Teil C
Analyse eines Sachtextes mit weiterführendem Schreibauftrag
Thema: Macht uns Bildung zu besseren Menschen? Jan Roß (* 1965): Macht mich Bildung zum besseren Menschen? (2020) Aufgabenstellung:
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Gib Jan Roß’ Auffassung von Bildung im vorliegenden Essay wieder und analysiere die sprachlich-formale Gestaltung des Textes. (Material)
(30 BE)
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Erläutere, ausgehend von Roß’ Text, welche Rolle Bildung für die Figuren Wagner, Faust und Margarete aus Goethes Drama „Faust I“ spielt.
(45 BE)
3
„Bei der Frage, welche Medien bildungstauglich sind, soll man nicht kleinlich sein.“ (Material)
Diskutiere, inwiefern Literatur und andere Medien heute noch eine bildende Funktion im Sinne von Roß haben können.
Material
Macht mich Bildung zum besseren Menschen? (2020)
Jan Roß
(25 BE)
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Während meiner Zeit als Korrespondent in Indien bin ich zahllosen Bettlern begegnet. Manchmal habe
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ich ihnen ein bisschen Geld gegeben, manchmal ärgerte ich mich über sie, weil ich sie zudringlich
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fand. Aber an den allermeisten bin ich vorbeigegangen. Das passiert natürlich auch in Deutschland, in
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jeder großstädtischen Fußgängerzone. Doch in einem Land wie Indien, wo die Armut trotz aller wirt-
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schaftlichen Entwicklung immer noch allgegenwärtig ist, fällt einem die eigene Fähigkeit zur Achtlo-
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sigkeit, zur Wahrnehmungsverweigerung besonders drastisch auf. Man blickt von den Armen nicht
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einmal mehr weg, man sieht einfach durch sie hindurch.
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Zufälligerweise las ich zur selben Zeit, in der ich mich in Indien einlebte, ein dickes, altes europäi-
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sches Buch, einen Klassiker: den Roman Bleakhaus des englischen Erzählers Charles Dickens aus
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dem Jahr 1853. Eine spannende Geschichte aus dem nebelverhangenen viktorianischen London. Halb
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Krimi, halb Sozialkritik, voller unvergesslicher Charaktere.
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Eine der Romanfiguren ist der Straßenkehrer Jo, noch ein halbes Kind, so schmächtig, verschüchtert
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und elend, dass er nicht einmal einen Nachnamen angeben kann, wenn er gefragt wird, und gewisser-
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maßen nur aus zwei Buchstaben besteht. Das Verrückte ist nun: An diesem literarischen Betteljungen
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konnte ich, im Unterschied zu den lebenden Bettlern draußen in der Stadt, nicht vorbeisehen. Er ist aus
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der Geschichte nicht wegzudenken, Dickens hat ihn mit dutzenderlei Fäden in die Handlung hineinge-
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näht. Wer Bleakhaus liest, muss sich auch mit Jo befassen. Ich konnte den Band natürlich zuschlagen
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und weglegen, aber solange ich meinen Kopf in das Buch steckte, war Jo da. Ich musste seinen ge-
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stammelten, sprachlich unkorrekten Sätzen mit Geduld zuhören. Ich musste mitansehen, wie er von
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der Polizei als unerwünschter Obdachloser von Ort zu Ort gescheucht wird, wie er vor Gericht nicht
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als Zeuge erscheinen darf, wie er schließlich an den Pocken stirbt, die in den Londoner Slums ausge-
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brütet werden. Ich konnte das alles nicht ausblenden: Augen, die zum Lesen geöffnet sind, lassen sich
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für die Vorstellungskraft nicht schließen. Mein Lektüreerlebnis war gespenstisch, aber auch ein Wun-
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der: Ein fiktiver Charakter aus einem mehr als 150 Jahre alten Buch war für mich wirklicher als die
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tatsächlichen Leute vor meiner Haustür. Oder, anders und optimistischer gesagt: Ein Kunstwerk, ein
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klassischer Roman – ein Bildungsgut –, zwang mich unerbittlicher, die Realität der Armut zur Kennt-
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nis zu nehmen, als die Realität selbst es vermochte.
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Macht uns Bildung zu besseren Menschen? Was für eine ungewohnte Frage das ist – altmodisch, idea-
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listisch, naiv, beinahe peinlich. Das ist nicht die Art, wie wir normalerweise über dieses Thema reden.
