Vorschlag B
Interpretation eines literarischen Textes mit weiterführendem Vergleich
Thema: Mensch und Arbeit Janstein, Elisabeth (* 1893 - † 1944): Die Telephonistin (1920) Büchner, Georg (* 1813 - † 1837): Woyzeck (1836/37) Aufgabenstellung:- Interpretiere die Erzählung Die Telephonistin von Elisabeth Janstein auch unter Berücksichtigung des Epochenumbruchs um 1900. (Material)
- Vergleiche Jansteins Erzählung (Material) mit Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck im Hinblick auf die Darstellung des arbeitenden Menschen.
(65 BE)
(35 BE)
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In das braune, stickige Dunkel, das gut und ohne Grenzen ist, schlägt das Rasseln des Weckers.
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Müdigkeit, die eine weiche Decke war, in die man sich hüllen konnte, muß abgeschüttelt werden,
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Traum von gütigeren Ländern darf nicht mehr sein. Jetzt stehen unüberwindliche Schrecken, wie Wa-
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schen mit kaltem Wasser, Kämmen und grelles Licht, vor dem zaghaften Bewußtsein. Der Druck im
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Hinterkopf, der schon gestern abend da war, ist in den wenigen Stunden Schlaf nicht gewichen und
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liegt schwer wie ein Fallbeil im Genick.
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Der Weg zum Amt hat keine Freude, die kleinen, weißgoldenen Wolken, der liebe junge Hund, der
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hochspringt, dringen nicht bis zur Schwelle des Gefühls. Die Luft in der Garderobe ist abgestanden,
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riecht nach Terpentin und erinnert voll Ekel an Frühen nach dem Nachtdienste, da man grünlichblaß
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und frierend aus den Sälen in dumpfe Wärme trat. Alles was sonst nicht mehr gefühlte Selbstverständ-
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lichkeit ist, das Umziehen, die Stiegen hinauf bis zum vierten Stock, der Schwall der abgelösten
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Nachtdienstlerinnen, der entgegenkommt, wird heute zum quälenden Erlebnis. Beim Einschalten am
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Platze – der metallne Reif des Kopfapparates ist schon jetzt schmerzhaft – ballt sich das Gefühl der
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Unerträglichkeit zu einer schweren, kreisenden Kugel, die in Kopf und Magen zugleich ist, und immer
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größer wird.
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Der Verkehr beginnt. Eine Lampe nach der anderen brennt auf, lauter kleine, tückische Augen, blau,
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rot und am schmerzhaftesten das grelle, nackte Weiß. Maschine – Maschine – sie ist eingeschaltet und
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läuft: „Bitte, welche Nummer? Bitte.“ Die Hände sind schwer und seltsam fühllos, manipulieren lang-
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sam und ungeschickt mit den glatten Kippern, sind zu schwach, um die Schnüre am Zuggewicht in die
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Höhe zu ziehen, und die Stifte fallen, laut aufklatschend, wieder zurück.
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Lauter neue Lampen, eine nach der anderen leuchtet auf, oft nebeneinander, so daß weiß und blau oder
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gelb und rot zu einem wunderlich irisierenden Kreis verschwimmen. Und Müdigkeit, diese Müdig-
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keit. Der Lärm im Saal, das monotone Sprechen, das Gleiten der Stifte ist, wie wenn das Ohr an eine
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Riesenmuschel gehalten würde, unaufhörliches, auf- und abschwellendes Brausen.
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In dem Augenblicke, da sich das Gefühl des Nichtmehrkönnens zu schneidender Gewißheit zusam-
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mendrängt, kommt die Ablöse. 25 Minuten Pause. Der Erholungsraum ist voll Lärm und Essensge-
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ruch, auf den Gängen ist Fremdheit und Kälte, also wieder in die Garderobe. Die Papierkiste wird an
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den Kasten geschoben, der Kopf angelehnt. Nur das leise Singen der Gasflammen ist im Raum und hin
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und wieder verhallende Schritte. Wie gut das Augenschließen tut. Wenn diese 25 Minuten nur so
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barmherzig wären, nicht zu enden. Was wäre jetzt am schönsten? Irgendein Waldweg, Grün, Sonne.
