Aufgabe 3
Textbeschreibung Prosa
Thema: Lars Krüsand: Der Held Aufgabenstellung: Untersuche diese Kurzgeschichte und beschreibe dabei folgende Punkte:- Merkmale der Kurzgeschichte anhand von Textbeispielen
- äußere und innere Handlung
- Titel in Bezug auf den Inhalt
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Irgendwie war sie ausgerutscht, jedenfalls lag Lara in einem Eisloch und schrie wie am
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Spieß. In ihrem Anorak war wohl noch genug Luft, so ging sie nicht gleich unter. Jan
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überlegte, ob er sie nicht rausziehen sollte, aber sie war über einen Meter entfernt und er
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hätte sich noch weiter von der sicheren Böschung des Sees entfernen müssen. Er
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beschloss Hilfe zu holen. Während er sich umdrehte, rutschte auch er aus, weil noch mehr
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Eisflächen abbrachen. Glücklicherweise bekam er einen Ast zu packen, aber der brach
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und so lagen sie beide im Wasser, das erbärmliche Stückchen Holz war nicht mehr als
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eine Brücke über den Abgrund, der ihnen aber nicht viel half. Jan strampelte nach dem
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ersten Schrecken noch wie wild, als er sich am Arm gepackt fühlte, es war einer der beiden
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Angler, die an diesem See häufig ihr Glück versuchten. Er lag bäuchlings auf dem noch
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einigermaßen sicheren Eis, während der andere ihn an den Beinen festhielt. Inzwischen
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war auch Herr Konjak, ihr Klassenlehrer, herangekommen, der mit den anderen aus der
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Klasse sich an einem kleinen Lagerfeuer aufwärmte. Warum hatten sie sich auch von der
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Gruppe entfernt? Er hätte Lara doch auch später sagen können, dass er gerne mit ihr am
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nächsten Wochenende ins Kino gehen würde. Während Jan schon das Schlimmste
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befürchtete, als sie endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen hatten und
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einigermaßen durch herbeigeholte Jacken gewärmt wurden, spürte Jan plötzlich ein
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anerkennendes Klopfen auf der Schulter: „Mann, Junge, wenn du die Idee mit dem Ast
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nicht gehabt hättest, Lara läge jetzt vielleicht schon unter dem Eis – aus und vorbei –
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schrecklich – nicht auszudenken – wie hätte ich das ihrer Mutter erklären sollen?!“
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Inzwischen waren auch die anderen Mitschüler herangekommen und staunten. Jan
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galt allgemein als Feigling, eher in Bücher verliebt als in große Taten. Aber jetzt – ein
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Lebensretter – unglaublich. Kurze Zeit später lagen die beiden im Krankenwagen – noch
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ein bisschen später in warmen Betten, leider getrennt. Lara hatte die ganze Zeit nur
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geweint und lange noch gezittert. Umso mehr hatte er jetzt Zeit zum Nachdenken. Sollte
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er die Wahrheit sagen, dass es eigentlich nur Zufall war, dass er mit ins Wasser gestürzt
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war und dabei diesen verdammten Ast mitgerissen hatte? Er beschloss erst mal
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abzuwarten. Am Tag drauf waren sie wieder in der Schule – und es gab nur ein Thema:
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Jans Heldentat. Der fühlte sich wie auf einer schiefen Ebene. Einmal falsch abgebogen –
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nein, noch schlimmer, gar nichts getan. Schon ist man auf einem Weg, der einen immer
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mehr vom sicheren Hafen der Wahrheit wegführt, immer weiter auf ein Meer voller
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Ungewissheiten hinaus. Schwierig wurde es dann für Jan in der Schwimmstunde am
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selben Tag. Bisher hatte er sich immer stark zurückgehalten, war allenfalls mai vorsichtig
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vom Einer-Brett gesprungen. Heute aber wurde sogar der Fünfer-Turm aufgemacht – und
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schon richteten sich alle Augen auf ihn: ,Na, Jan, jetzt, wo wir deine wahren Fähigkeiten
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kennen ..." meinte Tim, der eindeutige Meinungsführer in der Klasse. Etwas Unsicherheit
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war in seiner Stimme. Einerseits konnte er nicht glauben, dass jemand sein Heldentum
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bisher so erfolgreich im Verborgenen gehalten hatte, andererseits wusste er, dass es
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solche Menschen gab, die erst in besonderen Situationen zeigen, was sie draufhaben. Mit
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dem Sprung wurde es dann nichts, Jan war rechtzeitig ausgerutscht und hielt sich tapfer
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lächelnd den Knöchel. Den Rest der Stunde verbrachte er auf der Bank. Am nächsten Tag
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blieb er zu Hause, das notwendige Humpeln hatte er schnell gelernt – nur die Schwellung
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war schwer herzustellen, aber zumindest eine ausreichende Rötung hielt er gut am Leben.–
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So hatte er immer was zum Vorzeigen. Am dritten Tag danach ging er wieder zur Schule.