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Bildung steht offiziell hoch im Kurs, als Fundament der modernen Wissensgesellschaft; die Diskus-
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sion geht dann gleich in die Details: acht oder neun Jahre Gymnasium, mehr Digitalisierung oder mehr
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Latein. Aber ist das alles? An Bildung richten sich Erwartungen, Sehnsüchte, die durch keine Kultus-
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bürokratie und kein Reformexpertentum zu befriedigen sind. Wenn sie mehr sein soll als Information
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oder Training, mehr als bloß Karrierevehikel oder Statusmerkmal, sondern eine Lebensbegleiterin,
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dann landet man irgendwann bei dieser Frage: Macht uns Bildung zu besseren Menschen?
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Und die erste schnelle, selbstverständliche, fast aus dem Rückenmark schießende Antwort lautet:
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Nein. Wir alle kennen belesene, kunstsinnige und intellektuell brillante Wichtigtuer, Egoisten oder Zy-
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niker. [...] Wir kennen den „Bildungsdünkel“: ein klassenmäßiges bürgerliches Ausschlusskriterium,
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um „die da unten“ und „die da draußen“ von der besseren Gesellschaft fernzuhalten. Der Anspruch auf
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Bildung ist oft von der Giftwolke der Arroganz umgeben, wenn nicht von angemaßtem Herrenmen-
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schentum. Umgekehrt gibt es eine Menge Leute, die den Namen „Shakespeare“ zwar nicht einmal
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buchstabieren können – denen aber seelisch und charakterlich nicht das Mindeste fehlt. Ein gebildeter
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und ein guter Mensch zu sein, also Geistesbildung und Herzensbildung – die beiden Eigenschaften ha-
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ben offenbar nur sehr bedingt miteinander zu tun. [...]
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Und trotzdem ist das nicht die ganze Wahrheit. Dass Bildung moralische Kraft besitzt, ist keine kom-
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plette Illusion oder ideologische Phrase. [...]
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In der Horizonterweiterung steckt [...] die Ethik der Bildung. Bildung tritt dem Vergessen entgegen
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und hält die Vergangenheit gegenwärtig. Sie konfrontiert uns mit dem Fremden und anderen, mit
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Ideen, auf die wir selbst nicht gekommen wären, und mit Weltbildern, die uns irritieren. Das gilt nicht
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nur für die Literatur – obwohl sie vielleicht eine gewisse Sonderrolle spielt, als kulturelle Erbin des
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Erzählens, jener Urform, in der die Menschheit ihre Neuigkeiten austauscht und weitergibt. [...] Bei
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der Frage, welche Medien bildungstauglich sind, soll man nicht kleinlich sein.
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Entscheidend ist: Geisteswerke schicken uns auf intellektuelle Abenteuer und machen uns mit außer-
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ordentlichen Frauen und Männern bekannt [...]. Sie brechen den Käfig unserer Routine und Be-
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schränktheit auf, sie erweitern unser Einfühlungsvermögen und unsere moralische Fantasie. Bildung
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ist das Gegenprogramm zu einer Mentalität, die satt und träge um sich selbst kreist. Zum geistigen und
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seelischen Daumenlutschertum. Zum Narzissmus.
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In der Welt der Bildung funktioniert dieser bequeme Rückzug auf das, was naheliegt und uns in den
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Kram passt, dagegen nicht. Nicht nur, weil sie uns unbehagliche Situationen zumutet. Das ganze Prin-
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zip und System Bildung beruht, wenn man so will, auf der Relativierung unserer Vorlieben und unse-
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rer Selbstgenügsamkeit, es steht in entschiedenem Gegensatz zu der Vorstellung, dass wir das Maß
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aller Dinge seien. [...] [D]as Grundgesetz des Bildungsuniversums lautet, dass man nie der Erste und
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nie der Einzige ist, dass die Welt nicht bei null und nicht mit mir selbst anfängt, dass man etwas vor-
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findet, an dem man sich abarbeiten muss. Das hilft schon ein bisschen gegen Selbstüberschätzung.
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Diese Konfrontation mit dem Unverlangten, mit dem, was wir uns selbst nicht ausgesucht hätten, ist
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eines der wichtigsten Bildungserlebnisse. Für den Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts sind die Figuren
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der literarischen Klassiker oder vergangener Epochen weit weg. Man könne sich mit ihnen nicht iden-
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tifizieren, heißt es, man finde sich in ihnen nicht wieder. [...]
