Aufgabe 3
Gedichtinterpretation
Thema:- Interpretiere das Gedicht.
1
In die Schöße meiner Seelenfreunde fallen
2
furchtlos die Worte aus mir
3
suchen ihre Zusammenhänge ohne Plan
4
finden sie manchmal
5
und manches Mal
6
– auch nicht
7
den Ton treffen sie leicht
8
es hemmt sie kein Stöhnen
9
noch bremsen Antworten
10
aus geduldloser Hast
11
hier geht's nicht ums Gelingen
12
nicht darum dass die Pointe stimmt
13
grundlos darf das Lachen sich verschwenden
14
uferlos die Erinnerungsträne sich ergießen
15
gleich den furchtlosen Worten
16
aus furchtlosen Gedanken
17
in die Trosträume meiner Seelenfreunde
Aus: Heyse, Nele: Unter Freunden. In: Heyse, Nele: Zeit ist eine Kugel. Gedichte,
Mitteldeutscher Verlag, Halle/Saale 2016, S. 64.
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- Unter Freunden zu sein, bedeutet im Idealfall, ein Gefühl innerer Losgelöstheit, Leichtigkeit & Geborgenheit zu empfinden.
- Die Autorin des Gedichts geht vor allem auf die Wichtigkeit ein, inmitten des engsten Freundeskreises man selbst sein zu können. Dazu gehört auch, dass man seine Meinung frei äußern darf, ohne sich zu sorgen, dafür verurteilt zu werden.
- Nele Heyse publiziert ihr lyrisches Werk Unter Freunden im Jahr 2006 als Bestandteil ihrer Gedichtsammlung Die Zeit ist eine Kugel.
Hauptteil
Formale Analyse- 1 Strophe á 17 Verse, die in ihrer Länge variieren
- Kein Reimschema und freier Rhythmus
- Bis auf einen Gedankenstrich keine Interpunktionszeichen
- Die fehlenden Satzzeichen unterstreichen den ungewissen Ausgang des inneren Monologs.
- Offene Form des Gedichts repräsentiert den Inhalt
- Der erste Sinnabschnitt des Gedichts findet aus Sicht des lyrischen Ichs statt.
- Die Verse 1-7 beschreiben das allgemeine Wohlbefinden, welches einen in der Gegenwart Vertrauter überkommt und welches einen zum Äußern der eignen Gedanken veranlasst.
- Besonders kennzeichnet sich ein Gespräch unter Freunden durch die „furchtlos[e]“ (V. 2), zusammenhangslose (vgl. V. 3) sowie „leicht“ (V. 7) von den Lippen gehende Art der Konversation.
- Enjambement: Vers 1 zu Vers 2 folgen unmittelbar aufeinander, was noch zusätzlich durch das Verb fallen unterstrichen wird.
- Alliteration: Durch den Zeilensprung Ende des Verses 1 bilden die Worte „fallen furchtlos“ (V. 1 f.) eine alliterarische Einheit, die den gebetsartigen Charakter der ersten beiden Verse unterstreichen.
- Wortspiel: „In die Schöße meiner Seelenfreunde fallen“ (V. 1) spielt auf die Redensart „in den Schoß fallen“ an. Der erste Vers ist insofern zu verstehen, dass das lyrische Ich nicht lange über Gesagtes nachdenken muss, sondern es ihm einfach über die Lippen kommt, was mit der Wortwahl „leicht“ (V. 7) noch einmal zusätzlich unterstrichen wird.
- Neologismus: Der Ausdruck „Seelenfreunde“ (V. 1) ist als Rückbezug zur Betitelung des Gedichts zu interpretieren und deutet auf die Verletzlichkeit und Intimität hin, die eine innige Freundschaft bereithält.
- Personifikation: Indem die Autorin Worte „ihre Zusammenhänge ohne Plan [suchen]“ (V. 3) lässt, personifiziert sie Letztere und gibt ihnen ein Eigenleben, welches ebenso unvorhersehbar und authentisch ist wie das lyrische Ich im Gedicht selbst.
- Die Verse 8-12 schildern, dass ein Gespräch Unter Freunden weder durch Unterbrechungen noch durch Missfallensbekundungen Abbruch nimmt.