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Die Stimmung war inzwischen etwas gekippt. Hatte Lara geredet? Sie hatte sicher-
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gemerkt, dass er nur hilflos hinter ihr im Wasser herumgezappelt war, statt sich um sie zu
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kümmern. Richtig festgekrallt hatte er sich mit der einen Hand in ihrem Haar – er konnte
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sich noch an den zusätzlichen Schmerzensschrei erinnern. Jedenfalls guckten alle etwas
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seltsam – aber vielleicht kam ihm das auch nur so vor. Dann aber kam seine Chance: Die
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Jungs machten hinter dem Rücken von Dr. Koch mal wieder Unsinn, Tim, der vor ihm saß,
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schmiss dabei sogar ein wertvolles Glas mit einer Messapparatur vom Tisch. Kaum hatte
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der Lehrer sich umgedreht und gesehen, dass Tim versuchte, die Scherben aufzulesen,
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als er völlig außer sich schrie: „Jetzt reicht es, jetzt ist Schluss, gleich gehe ich mit dir zum
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...“ Es war ein spontaner Entschluss gewesen. Jan meldete sich: „Tut mir leid, Herr
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Dr. Koch, aber ich war es. Mein Etui wäre fast heruntergefallen – und da habe ich zu schnell
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zugegriffen und dann ist das Glas gefallen." In der Pause kam Tim zu ihm, klopfte ihm auch
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auf die Schulter und sagte nur leise: „Danke, du bist wirklich ein Held.“
Aus: Krüsand, Lars: Der Held. Erscheinungsdatum: unbekannt; letzter Zugriff am 15.10.2023.
(50 P)
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- Autor: Lars Krüsand
- Titel: Der Held
- Erscheinungsjahr: 2001
- Textsorte: Fließtext, Kurzgeschichte
- Thema: In der Kurzgeschichte mit dem Titel Der Held geht es darum, wie man mit seinen eigenen Fehlern umgeht und wie die Erwartungen anderer an einen selbst damit zusammenhängen.
- Quelle: Krüsand, Lars: Der Held. Erscheinungsdatum: unbekannt; letzter Zugriff am 15.10.2023.
- Inhalt: Jan und Lara geraten in eine gefährliche Situation, als sie auf dem Eis einbrechen, aber glücklicherweise werden sie von Anglern gerettet. Obwohl Jans Klassenlehrer ihn für seine vermeintliche Heldentat lobt, fühlt sich Jan unwohl in dieser Rolle und entscheidet sich, die Wahrheit zu verschweigen. Dadurch entsteht eine Erwartungshaltung an Jan, weiterhin heldenhaftes Verhalten zu zeigen, was er jedoch durch vorgetäuschte Verletzungen zu umgehen versucht. Schließlich wird Jan von Tim, dem Anführer der Klasse, zum Helden ernannt, nachdem Jan ihm aus einer schwierigen Situation geholfen hat.