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Wer [...] von vornherein immer und überall nur sich und seine Welt „wiederfinden“ und sich mit al-
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lem „identifizieren“ will, bleibt nicht bloß intellektuell beschränkt. Der schlimmste Feind – der wahre
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Gegenspieler – des gebildeten Menschen ist nicht der Barbar: Es ist der Spießer, der alles auf sich be-
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zieht, alles schon zu wissen meint und selbstzufrieden in seinem Denken und Dasein ruht.
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„Bildungsrelevant“ ist daher nicht einfach das Interessante und Wichtige – sondern vor allem das, was
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uns infrage stellt. [...] Bildung zieht uns den Schnuller der Egozentrik aus dem Mund.
Anmerkungen zum Autor:
Jan Roß (1965), deutscher Journalist und Autor, seit 1998 Redakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“. Aus: DIE ZEIT Nr. 4/2020 am 16. Januar 2020, letzter Zugriff am 21.01.2020.
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Vorarbeit
-
Lies dir den Text zunächst aufmerksam durch und markiere Satzteile oder Wörter, die dir auffallen. Auch hilft es, wenn du dir stichwortartig Notizen zum Thema des Textes machst.
Einleitung
- Der vorliegende gekürzte Textauszug mit dem Titel Macht mich Bildung zum besseren Menschen aus der Wochenzeitung Die Zeit stammt von dem Autor Jan Roß aus dem Jahr 2020.
- Es handelt sich um einen Essay, der auf provokative und kritische Weise den gebräuchlichen Bildungsbegriff in Frage stellt und damit seine Leserschaft zu Reflexion und Kritik anregen möchte.
- Der Autor stellt einen tieferen Bildungsbegriff auf und möchte anhand praxisnaher Beispiele von seiner persönlichen Erwartung an heutige Bildung überzeugen.
Inhaltliche Analyse
- Jan Roß möchte sich von einem Bildungsbegriff im Sinne einer Anhäufung von Wissen, ohne über das Gelernte nachzudenken distanzieren. Stattdessen bevorzugt er einen Bildungsbegriff, der „mehr als Information oder Training, mehr als bloß Karrierevehikel oder Statusmerkmal“ (Z. 33f.) ist. Der Autor kritisiert, dass Bildung keine „moralische Kraft“ (Z. 45) besitzt.
- Er wünscht sich Bildung als eine Art Lebensbegleiter. Bildung macht einen Menschen laut Roß, erst dann zu einem besseren Menschen, wenn sie eine ethisch-moralische Funktion (vgl. Z. 55 ff.) erfüllt und man sich der „Ethik der Bildung“ (Z. 47), in welcher die Erweiterung des eigenen Horizonts (vgl. Z. 47) besteht, bewusst wird und sie in die Tat umsetzt.
- Im Gegensatz dazu kritisiert er den Umgang der „modernen Wissensgesellschaft“ (Z. 30) innerhalb des schulischen bzw. universitären Kontextes. (Vgl. Z. 30 ff.) Bildung steht hier oft in Zusammenhang mit „Arroganz“ (Z. 40) und „angemaßtem Herrenmenschentum“ (Z. 40 f.).
- Ebenfalls lehnt er die Vorstellung, sich von Egoismus getrieben durch Bildung von anderen Menschen abzugrenzen, vehement ab. Hingegen betont er die Wichtigkeit von Empathie, den achtenden Umgang mit dem Gegenüber (vgl. Z. 55 ff.), um von einem ständigen "um sich selbst kreis[en]“ (Z. 56) und der eigenen „Selbstüberschätzung“ (Z. 64) wegzukommen und die eigenen „Vorlieben“ (Z. 60) sowie die eigene „Selbstgenügsamkeit“ (Z. 61) zu relativieren.
- Eine besondere Bedeutung auf dem Weg zu ethischem Handeln und zur Erweiterung des eigenen Horizontes schreibt der Autor der Bildung durch Literatur zu. Durch die Auseinandersetzung mit Schicksalen und Lebenssituationen anderer Menschen in Erzählungen stärkt man sein ethisch geleitetes Verhalten. Bildung sollte eben gerade nicht darin bestehen, sich auf sein eigenes Wissen als das „Beste“ zu beschränken und davon auszugehen, man selbst sei immer das „Maß aller Dinge“ (Z. 60 f.). Sonst würde man ein egoistischer „Spießer“ (Z. 71) sein und bleiben, statt über den Tellerrand hinauszuschauen.
