Aufgabe 4
Sachtextanalyse
Thema: Freya Schwachenwald: Fordert uns! Aufgabenstellung:- Analysiere den Text.
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Ich kann mich an eine Zeit ohne Bücher nicht erinnern - gut möglich, dass ich
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damit einer Minderheit meiner Generation angehöre. Denn natürlich kenne auch
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ich einige leidenschaftliche Buchgegner: Für sie ist Lesen langweilig und anstren-
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gend.
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Die Frage, ob das Buch überleben kann, wurde mir schon vor zehn Jahren
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gestellt - und trotzdem hat sich kaum etwas getan. Es gibt Romane, die Chats in
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den Text einbauen und mit gestalterischen Spielereien versuchen, wie Websites
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auszusehen. In meinen Augen sind das alles krampfhafte Anbiederungsversuche.
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Selbst für mich ist es inzwischen viel spannender zu sehen, welche digitalen
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Erzählformen entstehen: von der Instagram-Story bis zu WordPad-Gruppen und
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ausufernden Netzserien. Dass junge Menschen wie ich im Digitalen vieles finden,
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was uns begeistert, hat auch damit zu tun, dass wir uns in der für uns gedachten
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Literatur nicht wiederfinden: Es ist anstrengend, dauerhaft unterschätzt zu werden
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- als wären wir alle gehirnlose Smartphonezombies. Wer uns erreichen will, sollte
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zuallererst die Kategorie “junger Mensch” neu denken: Wir sind nicht alle gleich,
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wir sind nicht alle verloren.
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Jungsein ist ein Zwischenzustand, ein Nicht-mehr-da und Noch-nicht-hier, ein
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Ausprobieren und Hinterfragen. Ich will Geschichten, die dazu passen. Ich will
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etwas, das mich fordert, überrascht, womit ich mich identifizieren kann - oder
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gerade nicht. Ich finde Bücher, die sich mit politischen Fragen beschäftigen, wich-
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tig. Ich möchte aber nicht bevormundet werden. Ich will Denkanstöße, keine
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Denkgebote. Mich beschäftigt, wie wir miteinander umgehen, wie wir Grenzen
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und Identitäten bestimmen und welche Gewalt entstehen kann, wenn man einander
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nicht zuhört. Wir brauchen eine Vielzahl an Geschichten, die sich unterscheiden,
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widersprechen, miteinander im Dialog stehen. Geschichten, die uns helfen, Ver-
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ständnis aufzubauen und Wahrheiten nicht als absolut anzusehen.
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Ich wünsche mir von den deutschen Verlagen, dass sie mehr wagen: Macht
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weniger Bücher aus Europa und den USA, bringt Übersetzungen aus anderen
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Regionen. Ihr könntet unsere Welt größer machen, stattdessen verkleinert ihr sie
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- und uns gleich mit. Wir werden in Zielgruppen eingeteilt, Farbcodes und Schrift-
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arten sollen uns zu den richtigen Büchern führen. Aber nicht alle 15-jährigen Mäd-
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chen mögen Liebesgeschichten, nicht alle 16-jährigen Jungs Science-Fiction.
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Erzieht uns nicht - und schon gar nicht zu dummen Konsumenten. Ich wünsche
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mir auch, dass Verlage ihre gesellschaftliche Aufgabe ernster nehmen, dass sie
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nicht nur an den unmittelbaren Verkauf von Büchern denken - auch wenn sie,
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schon klar, Wirtschaftsunternehmen sind. Warum gebt ihr uns nicht den Raum, zu
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entdecken, welche großartigen Welten zwischen den Seiten eines Buches stecken?
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Und wie wir mit diesen Welten unsere eigene gestalten können? Dann werden wir
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uns auch weiter Geschichten durch, über und mit Büchern erzählen.
Anmerkungen zur Autorin:
Freya Schwachenwald ist 25 Jahre alt und war bereits als Kind bei den Bücherpiraten in Lübeck aktiv.
Für ihr Engagement in der Leseförderung erhielt sie 2015 den Bundesverdienstorden. Aus: Freya Schwachenwald: „Fordert uns!“. In: DIE ZEIT 13/2019.
Vorarbeit
- Lies dir zuallererst den Text ein paar Mal durch.
- Unterstreiche Schlüsselwörter sowie Textstellen, die dir besonders wichtig erscheinen.
- Notiere dir erste Gedanken und Auffälligkeiten zum Text.
Einleitung
- Bücher sind ein Medium, das uns schon lange begleitet und doch für viele vor allem bei jüngeren Generation seinen Wert verliert.
