Aufgabe 2
Interpretation eines Dramentextes
Thema:- Interpretiere den Szenenauszug.
der fähigste Feldherr Duncans und hat Ambitionen auf den Thron, kann diese aber
aufgrund des Erbfolgegesetzes nicht verwirklichen. Daher sind ihm mörderische
Gedanken gekommen, die er unmittelbar vor diesem Gespräch mit seiner Gemah-
lin, Lady Macbeth, wieder verworfen hat. Siebente Szene
Ebendaselbst, Raum im Schloss.
Oboen und Fackeln. Ein Vorschneider und mehrere Diener mit Schlüsseln gehen
über die Bühne; dann kommt Macbeth.
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Macbeth: [...]
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(Lady Macbeth tritt auf)
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Wie nun, was gibt's?
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Lady Macbeth: Er [Duncan, Anmerkung des Verfassers] hat fast abgespeist.
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Warum hast du den Saal verlassen?
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Macbeth: Hat er
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nach mir gefragt?
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Lady Macbeth: Weißt du nicht, dass er's tat?
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Macbeth: Wir woll'n nicht weitergehn in dieser Sache;
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Er hat mich jüngst belohnt, und goldne Achtung
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Hab ich von Leuten aller Art gekauft,
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Die will getragen sein im neuesten Glanz
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Und nicht so plötzlich weggeworfen.
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Lady Macbeth: War
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Die Hoffnung trunken, worin du dich hülltest?
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Schlief sie seitdem und ist sie nun erwacht,
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So bleich und krank das anzuschauen, was sie
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So fröhlich tat? – Von jetzt an denk ich
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Von deiner Liebe so. Bist du zu feige,
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derselbe Mann zu sein in Tat und Mut,
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Der du in Wünschen bist? Möchtest du erlangen,
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Was du den Schmuck des Lebens schätzen musst,
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Und Memme sein in deiner eignen Schätzung?
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Muss dir „Ich fürchte“ folgen dem „Ich möchte“,
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Der armen Katz' im Sprichwort gleich?
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Macbeth: Sei ruhig!
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Ich wage alles, was dem Menschen ziemt;
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Wer mehr wagt, der ist keiner.
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Lady Macbeth: Welch ein Tier
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Hieß dich von deinem Vorsatz mit mir reden?
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Als du es wagtest, da warst du ein Mann;
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Und mehr sein, als du warst, das machte dich
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Nur umso mehr zum Mann. Nicht Zeit, nicht Ort
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Trarf damals zu, du wolltest beide machen:
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Sie machen selbst sich und ihr hurt'ger Dienst
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Macht dich zu nichts. Ich hab gesäugt und weiß,
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Wie süß, das Kind zu lieben, das ich tränke;
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Ich hätt, indem es mir entgegenlächelte,
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Die Brust gerissen aus den weichen Kiefern
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Und ihm den Kopf geschmettert an die Wand,
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Hätt ich's geschworen, wie du dieses schwurst.
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Macbeth: Wenn's uns misslänge –
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Lady Macbeth: Uns misslingen! –
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Schraub deinen Mut nur bis zum Punkt des Halts,
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Und es misslingt uns nicht. Wenn Duncan schläft,
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Wozu so mehr des Tages starke Reise
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Ihn einlädt - seine beiden Kämmerlinge
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Will ich mit würz'gem Weine so betäuben,
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Dass des Gehirnes Wächter, das Gedächtnis,
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Ein Dunst sein wird und der Vernuft Behältnis
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Ein Dampfhelm nur. - Wenn nun im vieh'schen Schlaf
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Ertränkt irh Dasein liegt, so wie im Tode,
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Was können du und ich dann nicht vollbringen
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Am unbewachten Duncan? was nicht schieben
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Auf die berauschten Diener, die die Schuld
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Des großen Mordes trifft?
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Macbeth: Gebär mit Söhne nur!