Hauptteil
1. Formale Analyse- Kürzerer Fließtext: 57 Zeilen
- Klassische Gliederung in Einleitung, Haupt- sowie Schlussteil
- Abrupter Anfang: Letzterer ist signifikant für eine Kurzgeschichte. Die Leser*innen tauchen am Anfang der Geschichte direkt ins Geschehen ein, ohne dass sie in Kontext gesetzt werden über die Hintergründe des Geschehens. So beginnt die Kurzgeschichte unvermittelt mit „Irgendwie war sie ausgerutscht, jedenfalls lag Lara in einem Eisloch [...]“ (Z. 1).
- Wenige Austragungsorte und Kürze: Die knappe Länge der Geschichte, die sich gerade einmal über 57 Zeilen erstreckt, bildet ein weiteres Merkmal der Textsorte Kurzgeschichte. Das Lesen von Der Held nimmt nicht länger als ein paar Minuten in Anspruch.
- Überschaubarkeit der Beschreibungen: Ein kurzer Ausschnitt aus dem Leben weniger Figuren, in dem Lara in eine bedrohliche Situation gerät und vermeintlich von Jan gerettet wird.
- Kurze Darstellung der Charaktere: Die Charaktere werden nur knapp skizziert, wobei Lara zu Beginn nur als „sie“ (Z. 2) bezeichnet wird und Jan als „Feigling“ (Z. 22) gilt.
- Schlüsselmoment/Wendepunkt: Der Wendepunkt tritt ein, als Jan Tim aus einer schwierigen Situation hilft und damit Mut zeigt.
- Offenes und plötzliches Ende: Das Ende bleibt ansatzweise offen, da unklar ist, ob Jan oder Lara die Wahrheit über die Rettungstat richtigstellen werden.
- Wenig Ortswechsel: Dass sich die Erzählung auf drei Schauplätzen (See, Schwimmbad & Klassenzimmer) beschränkt, ist ebenso als Merkmal einer Kurzgeschichte zu verstehen.
- Innere Handlung: Innerlich erlebt Jan Panik, als er im Eis einbricht, und fürchtet die Konsequenzen nach seiner Rettung. Er steht vor dem Konflikt, ob er die Wahrheit sagen soll oder nicht, traut sich nicht vom Fünfer-Turm zu springen und täuscht eine Verletzung vor. Am nächsten Tag entscheidet er spontan, die Schuld auf sich zu nehmen, um Tim zu entlasten.
- Äußere Handlung: In den wenigen Tagen im Leben von Jan erlebt er einen Unfall auf dem See, der dazu führt, dass ein Krankenwagen gerufen wird und er einige Zeit im Krankenhaus verbringt. Während einer Schwimmstunde mit einem Sprungturm in der Schule entscheidet sich Jan, zu Hause zu bleiben, übernimmt jedoch später die Verantwortung für eine Tat, die er nicht begangen hat. Tim klopft ihm auf die Schulter als Anerkennung.
- Zu Beginn wird Jan von allen als Held angesehen, obwohl er selbst weiß, dass er keine heldenhaften Taten vollbracht hat.
- Aufgrund seiner eher schüchternen Natur gefällt ihm zunächst diese Rolle, jedoch erkennt er bald, dass er den damit verbundenen Erwartungen nicht gerecht werden kann und distanziert sich davon.
- Schließlich wird Jan von seinem Klassenkameraden Tim zum Helden ernannt, nachdem Jan ihm aus einer schwierigen Situation geholfen hat.
Fazit
- In der Kurzgeschichte zwischen Jan und Lara wird deutlich, wie die Wahrnehmung von Heldentum und Mut von verschiedenen Perspektiven beeinflusst wird.
- Jan wird zunächst als Held angesehen, obwohl er selbst weiß, dass er keine heldenhaften Taten vollbracht hat. Die Erwartungen, die mit dieser Rolle einhergehen, überfordern ihn jedoch, da er eigentlich eher schüchtern ist.
- Auf der anderen Seite steht Lara, die in einer bedrohlichen Situation gerät und vermeintlich von Jan gerettet wird.
- Die Geschichte zeigt, wie sich die Charaktere mit ihren eigenen Ängsten und Konflikten auseinandersetzen müssen und verdeutlicht, dass wahre Stärke oft darin liegt, Verantwortung zu übernehmen und für andere einzustehen.