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Oder im weichen, warmen Sand des Strandbades verwühlt? Alles fordert zu viel und ist zu grell. Das
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dämmerige Zimmer, warm, voll Abgeschlossenheit, im Bett geborgen. Nichts wissen, nichts wün-
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schen, nur Gelöstheit aller Glieder, ausruhen, schlafen.
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Eine Glocke voll schrecklicher Grellheit. Irgendein Signal, das ausprobiert wird. Jagen die Stiegen
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hinauf, immer zwei auf einmal, den Apparat aufgewickelt und eingeschaltet. Maschine, Maschine...
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Eine Anfängerin hat den Platz bedient, zu langsam gearbeitet, jetzt glüht eine Kette von Lampen,
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schmetternde Ohrensignale, vorwurfsvolle, grobe Worte. Lieber Gott, diese Qual, diese Qual! Die
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Hände zittern, und die Lippen können die Worte nicht mehr formen. Wie schwer die Zahlen zu sagen
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sind, unüberwindliche Hindernisse. Wie schön war es in der Garderobe, dunkel, ruhig, keine Stimmen.
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„Welche Nummer, welche Nummer?“ „Dreizehndreisiebenundachtzig.“ Eine Mauer schwillt – dunkel
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– immer größer, immer größer... die Stimmen sind ganz ferne... Dreizehndrei... durch die Mauer geht
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ein Bersten – Himmel bricht herein und ist besät mit kreisenden Sternen, die einen wunderbaren,
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schwebenden Gesang ausströmen.
Anmerkungen zur Autorin:
Elisabeth Janstein (* 1893 - † 1944) war eine österreichische Dichterin und Journalistin, die 1938 nach der Eingliederung Österreichs in das nationalsozialistische Deutschland nach London emigrierte. Aus: Elisabeth Janstein: Die Telephonistin, in: Die rote Perücke. Prosa expressionistischer Dichterinnen, hg. v. Hartmut Vollmer, 2. Aufl. Hamburg 2010, S. 28 ff. Die Rechtschreibung entspricht der Textvorlage.
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Teilaufgabe 1
Einleitung
- Die Erzählung Die Telephonistin von Elisabeth Janstein, veröffentlicht im Jahr 1920, thematisiert die Herausforderungen und inneren Konflikte einer jungen Frauenfigur, die in der modernen Welt der Telefonkommunikation arbeitet.
- Vor dem Hintergrund des Epochenumbruchs um 1900, geprägt von industrieller Revolution, technologischem Fortschritt und dem Wandel von Geschlechterrollen, wird das Streben nach Identität und Autonomie in einer entfremdenden Umgebung beleuchtet.
- Dabei werden sowohl die formale Gestaltung als auch die inhaltlichen Aspekte der Erzählung relevant, um ein umfassendes Bild der Protagonistin und ihrer Situation zu zeichnen.
Hauptteil
Formale Analyse- Der Text ist in Prosaform verfasst und schildert aus der personalen Erzählperspektive die subjektive Wahrnehmung der Protagonistin. Die Erzählung beschränkt sich weitgehend auf die Gedanken und Empfindungen der Telefonistin und ist durch einen inneren Monolog und erlebte Rede geprägt, was die Enge und Monotonie ihrer Arbeit noch intensiver erlebbar machen.
- Der Satzbau ist meist einfach und parataktisch, was die zermürbende Regelmäßigkeit des Arbeitsablaufs unterstreicht. Die kurzen, oft abgehackten Sätze vermitteln die Zerrissenheit der Protagonistin und spiegeln ihre körperliche und geistige Erschöpfung wider.
- Die Erzählung ist in einem impressionistischen Stil verfasst, der den inneren Zustand der Protagonistin widerspiegelt.
- Janstein verwendet eine Vielzahl an stilistischen Mitteln, um die Gefühle und Empfindungen der Telefonistin darzustellen.
- Ein markantes Merkmal ist die Nutzung von kurzen, fragmentierten Sätzen, die die Hektik und den Druck ihrer Arbeitsumgebung widerspiegeln. Im ersten Absatz beispielsweise wird die Müdigkeit als „weiche Decke“ (Z. 2) beschrieben, was einerseits Geborgenheit verspricht, andererseits jedoch die lähmende Wirkung ihrer Routine impliziert.