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Aus deinem unbezwungnen Stoffe können
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Nur Männer sprossen. Wird man es nicht glauben,
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Wenn wir mit Blut die zwei Schlaftrunknen färben,
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Die Kämmerling', und ihre Dolche brauchen,
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Dass sie's getan?
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Lady Macbeth: Wer darf was anders glauben
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Wenn unsers Grames lauter Schrei ertönt
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Bei seinem Tode?
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Macbeth: Ich bin fest; gespannt
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Zu dieser Schreckenstat ist jeder Nerv.
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Komm, täsuchen wir mit heiterm Blick die Stunde:
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Birg, falscher Schein, des falschen Herzen Kunde!
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(Sie gehen ab.)
Aus: Shakespeare, William: Macbeth. Tragödie. Übersetzt von Dorothea Tieck.
Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2001, S. 20–21.
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- Welchen Preis ist man bereit, für die eigenen Ziele zu zahlen? In einer Gesellschaft, in der der Leistungsdruck sehr hoch ist, sind zahlreiche Menschen bereit, um ihren Erfolg zu erzielen, auch unmoralische Wege zu gehen.
- In seinem Werk Macbeth greift William Shakespeare die o. g. Thematik des Erfolgstrebens auf und geht darauf ein, wie weit ein Mensch geht, um sein Ziel zu erreichen. Obwohl das Drama bereits vor über vier Jahrhunderten geschrieben wurde, behandelt es einen selbst heute noch aktuellen Topos.
- Der respektive Auszug aus der siebten Szene in Macbeth zeigt, dass Macbeth für seinen Aufstieg als Thronfolger sogar dazu bereit ist, den amtierenden König Schottlands zu ermorden.
Hauptteil
- Es handelt sich bei Macbeth um einen Mann, der der Krone des schottischen Königs Duncan als Feldherr dient. Macbeth leistet seinem Land und Herrscher gute Dienste als Feldherr, welche von dem König persönlich auch honoriert werden.
- Die Position des Feldherren alleine genügt Macbeth jedoch nicht, er plant, als Thronfolger aufzusteigen. Dass der Feldherr und Protagonist des Dramentextes allein aufgrund seiner nicht adligen Herkunft unter keinen Umständen zum neuen König gekrönt werden kann, hält Macbeth nicht davon ab, sein Ziel zu verfolgen.
- In der vorliegenden Szene ringt Macbeth mit sich und seinem moralischen Bewusstsein. Er ist sich im Klaren darüber, dass er, wenn er neuer König werden möchte, Duncan auf unmoralische Art und Weise wie durch Mord vom Thron stoßen werden muss.
- Im zu interpretierenden Auszug der siebten Szene ist Macbeth hin- und hergerissen zwischen seinem Gewissen, das ihn an seinen mörderischen Plänen hindert und seinem Machtbedürfnis, welches ihn darin bestärkt, seine Absicht in die Tat umzusetzen.
- Eine entscheidende Rolle spielt bei der Entscheidung, den schottischen König durch Hinterlist vom Thron zu stoßen, die Frau Macbeths, Lady Macbeth. Letztere bestärkt ihren Mann darin, Zweifel an der grauenhaften Tat nicht zuzulassen und sein Vorhaben zur Wirklichkeit werden zu lassen.
- Macbeths anfängliche Bedenken, seine Tat sei moralisch nicht vertretbar, schiebt er im Laufe der Unterhaltung mit seiner Frau beiseite. Schließlich ist er zum Ende der Konversation fest dazu entschlossen, die „Schreckenstat“ (Z. 67) wahr werden zu lassen.
- Anfangs herrscht zwischen dem Feldherren und seiner Frau eine angespannte Stimmung, welche sich daran festmachen lässt, dass Lady Macbeth offen ihrem Unmut über den König kundtut, während Macbeth selbst Duncan in Schutz nimmt und anmerkt, dass dieser ihn erst vor Kurzem für seine außerordentlichen Leistungen als Feldherr gelobt hätte.
