Aufgabe 2

Interpretation eines Dramentextes

Thema:
William Shakespeare (* 1564 - † 1616): Macbeth 1. Aufzug 7. Szene (Auszug)
Aufgabenstellung:
  • Interpretiere den Szenenauszug.
Material
Macbeth
William Shakespeare
Duncan, König von Schottland, besucht Macbeth auf dessen Schloss. Macbeth ist
der fähigste Feldherr Duncans und hat Ambitionen auf den Thron, kann diese aber
aufgrund des Erbfolgegesetzes nicht verwirklichen. Daher sind ihm mörderische
Gedanken gekommen, die er unmittelbar vor diesem Gespräch mit seiner Gemah-
lin, Lady Macbeth, wieder verworfen hat.
Siebente Szene
Ebendaselbst, Raum im Schloss.
Oboen und Fackeln. Ein Vorschneider und mehrere Diener mit Schlüsseln gehen
über die Bühne; dann kommt Macbeth.
1
Macbeth: [...]
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(Lady Macbeth tritt auf)
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Wie nun, was gibt's?
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Lady Macbeth: Er [Duncan, Anmerkung des Verfassers] hat fast abgespeist.
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Warum hast du den Saal verlassen?
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Macbeth: Hat er
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nach mir gefragt?
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Lady Macbeth: Weißt du nicht, dass er's tat?
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Macbeth: Wir woll'n nicht weitergehn in dieser Sache;
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Er hat mich jüngst belohnt, und goldne Achtung
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Hab ich von Leuten aller Art gekauft,
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Die will getragen sein im neuesten Glanz
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Und nicht so plötzlich weggeworfen.
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Lady Macbeth: War
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Die Hoffnung trunken, worin du dich hülltest?
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Schlief sie seitdem und ist sie nun erwacht,
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So bleich und krank das anzuschauen, was sie
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So fröhlich tat? – Von jetzt an denk ich
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Von deiner Liebe so. Bist du zu feige,
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derselbe Mann zu sein in Tat und Mut,
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Der du in Wünschen bist? Möchtest du erlangen,
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Was du den Schmuck des Lebens schätzen musst,
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Und Memme sein in deiner eignen Schätzung?
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Muss dir „Ich fürchte“ folgen dem „Ich möchte“,
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Der armen Katz' im Sprichwort gleich?
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Macbeth: Sei ruhig!
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Ich wage alles, was dem Menschen ziemt;
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Wer mehr wagt, der ist keiner.
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Lady Macbeth: Welch ein Tier
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Hieß dich von deinem Vorsatz mit mir reden?
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Als du es wagtest, da warst du ein Mann;
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Und mehr sein, als du warst, das machte dich
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Nur umso mehr zum Mann. Nicht Zeit, nicht Ort
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Trarf damals zu, du wolltest beide machen:
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Sie machen selbst sich und ihr hurt'ger Dienst
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Macht dich zu nichts. Ich hab gesäugt und weiß,
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Wie süß, das Kind zu lieben, das ich tränke;
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Ich hätt, indem es mir entgegenlächelte,
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Die Brust gerissen aus den weichen Kiefern
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Und ihm den Kopf geschmettert an die Wand,
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Hätt ich's geschworen, wie du dieses schwurst.
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Macbeth: Wenn's uns misslänge –
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Lady Macbeth: Uns misslingen! –
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Schraub deinen Mut nur bis zum Punkt des Halts,
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Und es misslingt uns nicht. Wenn Duncan schläft,
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Wozu so mehr des Tages starke Reise
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Ihn einlädt - seine beiden Kämmerlinge
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Will ich mit würz'gem Weine so betäuben,
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Dass des Gehirnes Wächter, das Gedächtnis,
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Ein Dunst sein wird und der Vernuft Behältnis
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Ein Dampfhelm nur. - Wenn nun im vieh'schen Schlaf
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Ertränkt irh Dasein liegt, so wie im Tode,
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Was können du und ich dann nicht vollbringen
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Am unbewachten Duncan? was nicht schieben
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Auf die berauschten Diener, die die Schuld
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Des großen Mordes trifft?
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Macbeth: Gebär mit Söhne nur!
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Aus deinem unbezwungnen Stoffe können
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Nur Männer sprossen. Wird man es nicht glauben,
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Wenn wir mit Blut die zwei Schlaftrunknen färben,
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Die Kämmerling', und ihre Dolche brauchen,
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Dass sie's getan?
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Lady Macbeth: Wer darf was anders glauben
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Wenn unsers Grames lauter Schrei ertönt
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Bei seinem Tode?
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Macbeth: Ich bin fest; gespannt
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Zu dieser Schreckenstat ist jeder Nerv.
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Komm, täsuchen wir mit heiterm Blick die Stunde:
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Birg, falscher Schein, des falschen Herzen Kunde!
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(Sie gehen ab.)

Aus: Shakespeare, William: Macbeth. Tragödie. Übersetzt von Dorothea Tieck.
Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2001, S. 20–21.

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