Teil B
Hinweis: Wähle von den drei vorliegenden Vorschlägen einen zur Bearbeitung aus. Die nicht ausgewählten Vorschläge werden 60 Minuten nach Beginn der Bearbeitungszeit von der Aufsicht führenden Lehrkraft eingesammelt.
Anmerkungen zum Autor:
Ödön von Horváth ist ein aus Österreich-Ungarn stammender deutschsprachiger Schriftsteller, dessen Texte häufig
eine sozialkritische Ausrichtung haben. Den Stoff für Horváths Bühnenstück „Die Bergbahn“ lieferte der Bau der Tiroler
Zugspitzbahn, die 1926 eröffnet wurde und deren Bau zahlreiche Unfallopfer forderte. Die Zugspitzbahn war für ihre Zeit
eine technische Meisterleistung und führte in fast 3000 Metern Höhe. Aus: Ödön von Horváth: Gesammelte Werke, Band 1, Frankfurt am Main 2. Aufl. 1972, S. 87–93.
Interpretation eines literarischen Textes mit weiterführendem Schreibauftrag
Thema: Soziales Drama Ödön von Horváth (* 1901 – † 1938): Die Bergbahn (1927) Aufgabenstellung:
1
Fasse den Inhalt des Auszugs aus Ödön von Horváths Drama „Die Bergbahn“ zusammen und analysiere die Szene. (Material)
(40 BE)
2
Vergleiche den Dramenauszug aus „Die Bergbahn“ (Material) mit Büchners sozialem Drama „Woyzeck“ unter besonderer Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse.
(35 BE)
3
„Das moderne Theater muß nicht danach beurteilt werden, wieweit es die Gewohnheiten des Publikums befriedigt, sondern danach, wie weit es sie verändert.“ (Bertolt Brecht, 1898–1956)
Beurteile, wie das Theater heute dieser Forderung Brechts gerecht werden kann.
Material
Die Bergbahn (1927)
Ödön von Horváth
(25 BE)
1
Moser, Reiter, Sliwinski, Simon ließen Oberle an einem Seile in den Abgrund, um den abgestürzten
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Schulz zu bergen.
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Maurer auf einem Gratzacken; ruft durch Handtrichter: Huuu! – Huuu! [...]
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Der Sturmstoß fegt vorüber.
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Maurer klettert vom Zacken herab.
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Xaver leise: Wie so an Unglück passiert –
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Maurer ebenso: Schnell!! Der Reiter hat a Klammer braucht, und der Oberle sagt zum Schulz: hol
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ane her! und der arm Teufl springt dahin, ganz eifrig, und schreit glei, ganz entsetzli, und runter is er a
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scho über d’Wand. So vierzig Meter. Und bloß ausgrutscht –
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Moser erregt; unterdrückt: Hörts! Stehts do net so rum! Der Oberle holt den scho rauf! Laufts um a
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Tragbahr und telefonierts um an Dokter! Zu!
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Hannes Da werd nimmer viel zum doktern sein.
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Moser Meinst?
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Hannes Ja. Der is hin. [...]
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Stille.
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Alle entblößen ihr Haupt.
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Hannes fällt langsam in die Knie, betet: Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiliget werde Dein
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Name –
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Moser unterbricht ihn: Verflucht! Ka Litanei, ka Rosenkranz! Der da drobn is taub für uns arme Leut!
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In weiter Ferne Donnerrollen.
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Ja, donnern, des kann der! Und blitzn und stürmen! Schreckn und vernichtn! – Was gedeiht, ghört net
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uns. Was ghört dem armen Mann? Wenn die Sonn scheint, der Staub, wenns regnet, der Dreck! Und
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allweil Schweiß und Blut!
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Ein leiser Wind hebt an, der allmählich zum Sturm wird.
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Ingenieur erscheint; atemlos; aufgeregt: Was ist hier los? Warum steht man so herum? Wer gab das
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Notsignal?
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Maurer I.
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Ingenieur Was ist denn geschehen?
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Oberle Still, Herr! Hier liegt a Toter.
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Ingenieur Wieso? Wo? Wer?
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Oberle Dort. Den Ihr gestern eingestellt habt, der Schulz.
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Ingenieur Scheußlich!
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Oberle Er is bloß gestolpert – über die Wand da. So vierzig Meter. Schweigen.