- Lady Macbeth jedoch bewerkstelligt es durch spitze Anmerkungen, wie dass Macbeth in letzter Zeit „so bleich und krank“ (Z. 17) aussähe und sich zudem „feige“ (Z. 19) verhalten würde. Mit diesen Äußerungen bewirkt sie, dass sich Macbeth durch ihre unverhohlene Kritik an seiner Mannhaftigkeit herausgefordert fühlt.
- Macbeth kann die Anschuldigungen seiner Frau, eine „Memme“ (Z. 23) zu sein, nicht auf sich sitzen lassen und reagiert genau so, wie es Lady Macbeth beabsichtigt hatte: Er wehrt sich zunächst noch gegen die Sticheleien seiner Frau, indem er ihr das Wort verbietet.
- Allerdings lässt sich Macbeth dann zügig von seiner Frau überzeugen. Indem ihn die Lady daran erinnert, dass er ihr selbst von seinem ursprünglichen Plan, den König zu ermorden, erzählt hat, entfacht sie erneut die Machtgier ihres Mannes.
- Indem Lady Macbeth ihren Mann an seinen ihr gegenüber geleisteten Schwur, sein mörderisches Vorhaben in die Tat umzusetzen, ermahnt und sogar den Mord am König mit einer Ermordung eines eigenen Kindes vergleicht, wird klar, dass Lady Macbeth bereit ist, für ihr Ansehen über Leichen zu gehen.
- Die Realität des grausamen Aktes gewinnt in dem Moment Einzug, indem Macbeth auf den unmoralischen Vergleich Lady Macbeths und ihre ungebremste Mordlust nicht mit Entsetzen reagiert. Stattdessen überlegt sich der Feldherr bereits, was er tun wird, „wenn's [ihnen] misslänge“ (Z. 42).
- Lady Macbeth eliminiert auch die letzten Bedenken ihres Mannes, indem sie ihm klar macht, dass sie für den Mord an seiner Seite stehen wird und ihn darin bestätigt, dass er mit dem Töten des Königs eine mutige Tat vollbringen wird.
- Dass Lady Macbeth keinerlei Zweifel am Erfolg des mörderischen Plans hegt, zeigt, wie gefühllos und kaltblütig ihr Wesen ist. Sie plant, den Mord am König dessen Dienern zu Lasten zu legen. Auch die Selbstverständlichkeit, mit welcher Lady Macbeth davon ausgeht, dass niemand sie und ihren Mann der Ermordung verdächtigen wird, spiegelt ihre manipulative und gewissenlose Art wider.
- Macbeths schwacher Charakter wird daran deutlich, dass er sich innerhalb kürzester Zeit von seinen ursprünglichen Gewissensbissen zum Gegenteil überreden lässt. Unter der Überzeugungskraft seiner Frau stimmt er ihr zu, dass niemand ihn und Lady Macbeth des Mordes am König verdächtigen wird, da sie beide angebliches Entsetzen über das Ableben Duncans vorspielen werden.
- Die oben beschriebene Szene zeigt deutlich auf, wie weit Menschen gehen können, um sich selbst zum Erfolg zu verhelfen. Außerdem soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass es sich bei Macbeth keinesfalls um das Opfer seiner Frau handelt, sondern er ist derjenige, der ursprünglich von bereits den Plan gefasst hatte, dem König das Leben zu nehmen.
Schluss
- Während Macbeth und seine Frau in den Augen des Königs ihrer bürgerlichen Pflicht nachkommen und Macbeth seinen vorbildlichen Dienst am eigenen Land leistet, ahnt Duncan nicht, dass der Feldherr und Lady Macbeth in der Zwischenzeit seinen Mord planen.
- Allein die Zuschauer erleben, welche menschlichen Abgründe sich hinter den Eheleuten Macbeth verbergen und erhalte somit als einzige Instanz einen Einblick in die wahre Identität und Persönlichkeit der Macbeths.