Formale Analyse
- Der Text verfolgt eine klare und sinnvolle Struktur, die sich jedoch erst im Laufe des Textes für den Leser als diese ergibt. Durch die Erfahrungen des Autors im Kontakt mit Armut in Großstädten wird zunächst das Interesse des Lesers geweckt, da man sich die Frage stellt, inwiefern die persönliche Anekdote mit dem prophezeiten Thema Bildung des Titels in Zusammenhang steht.
- In einem zweiten Schritt setzt Roß seine eigenen Erfahrungen mit Armut, mit dem Verhalten der fiktiven Figur Jo im Werk Bleakhaus ins Verhältnis. Für ihn war der fiktive Charakter von Jo sogar „wirklicher als die tatsächlichen Leute vor [s]einer Haustür“ (Z. 24 f.) und somit fungierte die Figur für ihn als Vorbild und zwang ihn, „die Realität der Armut zur Kenntnis zu nehmen“ (Z. 26 f.).
- Nach dieser Einführung weist der Autor auf die Wichtigkeit, sich mit der Frage „Macht uns Bildung zu besseren Menschen?“ (Z. 28, 35) zu beschäftigen, bevor er den gebräuchlichen Begriff von Bildung kritisiert und diesen im Anschluss mit seinem eigenen moralisch-ethisch geleiteten Verständnis von Bildung beiseite schafft. (vgl. Z. 45 ff.)
- Durch die Verwendung von Parataxen kann man der Argumentation als Leser gut folgen (vgl. Z. 47 ff.). Die einzelnen Abschnitte mit jeweils einem Gedankengang innerhalb der Argumentation des Autors erleichtern das Verständnis ebenfalls.
- Durch die verwendeten Stilmittel wie Wiederholung (vgl. Z. 28, 35), Klimax (vgl. Z. 36) und Correctio (vgl. Z. 70) verstärkt er seine Argumentation, bestätigt sich selbst und wirkt überzeugend. Die vorhergehende Anekdote suggeriert Authentizität und ermöglicht eine Identifikation für den Rezipienten.
- Durch zahlreiche Metaphern (z. B. Z. 47, Z. 57) gelingt es Roß, seine Kritik und Ablehnung gegenüber dem gebräuchlichen Bildungsbegriff erfolgreich deutlich zu machen.
Schluss
- Der Autor stellt einen differenzierten, weitreichenden und vermutlich auch zeitgemäßeren Bildungsbegriff mit aktuellem Gehalt dar, durch denen sich womöglich nicht zuletzt aufgrund der ansprechenden Argumentation des Autors viele Menschen angesprochen fühlen.
- Die Frage „Macht mich Bildung zu besseren Menschen?“ aus dem Titel muss mit Nein beantwortet werden, wenn sich der gebräuchliche Bildungsbegriff nicht ändert. Bildung macht uns nicht zu besseren Menschen und ein gebildeter Mensch ist nicht besser als ein „einfacher“ Mensch, selbst wenn man das Gefühl hat, dass die Gesellschaft diese Vorstellung vertritt.
- Es geht vielmehr darum, wie Menschen sich verhalten und einander begegnen, ob sie andere Meinungen zulassen und über Wertvorstellungen diskutieren, statt in alten Strukturen verhaftet zu bleiben. Je mehr Bildung, desto leichter fällt es einem Menschen, die Welt zu verstehen. Angehäuftes Wissen nutzt ihm dabei jedoch nichts, sondern er muss darüber nachdenken und zum Kritiker seines eigenen Wissens werden.
Teilaufgabe 2
Überleitung
- In der Tragödie Faust I, verfasst von Johann Wolfgang Goethe und 1808 veröffentlicht, steht der Universalgelehrte Heinrich Faust im Mittelpunkt der dramaturgischen Handlung.
- Im Folgenden sollen drei der im Werk handelnden Figuren namens Faust, Margarete und Wagner in Hinsicht auf ihr Verhältnis zu Bildung näher untersucht werden.
