Aufgabe 1
Gedichtinterpretation
Thema:- Interpretiere das Gedicht.
1
Passt mein Essen noch zu mir - und wie
2
verhält sich das junge
3
Gemüse zu meinen Sneakers?
4
Beißt sich nicht all das
5
Panierte mit meinem T-Shirt - und wie
6
beeinflusst eigentlich der Dampf der Fritteuse mein
7
Aftershave an den Wangen?
8
Ich glaube ich esse / heute einen Apfelbrei
9
zu meiner Frisur / mit einer Lebensmittelfarbe
10
bläue ich das Fleisch selten
11
gekreuzter schwedischer Hochleistungsschafe / und kombiniere
12
dies alles sanft mit meinen Sommerkontakt-
13
linsen / mein Kühlschrank ist jetzt innen / immer so lind-
14
grün / ich garniere ihn für eine Viertelwoche lang
15
mit Lollo-Rosso-Salaten / schenke sie später einigen
16
Cheerleadergirls zum Wedeln her / bin ich doch scharf
17
auf ein neues / weißes Gerät / ich suche da noch
18
nach einem spannenden Käse / einem stylischen
19
der meinem Kind Spaß machen könnte
Anmerkung zum Autor:
Dominik Dombrowski (* 1964): deutsch-amerikanischer Autor und Übersetzer Aus: Dombrowski, Dominik: Fooddesign. In: Buchwald, Christoph; Gomringer, Nora (Hrsg.): Jahrbuch der Lyrik 2015.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2015, S. 42.
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- Im Gedicht philosophiert das lyrische Ich darüber, ob die Wahl seiner Mahlzeiten mit seinem Kleidungsstil korreliert oder stimmig zueinander ist.
- Dominik Dombrowskis Gedicht Fooddesign erscheint im Jahr 2015 in Christoph Buchwalds & Nora Gomringers Jahrbuch der Lyrik.
- Thematik des Gedichts: Die Wahl des Essens als neue Ausdrucksform des eigenen Stils, interpretiert in satirischer Lifestyle-Manier.
Hauptteil
Formale Analyse
- 3-strophiges Gedicht, in welchem die erste Strophe 8 Verse besitzt, während die zweite Strophe 5 Verse und die dritte Strophe 6 Verse aufweist.
- Kein Reimschema und freier Rhythmus
- Das Werk lässt sich der Gattung der Gedankenlyrik zuordnen.
- Satzzeichen: hohe Verwendung an Gedanken- und Schrägstrichen
- Keine Interpunktionszeichen ab Vers 8
- Lyrisches Ich: Unstete, wankelmütige Züge sind im Charakter des Sprechers im Gedicht zu erkennen. Außerdem lässt sich das lyrische Ich stark von der Außenwirkung leiten und demnach wirkt die Auswahl der Lebensmittel, die vermeintlich auf die äußerlichen Merkmale abgestimmt sind, gekünstelt und wenig authentisch.
1. Strophe
Inhalt- Das lyrische Ich steigt in den Text ein, indem es die Frage aufwirft, ob „[sein] Essen noch zu“ (V. 1) ihm passe (Vgl. V1)?
- Anschließend philosophiert es darüber, ob „das junge Gemüse“ (V. 2 f.) noch mit „[s]einen Sneakers“ (V. 3) stimmig sei und „das Panierte“ (V. 4 f.) nicht mit „[s]einem T-Shirt“ (V. 5) korrelieren würde.
- Zum Ende der ersten Strophe hin entscheidet sich die erzählende Instanz dazu, „einen Apfelbrei“ (V. 8) zu sich zu nehmen.
- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das lyrische Ich den Kopf darüber zerbricht, ob sein Äußeres mit seiner Auswahl der Nahrungsmittel zusammen passt.
- Gedankenstriche: In der ersten Strophe werden vermehrt Gedankenstriche als Satzzeichen verwendet. Als Stilmittel wird dieses Interpunktionszeichen benutzt, wenn man als Sprecher eine gedankliche und somit gesprochene Pause machen würde.
- Der inflationäre Gebrauch des Interpunktionszeichens Gedankenstrich deutet auf die Verschachtelung der verschiedenen Sätze hin und zeigt deutlich, dass es parenthetischer Satzbau vorliegt.
- Schrägstrich: Im achten und finalen Vers der ersten Strophe ist ein Schrägstrich in den Satz inkorporiert, was einen als Leser „stolpern“ lässt, da dieses Interpunktionszeichen als Kommaersatz fungiert.
- Personifikation: Mit der Bezeichnung „junge[s] Gemüse“ (V. 2 f.) schreibt der Autor dem Gemüse ein Alter zu und personifiziert es damit.
- Doppeldeutigkeit: Ausdrücke wie „junge[s] Gemüse“ (V. 13 f.) besitzen eine doppeldeutige Wirkung, da mit jungem Gemüse allgemein auch Menschen im jugendlichen Alter gemeint sein können. Dieses Stilmittel verstärkt den Fokus auf den respektiven Begriff und lenkt die Aufmerksamkeit in diesem Fall auf das Lebensmittel Gemüse.
2. Strophe
Inhalt- Das lyrische Ich beschreibt, wie es „mit einer Lebensmittelfarbe [...] das Fleisch“ (V. 9 f.) „schwedischer Hochleistungsschafe“ (V. 11) färbt.