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Ingenieur Verdammt! Tja, da kann keiner dafür. – Wollen wir ihn ehren, indem wir geloben, ihm, der
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in Erfüllung seiner Pflicht fiel, nachzueifern, weiterzuarbeiten. – Ich muß unbedingt darauf bestehen,
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daß die Arbeit sofort wieder aufgenommen wird. Den Leichnam lassen wir bis zum Abend hier liegen
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und nun –
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Moser unterbricht ihn: Na, der werd zuerst nuntergtragn und aufbahrt. Nachher werd weitergschafft.
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Eher net!
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Ingenieur Hoppla! Hier hat nur einer zu befehlen, und das bin ich! Pflicht kommt vor Gefühlsduselei.
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Reiter Pflicht is, a Leich net liegn zu lassn, wie an verrecktn Hund.
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Ingenieur Ich verbitte es mir, über Pflicht belehrt zu werden! Merken Sie sich das, Sie! Ich habe mir
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mein Ziel erkämpft und pflege meinem Willen Geltung zu verschaffen. Und seis mit schärfsten Mit-
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teln!
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Simon Bravo! Bravo!
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Ingenieur Was soll das?
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Schweigen.
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Es wird weitergearbeitet. Mit Hochdruck und sofort. Los!
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Keiner reagiert.
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Schweigen.
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Hört: sollte das Wetter umschlagen und wir hätten die Vorarbeiten noch nicht beendet, – das Werk,
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der Bau, die Bahn ist gefährdet!
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Moser Sonst nix? Werd scho schad sein um die Scheißbahn! Sehr schad! Wer werd denn damit amü-
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siert? Die Aufputztn, Hergrichtn, Hurn und Wucherer! Wer geht dran zu Grund?! Wir!
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Simon Wir! Wir!
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Ingenieur höhnisch, doch etwas unsicher: So?
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Maurer Gfährdet ist bloß unser Lebn!
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Ingenieur Hier gibt es Hetzer?
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Reiter Und Ghetzte!
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Moser Und was is denn scho, wenns überhaupt kane Bahnen gibt?! Kamst um dei Seelenheil? Stürzet
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die Welt ein?!
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Ingenieur Unreifes Zeug, dummes!
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Reiter Wenn Sie, Herr, so a gscheits Genie san, so denkens halt mal an uns! Bauns ka Bergbahn!
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Bauns uns Häuser statt Barackn!
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Ingenieur Hier wird nicht geredet, hier wird gearbeitet! Ohne Kritik!
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Oberle Habt Ihrs net donnern ghört, zuvor?
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Ingenieur Quatsch! Quatsch! Ich kenne das Wetter! Das hält!
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Hannes lacht.
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Oberle Herr, i bin a alter Arbeiter und die Verantwortung –
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Ingenieur unterbricht ihn: Nur keine Anmaßung! Die Verantwortung trage ich. Nur ich.
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Es donnert.
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Stille.
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Hm. Jetzt dürfte sich manches geändert – Grinst nur, grinst! Ja, jetzt könnt ihr den aufbahren. Alles
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aufbahren! Auch euch selbst! Er will absteigen.
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Maurer Halt! An Augenblick! Darf man fragn, obs stimmt, daß wir ghetzt werdn? Und daß es ganz
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gleich is, ob wir runterfalln, wenn nur des Kabel herobn hängt, bevors Wetter umschlagt? Und daß
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wir, wanns umgschlagn hat, fortgtriebn werdn –
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Ingenieur unterbricht ihn: Jetzt könnt ihr gehen!
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Maurer Wohin?
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Ingenieur Die Arbeit ist eingestellt. Alles ist eingestellt. Ihr seid entlassen.
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Maurer Habts es ghört?! Habts es ghört?
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Reiter Des hättns uns scho sagn können!
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Sliwinski Solln!
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Simon Müssn!
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Maurer Lügner! Lügner!
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Reiter Jetzt kriegst nirgends Arbeit! Jetzt nimmer!
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Ingenieur Wer arbeiten will, der kann! Jetzt und immer!
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Simon applaudiert.
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Wird immer erregter. Hört! Ich habe alles verlassen, um mein Ziel zu erreichen! Ich habe in Baracken
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gehaust –
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Moser Wir habn no nie anderswo ghaust!
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Ingenieur – ich habe verzichtet, ich habe im Schatten geschuftet an dem Werk!
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Sliwinski Im Schattn deiner Villa!
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Ingenieur Ich habe keine Villa!
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Simon Aber a Wohnung hast! Unds Fressn hast! Und an Mantl, wanns di friert! Ists wahr oder net?