- Die Wiederholung der Begriffe „Maschine“ und „Unerträglichkeit“ zieht sich durch den Text und verstärkt das Gefühl der Entfremdung (Z. 17, 14).
- Die Verwendung von Farben, wie die „kleinen, tückischen Augen“ der Lampen (Z. 16), vermittelt eine emotionale Intensität und unterstreicht die Überwältigung der Protagonistin durch die technische Umgebung. Auch die Bilder von Licht und Dunkelheit – das grelle, nackte Weiß der Lampen (Z. 18) im Gegensatz zu dem „braunen, stickigen Dunkel“ ihres Zimmers (Z. 1) – stehen symbolisch für den Konflikt zwischen innerer Welt und äußeren Anforderungen.
- Die „Müdigkeit“ wird als „weiche Decke“ (Z. 2) beschrieben, die abgeschüttelt werden muss. Dabei handelt es sich um eine Metapher, die das Gefühl von Geborgenheit und Schutz symbolisiert, das die Protagonistin im Schlaf empfindet, aber mit dem Aufstehen verliert. Der Druck im Hinterkopf wird mit einem „Fallbeil“ (Z. 6) verglichen, was die Schwere und Bedrohlichkeit des Kopfschmerzes verdeutlicht.
- In der Beschreibung der Lampen als „tückische Augen, blau, rot und [...] grelles Weiß“ (Z. 16) wird die Reizüberflutung durch eine Vermischung visueller und emotionaler Eindrücke greifbar gemacht (Synästhesie).
- Inhaltlich wird die Erzählung stark von der Thematik der Entfremdung geprägt. Von Beginn an zeigt sich die Protagonistin in einem Zustand der Erschöpfung und inneren Leere.
- Die Protagonistin leidet unter der monotonen, mechanischen Arbeit, die von ihr verlangt wird. Die Schilderung beginnt mit einem Weckerklingeln, das sie aus der schützenden Müdigkeit reißt (Vgl. 1-4.). Das „Rasseln des Weckers“ (Z. 1) signalisiert nicht nur den Beginn eines neuen Arbeitstags, sondern auch das Aufeinandertreffen mit den unerbittlichen Anforderungen der modernen Arbeitswelt.
- Bereits zu Beginn ist sie von körperlicher Erschöpfung gekennzeichnet („Druck im Hinterkopf“, Z. 5 f.) und die Arbeitsbedingungen erstärken dieses Gefühl. Die Arbeit am Telefon ist geprägt von einem endlosen Strom von Anrufen und einem Lichtermeer, das die Telefonistin wie „tückische Augen“ (Z. 16) angreift. Diese Reizüberflutung führt zu einer zunehmenden Entfremdung von der Arbeit und ihrem eigenen Körper, was durch die mehrfach wiederholte Bezeichnung „Maschine“ (Z. 17, 35) symbolisiert wird. Sie selbst ist Teil dieses maschinellen Systems, gefangen in einem Kreislauf der ständigen Reaktion und Automatisierung.
- Die kurzen Pausen bieten keine wirkliche Erholung. Der Pausenraum ist laut und riecht unangenehm nach Essen (Vgl. Z. 26 f.) und die Garderobe stellt nur einen Moment der Ruhe, in dem die Protagonistin von einer friedlichen Landschaft oder einem Strand träumt, doch selbst diese Wunschbilder erschienen ihr unerreichbar (Vgl. Z. 30-33). Der Arbeitsalltag ist geprägt von ständiger Unterbrechung durch das Signal der nächsten Schicht, das die Telefonistin ohne Erbarmen zurück an ihren Arbeitsplatz zwingt (Z. 34).
- Die Protagonistin träumt von „gütigeren Ländern“ und „Waldwegen“ (Z. 30), was ihre innere Flucht aus der bedrückenden Realität unterstreicht. Dieses Verlangen nach Rückzug und Ruhe steht im Konflikt mit der Erwartung, die an sie als Telefonistin gestellt wird. Ihre Erschöpfung gipfelt im Gefühl des „Nichtmehrkönnens“ (Z. 25), ein Ausdruck der existenziellen Krise, die viele Frauen ihrer Zeit empfanden, als sie versuchten, in einer sich rasant verändernden Welt ihren Platz zu finden.