- Die Frage, welche Rolle die Bildung für die jeweilige Person besitzt, führt einen dabei, ausgehend von dem zuvor analysierten Bildungsbegriff von Roß, zu drei unterschiedlichen Zugängen des Bildungsbegriffs.
Hauptteil
Faust- hat einen unregulierten Drang nach Erkenntnisstreben, absolutem Wissen und Grenzüberschreitung auf den Feldern des Wissens wie Handelns.
- verspürt eine Enge und Lähmung seines Geistes, da ihn sein bisher erlangtes Wissen (i. S. von Wissen aus wissenschaftlichen Büchern) in Ketten hält. Das angehäufte Wissen nützt ihm nichts.
- ist verzweifelt, deprimiert und innerlich unzufrieden, obwohl er studiert hat, viel Wissen hat und eigentlich nicht mehr erreichen kann; scheitert an Wissen; leidet an zu viel Bildung; Entgrenzung und Steigerung misslingt ihm auf dem Feld des Wissens
- möchte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält; Wille zur Entgrenzung; will seinen Horizont noch mehr erweitern, alles auch sich heraus holen; erkennt keine Grenzen an; über die gegebenen Grenzen hinaus
- Es wohnen zwei Seelen in seiner Brust, die sich auf unterschiedliche Art und Weise nach Erkenntnis sehnen: Erkenntnis i. S. von Vernunft und Bildung sowie i. S. von Natur, Liebe und Sexualität
- Alle drei Auswegsversuche aus seiner Existenzkrise scheitern bzw. führen ins Leere. 1. Versuch ist das Buch des Makrokosmus: versucht mithilfe von rationalen, empirisch erklärbaren Fakten seiner Existenzkrise zu entkommen; 2. Beschwörung des Erdgeistes: versucht mithilfe von Übernatürlichem Abhilfe zu schaffen; 3. Suizidgedanke
- Seine Situation erreicht die Dimension des Tragischen: Sein Erkenntnisstreben führt ihn letztendlich in Verderben und Zerstörung in Form von Isolation und unmoralischen Verhalten. Er handelt egozentrisch und nimmt sogar den Tod anderer Menschen in Kauf, um selbst voranzukommen.
- zeigt sich wissbegierig und möchte von Fausts rhetorischen Fähigkeiten lernen
- strebt ebenfalls wie Faust nach Wissen und Erkenntnis, doch sein Bildungsbegriff zielt vielmehr auf die soziale Anerkennung anderer ab; Bildung als gesellschaftliches, prestigeträchtiges Statussymbol durch welches man sich sozial von anderen abheben kann; Wagner kann als Fausts Gegenfigur betrachtet werden, da Geothes Protagonist gerade nicht auf die mögliche Außenwirkung seines Wissens abzielt
- Seine Vorstellung von Bildung besteht jedoch ausschließlich aus der Anhäufung von Wissen. Damit bleibt Wagner dauerhaft auf der Oberfläche seines Wissens, kann nicht darüber hinausdenken oder anderweitige Verknüpfungen herstellen.
- Sie empfindet keinen Drang nach Wissen und Bildung, sondern zeichnet sich durch Naivität und Gutgläubigkeit aus, was sich vermutlich auf ihre Herkunft aus niederem sozialen Stand zurückführen lässt. Die gewöhnliche Vorstellung von Bildung ist ihr fremd bzw. der Gegenstandsbereich der Bildung verlagert sich.
- Als fromme Gläubige liegt ihr Bildungsbegriff eher im Bereich der Religionsbildung.
- Trotz ihres ausgeprägten Religionsverständnisses entwickelt jedoch auch sie sich im Laufe der Tragödie zu einer Figur, die moralisch verwerfliches Verhalten aufzeigt. (Kindsmord)
Schluss
- Dem Leser werden drei unterschiedliche Vorstellungen von Bildung im Werk Faust I vorgeführt. Es fällt auf, dass Margarete eine bildungsferne Figur ist, jedoch sowohl Faust als auch Wagner eine starke Affinität zur Bildung aufweisen.
- Man kann feststellen, dass sich bei Wagner und Faust ein stark ausgebildetes Wissenstreben feststellen lässt, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.
- Im Gegensatz zu Faust, intendiert Wagner mit seinem Bildungsbegriff soziale Anerkennung. Faust strebt nach einer Erweiterung seines eigenen Horizonts, handelt davon ausgehend jedoch unethisch.