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Ingenieur Ich werde mir erlauben, eine Wohnung zu besitzen! Doch ich hätte auch hungernd und frie-
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rend an meinen Plänen gearbeitet – Er hält plötzlich verwirrt die Hand vor die Augen. Aber ich habe
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ohne den lieben Gott kalkuliert. Allerdings, ja, jetzt schlägt das Wetter um –
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Maurer Also, weil Sie Herr sich verrechnet habn, drum stehn wir da, mittn im Winter! Ohne Dach,
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ohne Holz, ohne Brot!
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Simon A jeder redt si aufs Wetter naus, aber kaner rechnet damit!
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Hannes Die ganzn Plän san halt falsch.
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Ingenieur Was?! Kritik? Kritik! Du Trottel! Ungebildetes Pack erlaubt sich –
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Xaver unterbricht ihn: Ohne uns Pack, was war denn dei Werk?! Bloß a Plan! Papier! Papier!!
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Stille.
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Ingenieur geht langsam auf Xaver zu und hält dicht vor ihm; fixiert ihn; plötzlich schlägt er ihm vor
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die Brust, daß er zurücktaumelt.
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Stille.
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Ingenieur verliert die Nerven: Jetzt könnt ihr gehen! Verschwindet! Marsch!
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Oberle Wohin!?
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Ingenieur Was weiß ich?! Wohin ihr wollt! Wohin ihr könnt! Wohin ihr gehört! Zum Teufel!
Anmerkungen zum Autor:
Ödön von Horváth ist ein aus Österreich-Ungarn stammender deutschsprachiger Schriftsteller, dessen Texte häufig
eine sozialkritische Ausrichtung haben. Den Stoff für Horváths Bühnenstück „Die Bergbahn“ lieferte der Bau der Tiroler
Zugspitzbahn, die 1926 eröffnet wurde und deren Bau zahlreiche Unfallopfer forderte. Die Zugspitzbahn war für ihre Zeit
eine technische Meisterleistung und führte in fast 3000 Metern Höhe. Aus: Ödön von Horváth: Gesammelte Werke, Band 1, Frankfurt am Main 2. Aufl. 1972, S. 87–93.
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Teilaufgabe 1
Vorarbeit
-
Lies dir den Text zunächst aufmerksam durch und markiere Satzteile oder Wörter, die dir auffallen. Auch hilft es, wenn du dir stichwortartig Notizen zum Thema des Textes machst.
Überleitung
- Der vorliegende Textausschnitt stammt aus dem Stück Die Bergbahn, geschrieben von Ödön von Horváth und im Jahr 1927 veröffentlicht.
- Der Autor ist für seine gesellschaftskritischen Themen in seinen Werken bekannt, die er so realistisch wie möglich schildert. Auch der Textauszug zielt auf das Aufzeigen von zeitgenössischen, gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten insbesondere in Bezug auf den kleinbürgerlichen Gesellschaftsstand ab.
- Thematisiert wird das zwischenmenschliche Miteinander zwischen einem Arbeitgeber und seinem Arbeiter vor dem Hintergrund des Baus einer Zugspitzbahn.
Hauptteil
Inhaltszusammenfassung- Die Ausgangssituation stellt eine Gruppe von Arbeitern kurz vor Wintereinbruch dar. Sie befinden sich in einer alpinen, stürmischen Gegend.
- Die Arbeiter werden namentlich eingeführt und heißen Moser, Reiter, Sliwinski, Simon, Maurer, Hannes, Oberle und Schulz.
- Schulz, einer der Arbeiter scheint ausgerutscht und in Folge dessen den 40 Meter tiefen Abgrund herunter gestürzt zu sein. Oberle wird von den anderen Männern der Gruppe an einem Seil heruntergelassen, um den Verunglückten zu bergen (vgl. Z. 8 ff.).
- Die Arbeiter reagieren unterschiedlich auf das Unglück. Während Moser zuversichtlich einen Arzt zur Hilfe rufen möchte (vgl. Z. 12), glauben die restlichen Arbeiter nicht mehr an eine Rettung (vgl. Z. 13 ff.).
- Nach einer kurzen Stille entblößen die Männer ihr Haupt zu Ehren des Verunglückten (vgl. Z. 17). Hannes beginnt in Trauer ein Gebet zu sprechen, wird jedoch von Moser unterbrochen (vgl. Z. 20)
- Daraufhin trifft der Ingenieur aufgrund des ausgelösten Alarms aufgebracht zur Arbeitergruppe hinzu und erkundigt sich, wer von seinen Arbeitern das Notsignal ausgelöst hat.