- Im Verlauf der Erzählung steigert sich die Erschöpfung der Protagonistin zu einem Punkt, an dem sie kaum noch in der Lage ist, ihre Arbeit zu verrichten („die Hände zittern“, Z. 38). Schließlich erlebt sie eine Art Zusammenbruch: Eine „Mauer“ baut sich vor ihr auf, die sie von der Außenwelt abschneidet, bevor sie in einem fast mystischen Moment Sterne und einen wunderbaren Gesang wahrnimmt (Z. 40-43). Die Mauer symbolisiert die unüberwindlichen Hindernisse ihrer Existenz und die Isolation, die sie inmitten der Menschen und Maschinen erfährt. Ihr verzweifelter Wunsch, der grellen Realität zu entkommen, zeigt die Ohnmacht gegenüber den gesellschaftlichen Anforderungen und dem technologischen Fortschritt. Dieses Bild könnte als letzter Rückzugsort der Protagonistin interpretiert werden, ein symbolischen Entrinnen aus der unerträglichen Realität.
- Die Erzählung spiegelt den Umbruch um 1900 wider, in dem die Industrialisierung und der technische Fortschritt, insbesondere in den Großstädten, das Leben der Menschen massiv veränderten. Neue Berufe wie die Telefonistin entstanden, die Frauen zwar wirtschaftliche Unabhängigkeit boten, aber zugleich mit großen Belastungen einhergingen. Die Figur der Telefonistin verkörpert diesen modernen Beruf, der oft monoton, mechanisch und körperlich sowie geistig erschöpfend war.
- Die Rolle der Frau in der Arbeitswelt um 1900 war von Widersprüchen geprägt. Einerseits öffneten sich neue Möglichkeiten zur Erwerbsarbeit, andererseits blieben diese Berufe oft schlecht bezahlt und galten als wenig wertgeschätzt. Jansteins Schilderung des Arbeitsalltags der Telefonistin könnte als Kritik an den Arbeitsbedingungen und der damit einhergehenden Entmenschlichung gelesen werden. Die Protagonistin wird zu einem Zahnrad in einem riesigen, technisierten System, das sie entfremdet und ihrer eigenen Individualität beraubt.
- Die Erzählung stellt somit auch einen Bruch mit der traditionellen, häuslichen Rolle der Frau dar und verweist auf die neuen Herausforderungen, die die Moderne für Frauen mit sich brachte. Das Gefühl er Überforderung und Entfremdung, das die Protagonistin durchlebt, ist symptomatisch für viele Menschen in dieser Zeit, die mit der beschleunigten Industrialisierung und der immer komplexer werdende Technik konfrontiert waren.
Schluss
- In Die Telephonistin gelingt Elisabeth Janstein eine eindringliche Schilderung der Herausforderungen, mit denen Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts konfrontiert sind.
- Die formale Gestaltung der Erzählung spiegelt die innere Zerrissenheit und das Gefühl der Entfremdung der Protagonistin wider, während die inhaltliche Analyse die sozialen und psychologischen Dimensionen ihrer Existenz erhellt.
- Inmitten des Epochenumbruchs um 1900 wird deutlich, dass trotz technisch bedingter Fortschritte die Suche nach Identität und Selbstbestimmung oft von Leid und Isolation begleitet wird.
- Jansteins Darstellung lädt dazu ein, über die Bedingungen nachzudenken, unter denen moderne Lebensentwürfe entstehen, und appelliert an das Verständnis für die Situation der Frauen in dieser Zeit.
Teilaufgabe 2
Überleitung
- In der Erzählung Die Telephonistin von Elisabeth Janstein und dem Dramenfragment Woyzeck von Georg Büchner wird der arbeitende Mensch aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt, jedoch zeigen beide Werke Parallelen in der Beschreibung von Entfremdung, innerer Zerrissenheit und sozialen Missständen, die den Lebensalltag der Protagonisten prägen.
- Im Folgenden werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Texten analysiert.
