Aufgabe 1
Erörterung
Thema: Ursula Katthöfer: Auslandsaufenthalt für Jugendliche Aufgabenstellung:- Erörtere, welche Argumente für und gegen einen längeren Auslandsaufenthalt für Jugendliche sprechen (jeweils mindestens drei Argumente).
- Verwende das beiliegende Material für deine Erörterung und ergänze eigene Argumente.
- Begründe deine Meinung.
- Formuliere einen zusammenhängenden, gegliederten Text. Achte auf korrekte Sprache und Rechtschreibung. Beides wird bewertet.
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Summercamp oder Work and Travel, Freiwilligendienst oder Au-pair, Sprachreise oder
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Auslandspraktikum: Als Teenager allein in ein fremdes Land zu reisen, erfordert Mut,
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Neugier und Kraft. Viele kehren nach der Reise gereift zurück. Sie zehren noch Jahre
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später von ihren positiven Erfahrungen.
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In einem Schutzhaus für schwangere Teenager in Ecuador kümmerte Sophie Jenter
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sich unter anderem um einen zweijährigen Jungen. Oft wirkte der Kleine unruhig und
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wütend. Sophie nahm sich Zeit für ihn. Ihre Zuwendung wirkte, der Kleine entspannte
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in ihrer Gegenwart. „Ich habe gemerkt, dass ich gerne mit Kindern arbeite“, sagt die
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21-Jährige heute, drei Jahre später. „Kinder bauen schnell ein gutes Verhältnis zu mir
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auf.“
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Eine Erfahrung, die für ihren nächsten Lebensschritt entscheidend war: „Direkt nach
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dem Abi hätte ich nicht gewusst, was ich machen sollte. Durch die Auslandserfahrung
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habe ich einen anderen Weg gesucht, ich habe an mich geglaubt.“ Nach ihrer
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Rückkehr schrieb Sophie sich im niederländischen Maastricht als Psychologiestudentin
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ein. Ein Semester studierte sie in der spanischen Stadt Salamanca.
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„Wenn Jugendliche ins Ausland gehen, können sie im Alltag nicht mehr die Mama
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bitten, ihnen zu helfen. Sie sind gezwungen, selbst zu entscheiden und selbst zu
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bestimmen. Das fördert die Reifung der Persönlichkeit“, sagt Diplompsychologe Ralph
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Schliewenz. Er empfiehlt den Auslandsaufenthalt schon wegen des kulturellen
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Austauschs: „Sich auf eine andere Kultur und Sprache einzulassen, heißt, Verständnis
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zu entwickeln. Im Ausland sind Jugendliche erst einmal selbst die Außerirdischen.
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Zurück in Deutschland sind sie eher bereit, Fremde willkommen zu heißen.“
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Persönlichkeitsreifung hin, Selbstständigkeit her – ein Aufenthalt in Kanada oder den
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USA, Australien oder Neuseeland eignet sich nicht für jeden Teenager. Es müssen
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schon einige positive Faktoren zusammenkommen, damit die Reise gelingt.
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Wichtigster Faktor: Der Teenager muss dafür „brennen“. Wenn Eltern die Idee
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unterstützen, eine professionelle Auslandsorganisation beauftragt und eine
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fürsorgliche Gastfamilie gefunden wurde, stehen die Zeichen gut. Allerdings empfiehlt
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Schliewenz, ein Kind nur reisen zu lassen, wenn die Eltern dabei ein gutes
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Bauchgefühl haben: „Wenn das Kind gegen das eigene Gefühl fährt, sitzt man
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zuhause ständig auf heißen Kohlen. Damit tut man sich keinen Gefallen.“
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Kann ein längerer Auslandsaufenthalt auch schaden? Immerhin wird die Bindung
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zwischen Eltern und Kind lockerer. Den eigenen Sohn oder die eigene Tochter über
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mehrere tausend Kilometer hinweg zu erziehen, ist unmöglich. Ein Satz wie „Um zehn
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bist du zuhause“ – geschenkt.
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Schliewenz hält es für unwahrscheinlich, dass eine gute Eltern-Kind-Beziehung unter
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einem längeren Auslandsaufenthalt leidet. „Wenn es nach der Rückkehr zu Problemen
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kommt, dann muss vorher schon etwas im Argen gewesen sein. Dann verdeutlicht die
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Auslandsreise nur, was bereits da war.“ Er rät davon ab, Jugendliche, die zuhause
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nicht gut in der Spur sind, ins Ausland zu schicken: „Der Versuch, dass sich jemand
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im Ausland die Hörner abstößt, kann eher schiefgehen. Das Kind könnte sich
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abgeschoben fühlen.“
Aus: Katthöfer, Ursula: „Auslandsaufenthalt für Jugendliche“, letzter Zugriff am 5. Juni 2023; (zu Prüfungszwecken bearbeitet).
(50 P)
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Einleitung
- Beim Artikel von Ursula Katthöter Auslandsaufenthalt für Jugendliche handelt es sich um einen pragmatischen Text.