- Trotz des geschehenen Unglücks mit Schulz erwartet der Bauchef von seinen Arbeitern, sich weiter an ihre Arbeit zu machen und den Toten zunächst liegen zu lassen (vgl. Z. 18 f.).
- Hingegen verlangen die Arbeiter so vorzugehen, wie es bisher gehandhabt wurde und den Toten zunächst ins Tal zu bringen, bevor sie ihre Arbeit weiter fortführen (vgl. Z. 40 ff.)
- Die Arbeiter versuchen ihren Bauchef eines Besseren zu belehren, was sich dieser jedoch nicht gefallen lässt. Zunehmend eskaliert der Konflikt, in dem sich beide Parteien gegenseitig demütigen.
- Dem Donnern, welches auf einen möglichen Wetterumschwung hindeutet entgegnet der Bauchef gelassen. Nach wiederholtem Donnern werden die Arbeiten jedoch eingestellt und die Arbeiter werden auf Maurers Nachfrage, ob nach dem Abschluss des Baus alle Arbeiter gehen müssen, entlassen (vgl. Z. 83).
- Darauf reagieren die Arbeiter mit Wut und Hass. Unbeherrscht stößt der Bauchef den Arbeiter Xaver und befiehlt den restlichen Arbeitern zu gehen (vgl. Z. 117)
- Der Autor stellt ein zur damaligen Zeit übliches Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar, welches er innerhalb seines Textauszugs kritisiert. Im Vordergrund steht die Ausbeutung von Arbeitskräften. Die Arbeiter fungieren als die Knechte eines einzig kapitalistisch denkenden und stark autoritären Bauchefs.
- Die auftretenden Arbeiter des Bergbaus weisen spezifische Charakteristika auf und unterscheiden sich demnach in ihrer verwendeten Sprache und ihrem Verhalten. Die Arbeiter treten als Individuen auf. Diese Tatsache steht im Kontrast zum konformen und entindividualiserten Gesellschaftsbild zu dieser Zeit. Einzig und allein die gemeinsame Arbeit und der Hass gegenüber ihrem Arbeitgeber sowie ihre volksnahe, zeitweise dialektale Sprache verbindet sie als Gruppe.
- Die volksnahe Umgangssprache sorgt für Lebensnähe und Authentizität im Text.
- An dieser Stelle sei ebenfalls gesagt, dass selbst der Bauchef höchstpersönlich im Gegensatz zu seinen eigenen Arbeitern keinen Eigennamen trägt. Dies mag von Horváth durchaus bewusst intendiert sein, da somit der Hauptfokus auf seiner Funktion als befehlender Bauingenieur steht. Es handelt sich somit weniger um eine Figur, die individuell auftritt, sondern funktionalisiert ist.
- Im Textauszug tauchen ausschließlich männliche Figuren auf, die einer sozialen bzw. gesellschaftlichen Schicht entstammen. Es handelt sich um sehr einfache Männer aus der unteren gesellschaftlichen Schicht (Kleinbürgertum). Der Leser erlebt sie als bemitleidenswerte und innerliche, jedoch auch brutale Figuren.
- Innerhalb seines Textes möchte der Autor das thematisierte Gesellschaftsbild bewusst nicht beschönigen, sondern es möglichst realitätstreu und damit auch authentisch nachbilden.
- Die Nachkriegszeit ist von gesellschaftlichen und persönlichen Miseren geprägt. Ein Wirtschaftsaufschwung in der Mitte der 1920er-Jahre sorgt bei den meisten Menschen für finanzielles Aufatmen. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit scheint zunächst in den Hintergrund zu gelangen, doch die sich etablierende Vorstellung von Kapitalismus steht im Licht von Egoismus, Macht, Prestige und Geldgier und steht damit auch über der Menschlichkeit.
- Horváths Kritik am Arbeitsverhältnis beinhaltet somit zwingend auch eine generelle Gesellschaftskritik.
- Hinterfragen und Kritikäußerung seitens der Arbeiter werden nicht geduldet, wie es der Bauchef seinen Arbeitern mit folgenden Worten klar macht: „Was?! Kritik? Kritik! Du Trottel! Ungebildetes Pack erlaubt sich -“ (Z. 110). Es sind jedoch gerade die Arbeiter, welche die Kodizes der unmoralischen Gesellschaft aufdecken.