Hauptteil
Gemeinsamkeiten- Entfremdung und Isolation: Sowohl Jansteins Telephonistin als auch Büchners Woyzeck sind Figuren, die sich in ihren jeweiligen Arbeitskontexten stark entfremdet fühlen. Die Telephonistin beschreibt schon zu Beginn der Erzählung eine „Müdigkeit“, die mit der Routine und dem monotonen Arbeitsalltag verbunden ist (Z. 2). Ihre Arbeit wird als erdrückend und qualvoll empfunden, was sich im ständigen Druck und der inneren Anspannung äußert. Ähnlich ist Woyzeck ein gefangener Mann, der von der Gesellschaft und seiner Arbeit als Soldat entpersonalisiert wird. Seine Identität wird durch die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen er lebt und arbeitet, gefährdet.
- Psychische Belastung: Beide Figuren erleben stark emotionale und psychische Belastungen durch ihre Arbeit. Die Telephonistin hat das Gefühl der Unerträglichkeit, das sich „zu einer schweren, kreisenden Kugel“ ballt (Z. 14), was ihre Ohnmacht gegenüber den Anforderungen der modernen Welt symbolisiert. Woyzeck hingegen ist unter dem Druck seiner Lebensumstände, seiner sozialen Isolation und dem Experiment, dem er unterzogen wird, zerbrochen. Seine psychische Verfassung leidet unter den ständigen Herausforderungen und dem Mangel an Kontrolle über sein eigenes Leben.
- Kritik an sozialen Missständen: Beide Texte üben eine gesellschaftskritische Haltung aus und zeigen die sozialen Missstände ihrer Zeit auf. Janstein thematisiert die Belastungen weiblicher Arbeitskräfte und die unangemessenen Arbeitsbedingungen in der modernen Telefonindustrie, während Büchner die Militärhierarchien und Klassenunterschiede anprangert, die Woyzeck als einfachem Soldaten auferlegt werden. Diese sozialen Themen lassen beide Werke in einem kritischen Licht erscheinen und reflektieren die Herausforderungen der Arbeiterschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
- Perspektive und Medium: Die Darstellung des arbeitenden Menschen erfolgt in unterschiedlichen literarischen Formen: Jansteins Text ist eine Prosaerzählung und fokussiert stark auf das innerliche Erleben der Protagonistin in ihrem spezifischen Arbeitsumfeld. Büchners Woyzeck hingegen ist ein Drama, das durch Dialoge und direkte Interaktion zwischen den Charakteren geprägt ist. Dadurch wird Woyzecks Konflikt und die gesellschaftliche Kritik direkter und in einer dynamischeren Weise vermittelt.
- Gender-Perspektive: Während Jansteins Protagonistin eine weibliche Figur ist, die in einer männerdominierten Arbeitswelt existiert, ist Woyzeck ein männlicher Protagonist, dessen Konflikte stark von den Erwartungen und Normen einer patriarchalen Gesellschaft geprägt sind. Janstein thematisiert die spezifischen Herausforderungen, mit denen Frauen in der Arbeitswelt konfrontiert sind, insbesondere im Hinblick auf körperliche und psychische Erschöpfung. In Woyzeck steht die männliche Identität und die Frage nach dem Wert des Lebens im Mittelpunkt, die durch soziale Hierarchien und eine aggressiv-maskulin Umwelt stark beeinflusst werden.
- Endpunkt der Zerrissenheit: Während die Telephonistin immer wieder in einen Zustand der Flucht und inneren Sehnsucht nach Ruhe und Erholung zurückkehrt (Z. 30), ist Woyzeck in einem fortschreitenden Zustand der Zerrüttung und schließlich in einer tragischen Spirale des Wahnsinns gefangen. Die Telephonistin träumt von einer besseren Welt, während Woyzecks Schicksal im Chaos endet, was die unterschiedliche Behandlung von Hoffnung und Verzweiflung in den beiden Texten deutlich macht.
Schluss
- Insgesamt verdeutlichen sowohl Elisabeth Jansteins Die Telephonistin als auch Georg Büchners Woyzeck die Herausforderungen und Missstände, die den arbeitenden Menschen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts prägen.
- Ihre Darstellungen von Entfremdung, psychischer Belastung und sozialen Ungerechtigkeiten weisen sowohl Gemeinsamkeiten als auch markante Unterschiede auf, insbesondere hinsichtlich der Perspektiven und der Geschlechterrollen, die sie repräsentieren.
- Beide Werke bleiben relevant und regen zur Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Arbeitswelt und der menschlichen Existenz an.