- Auch trägt haftet diesem Abschnitt des Gedichts eine gesellschaftskritische Komponente an, da in Vers 11 & 12 mit der Bemerkung „hier geht's nicht ums Gelingen nicht darum dass die Pointe stimmt“ (V. 11 f.), das auf Leistung und Perfektion ausgerichtete Gesellschaftsbild angeprangert wird.
- Neologismus: Das Wort „geduldlos“ (V. 10) stammt vom Adjektiv ungeduldig ab und verdeutlicht abermals die ungekünstelte und impulsive Art eines Gesprächs inmitten von Vertrauten, indem ein unorthodoxer, neugeschöpfter Begriff gewählt wird.
- Doppelte Verneinung: Besonders das Suffix -los hebt die Abwesenheit jeglicher Geduld im Neologismus „geduldlos“ hervor, was wiederum im Kontrast zum darauffolgenden Substantiv Hast (V. 10) steht und dadurch die konnotierte Ungeduld eliminiert.
- Slang: Slangwörter wie „geht's“ (V. 11) spiegeln einmal mehr die gelockerte und vertraute Stimmung in einem Gespräch Unter Freunden dar.
- Vers 13-16 gehen auf die Losgelöstheit ein, welche in einem Gespräch im Kreise der engsten Freunde herrscht.
- Sowohl Tränen der Freude als auch der Wehmut sind im Austausch Unter Freunden willkommen.
- Jedes Gefühl ist valide und Furcht vor der eigenen Impulsivität ist hier fehl am Platz.
- Parallelismus: Die Verse 13 & 14 weisen nicht allein durch die an den Anfang der beiden Verse positionierten Adjektive „grundlos“ (V. 13) und „uferlos“ (V. 14) Parallelen auf, sondern auch durch ihren inhaltlichen Parallelismus. Gleichermaßen sind das Vers 13 erwähnte Lachen sowie das in Vers 14 angesprochene Weinen wertvolle Komponenten eines Gesprächs unter Vertrauten.
- Wiederholung: Indem Nele Heyse das Adjektiv „furchtlos“ erst in Vers 2 und abermals in Vers 15 & 16 repetiert, verdeutlicht sie die Kernbotschaft dieses Gedichts: Inmitten von Freunden keine Furcht davor besitzen zu müssen, dass man etwas falsches sagt. Auch die Gleichstellung von zunächst „furchtlosen Worten“ (V. 15) und „furchtlosen Gedanken“ (V. 16) zeigt, wie nah jene beieinander liegen und wie stark sie sich gegenseitig beeinflussen.
- Beim Gedichtstitel Unter Freunden liegt nahe, dass es sich um eine vertrauenserweckende, geborgene Stimmung im Werk handelt.
- Die Vermutung, dass es sich bei einem Gespräch Unter Freunden um ein Gedicht in Dialogform handelt, bestätigt sich nicht, da zwar die Charakterzüge eines Gesprächs zwischen Freunden beschrieben werden, doch das Gedicht in Monologform stattfindet.
- Das lyrische Ich beschreibt abermals die Präsenz seiner „Seelenfreunde“ (V. 17) als einen trostspendenden Raum, der ihm Geborgenheit verleiht.
- Neologismus: Während das lyrische Ich in Vers 1 von „Schößen“ (V. 1) spricht, ist in Vers 17 von „Trosträume[n]“ (V. 17) die Rede. Dass die Wortherkunft des Neologismus sich auf das Traumhafte bezieht, bewirkt, dass dem finalen Vers des Gedichts etwas Zuversichtliches, Verheißungsvolles anhaftet.
- Parallelismus: Vers 17 bildet ein Gegenstück zu Vers 1, indem er den Neologismus „Seelenfreunde“ (V. 1, 17) wieder aufgreift. Die Kreisförmige Handlung des Werks in sich spiegelt die Geborgenheit des Freundeskreises wieder, welche das lyrische Ich im Gedicht erfährt und beschreibt.
- Nele Heyse schildert in ihrem Gedicht Unter Freunden einfühlsam, wie wichtig Freunde und die Vertrauensbasis, welche wir mit diesen erleben, sind.
- Offen bleibt, ob es sich bei den von Heyse erwähnten „Seelenfreunden“ (V. 1, 17) um reale, oder imaginäre Freunde handelt. Denkbar wäre an dieser Stelle, dass mit den Freunden selbst geschriebene Texte gemeint sind, die die Gedanken und Worte der oder des Schreibende(n) einfach akzeptieren und annehmen.