrat eines Menschen reicht durchschnittlich für einen Tag.
Cellulose
Molekülstruktur und biologische Relevanz
Cellulose zählt zu den Polysacchariden und besteht ungefähr aus 3000 Monomereinheiten. Bei den Monomeren handelt es sich um -D-Glucose Einheiten, die -1,4-glycosidisch verknüpft sind. Die Anordnung der Monomereinheiten ist größtenteils linear (vgl. Abb. 8).
Abb. 8: Struktur von Cellulose
Cellulose zählt zu den Strukturpolysacchariden und ist von der Menge her die häufigste auf der Erde vorkommende organische Verbindung. Durch die Stellung der OH-Gruppe am anomeren C-Atom sind die Glucose-Einheiten -1,4-glycosidisch verknüpft, was dazu führt, dass die einzelnen Monomere in der Kettenstruktur des Moleküls jeweils verdreht aufeinander folgen (vgl. Abb. 8). Im Unterschied zur Stärke haben wir hier deshalb eine lineare Struktur des Makromoleküls Cellulose. Liegen nun mehrere Cellulosemoleküle nebeneinander, so können sich zwischen den Hydroxgruppen Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden, was zu einer stabilen Einheit führt (vgl. Abb. 9).
Abb. 9: Cellulosefasern bilden im Verbund Mikrofibrillen aus
In der Biologie bilden mehrere Cellulose-Moleküle zusammen sogenannte Mikrofibrillen aus. In diesem Fall liegen die Cellulose-Moleküle parallel, was zur Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen führt und somit einer erhöhten Stabilität dieser Einheiten. Mikrofibrillen stellen das Hauptstrukturelement der pflanzlichen Zellwand dar und sind somit entscheidend für die Stabilität von Pflanzen verantwortlich.
Cellulose in der Papierherstellung
Aufgrund ihrer linearen Molekülstruktur ist die Cellulose insbesondere auch für die Papierherstellung geeignet. Bei der Papierproduktion werden folgende Arbeitsschritte durchgeführt:
- Cellulose wird in Form von Zellstoff durch Kochen aus Holz gewonnen. Andere, unerwünschte Makromoleküle wie Lignin werden hierbei entfernt.
- Der Zellstoff wird mit Füll- und Hilfsstoffen versetzt und als stark wässrige Mischung in die Papierproduktion gegeben.
- Durch gleichmäßiges Verteilen dieser Mischung auf einer breiten Bahn können sich die Cellulosefasern ablager. Hierbei verfilzen sie und liefern die Grundlage für ein einheitliche Papier.
An diesem Beispiel kannst du sehen, dass der Mensch die molekulare Struktur des Cellulosemoleküls gezielt ausnutzen, um ein alltägliches Produkt zu produzieren.
Zusammenfassung
- Polysaccharide sind Mehrfachzucker und somit natürliche Polymere.
- Die Monomere (Bausteine) der Polysaccharide sind Monosaccharide (Einfachzucker) wie bspw. Glucose.
- Stärke setzt sich aus den beiden Polysacchariden Amylose (ca. ) und Amylopektin (ca. ) zusammen. Das Monomer ist die -D-Glucose, die -1,4-glycosidisch verknüpft ist.
- Amylose hat eine lineare Struktur und ist zu einer Helix verdreht, wohingegen Amylopektin über 1,6-glycosidische Bindungen verzweigte Moleküle ausbildet.
- Stärke nimmt in Pflanzen eine Energie-Speicherfunktion ein: Glucose stellt hierbei die wichtige energiereiche Verbindung dar. Bei Bedarf kann die Glucose durch Hydrolyse der Stärke gewonnen und energetisch genutzt werden.
- Stärke kann mittels Iod und Iodid nachgewiesen werden und weist bei diesem Test eine tiefblaue Farbe auf.
- Das menschliche und tierische Analogon zur Stärke ist Glycogen. Glycogen besteht ebenfalls aus -D-Glucose ist jedoch sehr viel stärker verzweigt als bspw. Amylopektin.
- Glycogen nimmt die zentrale Rolle eines Energiespeichers im menschlichen Organismus ein.
- Cellulose ist ein Strukturpolysaccharid und ist aus Molekülen der -D-Glucose aufgebaut.
- Mehrere lineare Cellulosemoleküle nebeneinander bilden sogeannte Mikrofibrillen, das Hauptstrukturelement der pflanzlichen Zellwand.
- Der Mensch nutzt die lineare Struktur des Cellulose-Moleküls bei der Papierherstellung. Hier verfilzen die einzelnen Makromoleküle und bilden die einheitliche Papierbahn.