- Dies wird dem Bauchef auch zunehmend bewusster, was an seiner Unsicherheit (vgl. Z. 60) und späteren Resignation (vgl. 102 ff.) erkennbar ist. Am Ende geht es nicht mehr allein um die Existenz seiner Arbeiter, sondern auch er selbst befindet sich in einer Misere. Dass er diese Einsicht jedoch erst im Moment seiner eigenen Notlage verspürt, unterstreicht seinen Egoismus.
- Stellenweise schweigen die Arbeiter als Reaktion auf das Gesagte ihres Bauchefs (vgl. Z. 50, 53). Das Schweigen steht im Zusammenhang mit dem Leisten von Widerstand. Die Arbeiter möchten sich nicht damit zufrieden geben, dass sie ungerecht behandelt werden.
- Die häufig einsetzende Stille erzeugt Spannung sowie Momente der Starre und des Schreckens (vgl. Z. 16). Solche Momente findet man beim Unglück von Schulze oder auch beim plötzlichen Einsetzen des Donners (vgl. Z. 17).
- Eine besondere Bedeutung ist außerdem dem Wetter und seiner Wirkung zuzuschreiben. Die Aussage des Bauchefs: „Aber ich habe ohne den lieben Gott kalkuliert.“ (Z. 104) deutet auf die Macht einer höheren Position hin, die am Ende eine Art Urteil spricht. Auch der Bauchef kann am Ende keine eigenständige Entscheidung mehr treffen. Alles steht und fällt mit dem Wetter und somit geht auch er letztendlich als Verlierer.
Teilaufgabe 2
Parallelen zu „Woyzeck“- Wie bereits gesehen, taucht der Bauchef in „Die Bergbahn“ als typisierte bzw. funktionalisierte Person auf. Diese Herangehensweise fällt auch in Büchners „Woyzeck“ auf. Sowohl der Hauptmann, als auch der Doktor tauchen namenlos auf. Im Gegensatz dazu tragen der Protagonist sowie die Nebenfiguren Eigennamen.
- Der Doktor verachtet, der Hauptmann demütigt und verhöhnt Woyzeck. Egoistische Tendenzen, Herrschaftsansprüche und Machtbestreben ohne Rücksicht auf Verluste treiben die beiden Figuren an. Sie zeichnen sich durch Boshaftig- und Kaltblütigkeit aus.
- Büchner stellt in seinem Werk die Gesellschaftskritik, die mit einer Kritik gegenüber dem damaligen Arbeitsverhältnis einhergeht, in den Vordergrund. Der Autor geht davon aus, dass Armut Unfreiheit begünstigen würde.
- Büchner konstatiert, dass der Mensch sein eigenes Schicksal nicht selbst bestimmen kann, sondern es er- bzw. durchleiden muss.
- Die Armut sei der Massenarmut geschuldet, die wiederum für das enorme Machtgefälle zwischen arm und reich innerhalb der Gesellschaft verantwortlich ist.
- Dieses Machtgefälle hat insbesondere für die untere soziale Schicht und ihre Individuen verheerende Folgen: Verspottung, Demütigung und Unterdrückung innerhalb der Gesellschaft; weniger Rechte als Personen höheren gesellschaftlichen Standes; fremdbestimmte, zweckmäßig ausgeführte Lohnarbeit; physische und psychische Belastung durch die Arbeit, die somit schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Leben des Arbeiters hat
- Die volksnahe, teilweise dialektal geprägte, authentische Umgangssprache und die enorm realistischen Züge kennzeichnen beide Werke. (Gesellschaftskritik)
- Der Protagonist Woyzeck gehört zu der unteren gesellschaftlichen Schicht, wie es auch bei den Arbeitern der Fall ist.
- Die Menschen fungieren als Mittel zum Zweck. Persönliche Bedürfnisse und die Einhaltung von Menschenrechten gelangen dabei in den Hintergrund.
- Das Schweigen bei den Arbeitern in „Die Bergbahn“ steht für Widerstand. Hingegen steht die Sprachlosigkeit der unteren Gesellschaftsschicht bei „Woyzeck“ für die Unfähigkeit und fehlende Freiheit bzw. das fehlende Recht, auf sich aufmerksam machen zu dürfen. Sie haben kein Mitspracherecht in der Gesellschaft und sehen diesen Zustand als ausweglos an.
- Woyzeck hegt den Wunsch nach Zugehörigkeit zu den oberen sozialen Schichten und sehnt sich nach Befreiung aus den Zwängen und Restriktionen der Gesellschaft. Er leidet unter der Unterdrückung und Demütigung innerhalb der Gesellschaft. Die Arbeiter in „Die Bergbahn“ decken die Lügen der Gesellschaft auf, sie werden zunehmend aktiver und mutiger und stellen ihren boshaften Bauchef als Repräsentant der ungerechten und autoritären Arbeitgeber gekonnt zur Rede.