- Das „Bläuen“ (Vgl. V. 10) des Schaffleisches wiederum spannt den Bogen zur äußerlichen Erscheinung der erzählenden Instanz. Das blau gefärbte Fleisch passt laut lyrischem Ich gut zu seinen „Sommerkontaktlinsen“ (V. 12 f.).
- Die zweite Strophe endet damit, dass eine Beschreibung des Kühlschranks angefangen wird, die jedoch mitten im Satz abbricht, da ein Enjambement in die dritte und finale Strophe folgt.
- Enjambement: Bereits der erste Vers in der zweiten Strophe beginnt mit einem Enjambement, indem der „Apfelbrei“ (V. 8) „zu[r] Frisur“ (V. 9) passend verzehrt wird. Vers 12 und 13 sowie Vers 13 und Vers 14 folgen ebenso unmittelbar aufeinander, was noch zusätzlich durch die zusammengeschriebenen Wörter „Sommerkontaktlinsen“ (V. 12 f.) und „lindgrün“ (V. 13) betont wird.
- Neologismus: Bei den Begriffen „Hochleistungsschafe“ (V. 11) und „Sommerkontaktlinsen“ (V. 12 f.) handelt es sich um neue Kombinationen, die aus bereits bestehenden Wörtern komponiert wurden. Im Falle von „Sommerkontaktlinsen“ (V. 12 f.) findet eine Aufwertung des Wortes durch den Zusatz „Sommer“ statt. Bei „Hochleistungsschafe[n]“ (V. 11) schwingt hingegen eine negative Konnotation mit.
- Doppeldeutigkeit: Als Leser stolpert man über die Äußerung des lyrischen Ich, es „kombiniere [...] sanft“ (V. 12 f.) die „Bläue des Fleischs“ (vgl. V. 10) mit seinen „Sommerkontaktlinsen“. Mit dieser Wortwahl verstärkt der Autor den grotesken Charakter des Gedichts.
- Farbmetaphorik: Dem „Fleisch [...] schwedischer Hochleistungsschafe“ (V. 10 f.) haftet eine blaue Farbe an, die in der Farbsymbolik in der Literatur für Kälte steht und demzufolge auch in Richtung Tod & Nicht-Lebendiges interpretierbar ist.
3. Strophe
Inhalt- Den Kühlschrank schmückt das lyrische Ich in einem „lindgrün" (V. 13 f.) mit „mit Lollo-Rosso-Salaten“ (V. 14), allerdings nur für eine „Viertelwoche“ (V. 14).
- Das lyrische Ich gibt die Salate später an Cheerleader ab, die die Salatköpfe als Pompons verwenden sollen und überlegt sich, dass es gerne einen neuen Kühlschrank sowie einen „spannenden Käse“ (V. 17) kaufen würde.
- Doppeldeutigkeit: Indem der Autor Formulierungen wie „Cheerleadergirls“ (V. 16), „scharf auf“ (V. 16 f.) etwas sein sowie „spannenden Käse“ (V. 18) verwendet, lenkt er den Fokus der Leserschaft einmal mehr auf die entsprechenden Textstellen und bewirkt, dass dem Gedicht ein sexueller Charakter und damit eine einhergehende perfide Note anhaftet.
- Neologismus: Beim Wort „Viertelwoche“ handelt es sich um einen komponierten, also aus bestehenden Wörtern zusammengesetzten Neologismus, der die Absurdität der Situation noch einmal untermauert.
- Farbmetaphorik: Ebenso wie in der zweiten Strophe lassen sich auch im finalen und dritten Abschnitt des Werks farbsymbolische Elemente finden. Nimmt man beispielsweise das „Lindgrün“ (V. 13 f.) der „Lollo-Rosso-Salate“ (V. 15), so findet man in der Farbmetaphorik Assoziationen wie Gift, Eifersucht und grundsätzlich negative Konnotationen, die für die Farbe Grün stehen. Diese Interpretation verstärkt noch den nicht-essbaren und künstlich anmutenden Charakter der Lebensmittel im Gedicht.
Titel
- Wie aus dem Titel Fooddesign bereits zu entnehmen, geht es weniger um Essen als Genussmittel, sondern vielmehr um die mit den einzelnen Nahrungsmitteln verbundene Ästhetik.
- Dass Wort Fooddesign spiegelt auch den synthetischen Charakter von Lebensmitteln im Gedichtkontext wider. Essen als überlebenswichtige Materie wird auf seine reine Äußerlichkeit limitiert und erfährt dadurch ein Verkünsteln des eigentlichen Zwecks.
Schluss
- Dominik Dombrowski schildert in seinem Gedicht Fooddesign auf markante Art und Weise, wie wichtig der Zusammenhang zwischen Essen und Äußerlichkeiten inzwischen ist und auf welche absurde Art sich Ernährung zu einer Art Religion etabliert hat.
- Dombrowski selbst beschreibt sein Werk als „das In-der-Schwebe-halten zwischen Satire, politischer Aussage, Groteske und Betroffenheit“1 und möchte mit der überspitzen Darstellung von Zusammenhang zwischen Essen und Äußerem auf die in der heutigen Gesellschaft herrschende Diskrepanz zwischen Schein und Sein aufmerksam machen.