Aufgabe 2
Textbeschreibung Lyrik
Thema: Lothar Zenetti (* 1926 - † 2019): Zu sagen, man müßte was sagen Aufgabenstellung:- Untersuche das Gedicht auf äußere Form und Titel.
- Beschreibe den Inhalt der einzelnen Strophen.
- Gehe auf die sprachlichen Mittel und deren Wirkung ein.
- Formuliere einen zusammenhängenden, gegliederten Text. Achte auf korrekte Sprache und Rechtschreibung. Beides wird bewertet.
1
Zu sagen, man müßte was sagen, ist gut,
2
man müßte
3
man müßte was sagen.
4
Abwägen ist gut, es wagen ist besser,
5
Doch wer macht den Mund denn schon auf?
6
Zu sagen, man müßte was machen, ist gut,
7
man müßte
8
man müßte was machen.
9
Gerührtsein ist gut, sich rühren ist besser,
10
doch wo ist die Hand, die was tut?
11
Zu sagen, man müßte was geben, ist gut,
12
man müßte
13
man müßte was geben.
14
Begabtsein ist gut, doch geben ist besser,
15
doch wo gibt es den, der was gibt?
16
Zu sagen, man müßte was ändern, ist gut,
17
man müßte
18
man müßte was ändern.
19
Sich ärgern ist gut, verändern ist besser,
20
doch wer fängt damit bei sich selbst an?
Aus:
Aus: Zenetti, Lothar: Auf seiner Spur, Grünewald Verlag 2012, Ostfildern.
(50 P)
Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!
monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?Einleitung
- Autor: Lothar Zenetti (* 1926 - † 2019)
- Titel: Zu sagen, man müßte was sagen
- Erscheinungsjahr: 1982
- Textsorte: Gedicht, politische Erlebnislyrik
- Epoche: Neuzeit
- Quelle: Zenetti, Lothar: Auf seiner Spur, Grünewald Verlag 2012, Ostfildern.
- Thema: Widerspruch menschlicher Worte und menschlichen Handelns
- Inhalt: Auf insgesamt vier Strophen erstreckt sich Zenettis Abhandlung über die menschliche Unfähigkeit, Unzufriedenheit in Taten umzuwandeln. Es geht um das Verbalisieren und Kommunizieren von Problemen und das Nicht-Angehen letzterer sowie das Engagement & die Unterstützung von Minderheiten als auch Bedürftiger.
Hauptteil
1. Formale Analyse- Verse: 20 Verse aufgeteilt in 4 Strophen á 5 Verse
- Es liegt kein Reimschema vor.
- Aufbau: Die Struktur der einzelnen Strophen bleibt immer gleich.
- Der Titel Zu sagen, man müßte was sagen wiederholt sich am Anfang jeder Strophe als Anapher. Die Wiederholung, die mit diesem Stilmittel einhergeht, führt dazu, dass das Gesagte mehr Nachdruck erhält.
- Rhetorische Frage: Alle vier Strophen schließen mit einer rhetorischen Frage, die gleichzeitig als Appell an die Leserschaft zu verstehen ist (bspw. „doch wer macht den Mund denn schon auf?“ V. 5, „doch wo ist die Hand, die was tut?“ V. 10, etc.). Ziel des Autors ist es, dass sich Leser*innen durch die appellative und rhetorische Frage selbstkritisch gegenübertreten.
- Parallelismus: Mit dem im ersten Vers jeder Strophe vorkommenden Parallelismus „man müßte“ (V. 1, 6, 11, 16) verdeutlicht der Autor die Passivität, welche Menschen an den Tag legen, wenn es darum geht, Worte & Sorgen in die Tat umzusetzen.
- Anapher: Gleichzeitig handelt es sich bei den ersten drei Versen („Zu sagen, man müßte was [...], ist gut, man müßte, man müßte was [...].“) jedes Strophenbeginns um eine Anapher, was bedeutet, dass sich die Wörter am Satzanfang wiederholen. Dieses Stilmittel verfügt über die Funktion, einen Text rhythmisch zu strukturieren und außerdem durch die Wiederholung den Inhalt zu betonen. Im vorliegenden Fall wird durch die Wiederholung verdeutlicht, dass sich zwar etwas ändern müsste, dies jedoch nicht passiert und die Aussage „man müßte“ steht sich somit selbst im Weg.
- Konjunktiv II: Auch die Verwendung des Konjunktiv II spiegelt die passive Haltung von Menschen im Falle von Handlungsbedarf wider. Deshalb verwendet Zenetti das Verb müssen auch nicht im Präsens, sondern den Konjunktiv II und schreibt nicht „man muss was sagen“, sondern „man müßte was sagen“ (V. 3).