- Beide Autoren stellen die Gesellschaftskritik in den Vordergrund ihrer jeweiligen Werke.
- Die Werke geben den einfachen, armen und unterdrückten Menschen der Gesellschaft eine Stimme, sie lassen sie in ihrer einfachen Sprache zu Wort kommen.
- Es lassen sich jedoch Unterschiede feststellen in Hinsicht darauf, ob die Menschen ihre Stimme „nutzen“ oder doch aufgrund von Unterdrückung in Resignation verfallen und somit verstummen. Man könnte jedoch auch sagen, dass die Personen niederen und somit auch bildungsfernen Standes bei Brecht nicht die Fähigkeit haben, sich konkret mitzuteilen.
Teilaufgabe 3
Dramaturgischer Hintergrund und Erläuterung des Brecht-Zitats- Sowohl Horváths mit seinen Volksstücken als auch Brechts Dramaturgie entstammen der gleichen Zeit.
- Bertolt Brecht übte in seinen Werken Kritik an den gesellschaftlichen Missständen und Strukturen aus. Die Themen, die er in seinen Werken (offene Dramen) behandelte, waren nicht unumstritten und trafen nicht selten auf Protest.
- Charakteristisch für seine Texte ist, dass sie erschreckend und schockierend geschrieben sind und die Funktion hatten, die Menschen wachzurütteln, sie über missliche politische, soziale und wirtschaftliche Situationen zu informieren und sie weiterhin zu belehren. Er verleiht seinen Texten eine Kritikfunktion und sorgte für eine kritische Distanz zwischen Rezipient und erzählendem Stück (Verfremdung). Keinesfalls sollte es zu einem Mitgefühl und einer Entstehung von Illusion seitens der Zuschauer kommen.
- Auf diese Kritik- und Erziehungsfunktion zielt die vorliegende These von Brecht. Die Vorstellung des epischen Theaters wird hier auf das moderne Theater im Allgemeinen generalisiert. Laut Brecht soll das moderne Theater nicht auf die Befriedigung banaler Gewohnheiten abzielen (Unterhaltungsfunktion und Spaßfaktor), sondern das Publikum zum aktiven und reflektierten Mitdenken und Handeln bewegen (didaktische Erziehungsfunktion) und es somit verändert.
- Das moderne Theater in unserer heutigen Zeit kann der Forderung Brechts nur teilweise gerecht werden. Unterschiedliche Genres des Theaters wie Tragödie oder Komödie erzielen im besten Fall unterschiedliche Wirkungen. Das Theater, wie wir es heute kennen, kann belehren und zum reflektierten Nachdenken anregen, muss dies jedoch nicht zwingend.
- Das Theater als Theaterspiel (das Zurschaustellen der Darsteller) erfüllt ebenso häufig die Funktion der Unterhaltung und des Vergnügens bei seinen Rezipienten und man könnte sich zu Recht die Frage stellen, ob überhaupt die Notwendigkeit besteht, dass modernes Theater ausschließlich belehren sollte.
- Darüber hinaus zeigt das Theater nicht selten eine Durchmischung unterschiedlicher Genres. Es lassen sich nicht immer scharfen Trennungen vornehmen. Ein Theaterstück kann bspw. sowohl belehren als auch unterhalten und demnach ist das Abweichen in die Extreme in Entweder-Oder nicht mehr zeitgemäß. Die didaktische Funktion des modernen Theaters sollte demnach genauso wenig unterschätzt werden.
- Außerdem sollt man festhalten, dass die Form, Genres und auch die szenische Darstellung des Theaters über die Jahrhunderte hinweg durchgehend Veränderungen unterworfen ist. Auch die Rezipientenwirkung des Theaters ist nicht als ein starres, unveränderliches Konstrukt zu sehen. Diese Veränderungen sind auch heute noch zu beobachten und das ist in keinem Fall negativ zu bewerten. Theater sollte als Kultform mit der Zeit gehen.
- Je nach Rezipient lassen sich häufig auch unterschiedliche Wirkungen erkennen. Eine allgemeine Wirkung zu intendieren, die für jeden Zuschauer zutrifft, lässt sich häufig nicht in die Praxis umsetzen. Reaktionen des Publikums sind individuell und nicht immer vorhersehbar.