- Kommentar Fordert uns! von Freya Schwachenwald, in der 13. Ausgabe des Magazins DIE ZEIT 2019
- Die Autorin des Kommentars äußert Kritik und Appell am deutschen Büchermarkt, bessere und ansprechendere Bücher anzubieten, um die Leidenschaft junger Generationen wieder zu wecken, Bücher zu lesen.
Hauptteil
- Anfangs stellt die Autorin direkt die sogenannten „Buchgegner“ (Z. 3) vor, die das Lesen von Büchern als „langweilig und anstrengend“ (Z. 3 f.) beschreiben und macht deutlich, dass sie nicht dazu zählt.
- Schwachenwald stellt fest, dass die Versuche mancher Autoren, Bücher für junge Menschen ansprechender zu machen, einfach nur „krampfhafte Anbiederungsversuche“ (Z. 8) seien.
- Viele würden eher auf digitale Angebote zurückgreifen, als Bücher zu kaufen, da Literatur junge Menschen oft nicht mehr erreicht und diese Lücke durch Digitales gefüllt wird (Vgl. Z. 11).
- Den Grund dafür sieht die Autorin im aktuellen Buchmarkt, der junge Menschen „dauerhaft unterschätzt“ (Z. 13) und sie scheinbar alle als „gehirnlose Smartphonezombies“ (Z. 14) sieht. Diese Ausdrucksweise macht die Emotionalität der Argumentation deutlich.
- Im folgenden Teil des Kommentars äußert Freya Schwachenwald alle ihre Vorstellungen, Wünsche und Forderungen, so findet man viele Anaphern, die dies bestärken („Ich will“ Z. 18, 21).
- Konkret fordert sie Bücher mit Inhalten, die sie überraschen, zum Nachdenken anregen und wie auch bereits der Titel verrät, fordern (Vgl. Z. 18 ff.).
- Die Autorin unterscheidet in ihrem Kommentar stark zwischen den Pronomen „wir“ bzw. „uns[ere]“ und „ihr“, gerichtet an die Autoren und Buchverläge. Dieses rhetorische Mittel verdeutlicht erneut die Distanz dieser beiden Seiten und verdeutlicht den harten Gegensatz.
- Sie formuliert einen Appell an die deutschen Verlage, indem sie von ihnen möchte, weniger Bücher aus Europa und den USA zu produzieren, und stattdessen Übersetzungen aus anderen Regionen anzubieten (Vgl. Z. 27–29).
- Dieser Forderung folgt ein harter Vorwurf: „Ihr könntet unsere Welt größer machen, stattdessen verkleinert ihr sie - und uns gleich mit. [...] “ (Z. 29 f.). Auch hier wird erneut die emotionale Involviertheit der Autorin deutlich und als Leser wird einem die Gegenüberstellung von „Gut“ und „Böse“ vermittelt, die Schwachenwald damit zum Ausdruck bringen möchte.
- Sie unterstellt den Verlagen, nach Stereotypen zu handeln und junge Menschen in Schubladen zu stecken (Vgl. Z. 30–32). Dadurch werden wichtige Themen, die in Jugendbüchern vermittelt werden könnten, vernachlässigt.
- Dies hängt damit zusammen, dass Verlage Wirtschaftsunternehmen sind und zunächst einen möglichst hohen Verkauf erzielen wollen, deswegen versuchen sie mit flachen Storys die Masse zu erreichen, doch die Autorin wirft ihnen vor, sie nur zu „dummen Konsumenten“ (Z. 33) erziehen zu wollen (Vgl. Z. 33–36).
- In ihrem Kommentar spricht Schwachenwald die Verlage direkt an und stellt ihnen im Schlussteil konkret zwei Fragen, in denen erneut ihre Empörung zum Ausdruck kommt. Zunächst die Frage, weshalb die Verläge den jungen Lesern „[...] nicht den Raum [geben], zu entdecken, welche großartigen Welten zwischen den Seiten eines Buches stecken?“ (V. 36 f.) und anschließend wie man mit diesen seine eigene Welt schaffen kann (Vgl. V. 38).
- Auf die Zukunft blickend wünscht sie sich „[...] weiter Geschichten durch, über und mit Büchern [zu] erzählen.“ (Z. 38 f.).
Schluss
- Freya Schwachenwald stellt ihrem Kommentar deutlich ihre Position dar und zieht den Leser durch die Intensität ihrer Ausdrucksweise in die Thematik hinein.
- Die Argumentation ist nachvollziehbar und besitzt ein klares Ziel.