- Katthöters Artikel erscheint am 2. April 2019 im Känguru Familienmagazin in Köln-Bonn in der Rubrik Teenager.
- Thematisch geht es um die Auswirkungen von Aufenthalten im Ausland, sowohl negativer als auch positiver Art, auf Heranwachsende. Katthöter spricht im Zuge dieser Differenzierung mit dem Diplompsychologen Ralph Schliewenz.
- Im Folgenden wird nun in Form einer Gegenüberstellung vom Pro- und Kontra-Argumenten die Auswirkung von Auslandsaufenthalten auf Jugendliche erörtert.
Hauptteil
Pro
- Positive Auswirkung auf den Reife- und Abnabelungsprozess von Jugendlichen (Vgl. Z. 1-4)
- in „Findungsphase“ hilft ein Auslandsaufenthalt dabei zu lernen, was man im Leben will und umgekehrt auch ablehnt
- Herausfinden eigener Stärken und Schwächen (Vgl. Z. 5-10)
- Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten aufbauen (Vgl. Z. 11-15)
- laut Diplompsychologe Ralph Schliewenz „fördert [ein Auslandsaufenthalt bei Jugendlichen die] Reifung der Persönlichkeit“ (Z. 18)
- auf sich allein gestellt sein führt zur Unabhängigkeit & Selbstständigkeit junger Menschen
- Toleranz & Akzeptanz gegenüber anderen Kulturen, Menschen und Gepflogenheiten (Vgl. 19-22)
- Empathievermögen wird gestärkt durch die Erfahrung, selbst in einer vulnerablen Lage zu sein
- das Erlernen einer neuen Sprache öffnet auch neue Türen im Hinblick auf die spätere berufliche Laufbahn
- der Umstand, im Ausland gelebt und gelernt zu haben, zeugt von Lebenserfahrung und sorgt demzufolge für eine Aufwertung des Lebenslaufs
Contra
- Nicht zu empfehlen als Heilmittel für bereits problematische Eltern-Kind-Beziehungen: verstärkte Entfremdung durch eine Auslandsreise möglich
- mögliche Förderung oder Verstärkung von Entwicklungstraumata wie dem Gefühl, nicht gewollt zu sein (Vgl. 40-42)
- Forcierung von außen: Wenn bspw. die Eltern den Auslandsaufenthalt gegen den Wunsch der heranwachsenden Person vorantreiben, kann sich dies negativ auf das Kind auswirken.
- Gefahr, dass die Umstände vor Ort im Ausland außer Kontrolle geraten und Eltern nicht helfen können aufgrund der Entfernung und daraus resultierende Überforderung des Kindes
- Sprachbarrieren können möglichen Anlass für Ausgrenzung und Mobbing liefern
- Heimweh: (soziales) Umfeld wie eigene Freunde und Familie für einen bestimmten Zeitraum nicht wie gewohnt in der Nähe zu wissen
- Doppelbelastung durch schulischen Anspruch & Fremdsprache, unter welcher die akademische Leistung leiden könnte
- Kostenfaktor: nicht jede Familie kann sich eine solche Investition in die Bildung ihres Kindes leisten
- Ein Aufenthalt im Ausland kostet neben Geld auch Zeit: So verlieren Schüler*innen, die ins Ausland gehen Zeit im Bezug auf ihren Studien- oder Ausbildungsbeginn.
- Hoher Aufwand: ein Auslandsaufenthalt erfordert eine intensive Planung
- Enttäuschte Erwartungen: Wenn die Vorstellungen vom perfekten Auslandsaufenthalt desillusioniert werden
Fazit
- Bei aller positiven Resonanz, die Auslandsaufenthalten Jugendlicher als Ruf vorauseilt, sind auch die möglichen Risiken einer solchen Reise nicht zu vergessen.
- Eine Berücksichtigung der oben genannten möglichen Pro- und Kontrapunkte ist notwendig, um gesunde Voraussetzungen für einen erfolgreichen Auslandsaufenthalt zu gewährleisten.
- Meiner persönlichen Meinung nach überwiegen die Argumente, die für einen Auslandsaufenthalt sprechen, da ein solcher Exkurs aus dem Alltag in meinen Augen eine einmalige und wertvolle Chance zur persönlichen Selbstverwirklichung sowie Weiterentwicklung bietet.
- Allerdings (abhängig von der individuellen Situation der heranwachsenden Person) kann es mitunter im Schüler*innenalter noch zu früh sein, die Reise ins Ausland anzutreten. Deshalb: Auslandsaufenthalt generell gesprochen, ja, über den Zeitpunkt lässt sich meiner Meinung nach diskutieren.
- Pauschal lässt sich nicht beantworten, ob ein Auslandsaufenthalt in jedem Fall empfohlen werden kann oder ob eher davon abgeraten wird. Dafür sind die einzelnen situativen Kontexte zu unterschiedlich.