- Indefinitpronomen: Der unpersönliche Charakter des Indefinitpronomens „man“ (V. 1) führt dazu, dass Zenettis Appell zwar an jede*n Leser*in geht. Jedoch spricht er auch niemanden direkt an, weswegen sich potenziell auch niemand angesprochen fühlen könnte.
- Steigerungen: Im jeweils vierten Vers jeder Strophe zeigt der Autor Wortwitz, indem er Formulierungen wie „Abwägen ist gut, es wagen ist besser“ (V. 4) oder „Gerührtsein ist gut, sich rühren ist besser“ (V. 9) ins Gedicht einbaut. Das erste Wort in einem Wortspiel beschreibt immer etwas passives und das zweite immer etwas aktives. Es handelt sich hierbei sich um das rhetorische Mittel der Steigerung, mit der Zenetti abermals dem Geschriebenen mehr Nachdruck verleiht.
- Zeitlich lässt sich das Werk in die Zeit des geteilten Deutschlands einordnen. Der Mauerbau war bereits 1961 erfolgt und der Mauerfall 1989 steht noch bevor.
- Der Spaltung Deutschlands in Ost- und West war die Nachkriegszeit vorangegangen. Da Deutschland den 2. Weltkrieg verloren hatte, musste es sich den Regierungsformen der amerikanischen und sowjetischen Besatzungstruppen unterordnen. Da sich diese nicht miteinander vereinbaren ließen, wurde Deutschland in die BRD (unter amerikanischer Besatzung) und die DDR (unter sowjetischer Besatzung) unterteilt.
- Lothar Zenetti, der selbst aus Frankfurt in der ehemaligen BRD stammt, äußert seine Kritik über den Mangel an Opportunismus und Aktivismus deutscher Staatsbürger. Er wünscht sich von seinen Mitmenschen, dass sie sich der Verantwortung und dem Handlungsbedarf, die mit ihrer Rolle als Bürger*innen einhergehen, bewusst werden und Veränderung bewirken.
- Die Formulierung „was“ (V. 1, 6, 11, 16) im ersten Vers jeder Strophe klingt sehr vage und unspezifisch, was dazu führt, dass nicht eindeutig ist, „was“ eigentlich gesagt, gemacht, gegeben, geändert werden muss.
- Erste Strophe: Die Menschen stehen zu wenig für ihre Meinung ein, wenn es darauf ankommt. Es wird vor lauter Zaudern öffentlich nie etwas gesagt, geschweige denn etwas getan.
- Zweite Strophe: Zwar wird das Mitleid der Menschen bei tragischen Nachrichten entfacht, jedoch kommt es dann nicht dazu, dass als Reaktion auf dieses Mitgefühl eine Aktion erfolgt.
- Dritte Strophe: Obwohl zahlreiche Menschen die Möglichkeit dazu hätten, Gutes zu bewirken, nutzen sie nur wenige.
- Vierte Strophe: Wenn man sich nur über ein Problem ärgert, wird sich alleine davon nichts verändern. Deshalb der Appell, anstatt sich über Dinge aufzuregen, letztere lieber anzugehen und sich selbst und sein Handeln zu hinterfragen.
Schluss
- Thema: In seinem Gedicht spricht Lothar Zenetti über das menschliche Unvermögen, auf Unzufriedenheit Taten folgen zu lassen. Er beleuchtet kritisch, dass wir sehr gut darin sind, Missstände beim Namen zu nennen, doch Hemmungen besitzen, Gesagtes in die Tat umzusetzen.
- Interpretation: Die Stimmung im Gedicht lässt sich als melancholisch, trübsinnig beschreiben und regt zum Nachdenken an. Lothar Zenettis Gedicht ist als Aufruf an die Menschen zu verstehen, ins Handeln zu kommen, wenn es um Ungerechtigkeit jeglicher Art geht.
- Fazit: Aus Zenettis Werk lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass jede*r Einzelne von uns eine Mitverantwortung trägt, wenn es darum geht, sich für (schwächere) Menschen, gegen Ungerechtigkeit & andere Nöte einzusetzen. Hierbei ist es zweitrangig, ob der Aktivismus sich gegen soziale Ungerechtigkeit, Sexismus und Rassismus richtet oder Umweltschutz unterstützt – Fakt ist, dass es hierfür Individuen benötigt, die den Mut besitzen, vorauszugehen.