Teilaufgabe 3
Überleitung
- Jan Roß betont in seinem Essay Macht mich Bildung zum besseren Menschen? die bildungstaugliche Bedeutung der Literatur und weist ihr „als kulturelle Erbin des Erzählens“ (Z. 50 f.) eine Sonderrolle zu.
- Neben der Literatur haben jedoch auch noch andere Medien eine bildende Funktion und tragen zur „moralische[n] Fantasie“ (Z. 55) des Menschen bei.
- Auf Roß' Appell „Man [solle] nicht kleinlich sein“ (Z. 52), wenn es um die Entscheidung geht, welche Medien bildungstauglich sind, soll im Folgenden ein Überblick über weitere Medien erfolgen, die Roß' angesprochene Bildungsfunktion ebenfalls erfüllen können.
Hauptteil
- Neben der Literatur können auch „Neue Medien“, wie Social Media, Filme und Serien ihre Zielgruppe zu einem erfolgreichen Perspektivenwechsel bewegen und Identifikationsmöglichkeiten aufzeigen. Dies ist nicht nur auf dem klassischen Weg der Literatur möglich. Auch auf anderen Wegen kann man Empathie lernen, Lebensweisen hinterfragen und moralische Haltungen auf das eigene Leben übertragen.
- Je nach Zielgruppe sind es gerade die sozialen Medien oder Filme, die die Aufnahmebereitschaft und somit auch das Empathieverständnis erhöhen. Dies ist vor allem bei jüngeren Zielgruppen zunehmend der Fall. Das Bildungspotenzial von Social Media sollte dabei nicht unterschätzt werden. Als Rezipient wird man über Naturkatastrophen, Armut, Krieg, Nachhaltigkeit oder Umweltthemen informiert und kann sich auf digitalen Plattformen weiterbilden. Trotzdem sollte man sich bei dieser Art der Weiterbildung immer die Frage nach der Seriosität seiner Quellen stellen.
- Filme oder Serien mit geschichtlichen, politischen oder sozialen Themen weisen ein hohes Bildungspotenzial auf. Durch die Korrespondenz von visuellen und auditiven Reizen kann die Aufnahmefähigkeit von Informationen deutlich erhöht werden.
- Auch zeitgenössische Literatur wie Jugendliteratur sorgt für eine positivere Empfängerhaltung, insbesondere bei der jüngeren Zielgruppe. Je nach Rezipientengruppe wirken auch jeweils unterschiedliche Genres und Inhalte der Medien besser auf ihr jeweiliges Publikum. Die Zielgruppe sollte sich angesprochen fühlen und insbesondere die Thematisierung von aktuellen Themen sorgt hier nicht selten für ein größeres Interesse.
- Der Unterhaltungsfaktor der Filme und Serien sollte ihr Bildungspotenzial dabei jedoch nicht übertönen, da man sonst Gefahr läuft, sich nicht richtig zu konzentrieren und sich nicht bewusst mit wichtigen Inhalten zu beschäftigen, sondern sich während des Filmeschauens nur auf die eigenen Interessen fokussiert, die die persönliche Unterhaltung zum Ziel haben.
- Außerdem besteht die Gefahr der Manipulation ausgehend von digitalen Medien. Damit würden Medien erst recht nicht ihre bildende Funktion erfüllen. Nicht selten wird behauptet, dass die sozialen Medien die gesellschaftliche Realität verzerren würden.
Schluss
- Es sollte aufgezeigt, dass auch weitere Medien eine bildende Funktion erfüllen und an soziale Werte und die gesellschaftliche Moral erinnern können. Das Bildungspotenzial der klassischen Literatur sollte dabei nicht abgewertet werden.
- Wichtig ist es, eine eigene kritische Rezeptionshaltung zu entwickeln, Inhalte zu hinterfragen und die Meinungen anderer nicht kritiklos zu übernehmen. Dazu gehört auch, sich mit anderen Medien zu vergewissern und somit immer mehrere Medien zur eigenen Bildung heranzuziehen.
- Hier spielt auch die „Medienkompetenz“ eine entscheidende Rolle und Fähigkeit im kritischen Umgang mit Medien. Medien bilden, wenn sie „richtig“ genutzt werden und verantwortungsvoll mit ihnen umgegangen wird.