Literaturgeschichte

Grundlagen zur Literaturgeschichte

1. Was versteht man unter dem Begriff „literarische Epoche“?

  • Literaturgeschichtliche Einteilung nach zeitlichen, kulturellen oder stilistischen Merkmalen (z. B. Romantik, Realismus, Expressionismus)
  • Der Begriff der Epoche ist eine nachträgliche Konstruktion, keine Selbstbezeichnung der Autoren selbst; manche Gruppen oder Bewegungen geben sich jedoch explizite Namen (z. B. „Sturm und Drang“)
  • Literaturhistorische Periodisierung dient der Übersicht und erleichtert die Orientierung in der Vielfalt literarischer Erscheinungen

2. Welchen Nutzen hat die Einteilung in literarische Epochen für Leser*innen und Forscher*innen?

  • Schafft Orientierung durch Hervorhebung gemeinsamer Merkmale, Themen und stilistischer Eigenheiten
  • Ermöglicht schnelle Einordnung einzelner Werke und Autoren
  • Unterstützt das tiefere Verständnis und die Deutung literarischer Texte, indem historische, kulturelle und gesellschaftliche Kontexte deutlich werden

3. Welche Schwierigkeiten und Probleme ergeben sich durch die Einteilung in Epochen?

  • Gefahr der Vereinfachung durch den Fokus auf Gemeinsamkeiten und Vernachlässigung individueller Besonderheiten einzelner Autoren.
  • Risiko, Werke rein schematisch nach Epochenmerkmalen zu untersuchen und so wichtige literarische Besonderheiten zu übersehen.
  • Schwierigkeit, Werke und Autoren exakt einer Epoche zuzuordnen, da sich viele in Übergangsbereichen („Epochenschwellen“) bewegen (z. B. Kleist zwischen Klassik und Romantik, Kafka zwischen Expressionismus und Moderne).

Vertiefung am Beispiel ausgewählter Epochen

4. Was versteht man unter der „Weimarer Klassik“ und warum trägt sie diesen Namen?

  • Weimar als kulturelles Zentrum dieser Epoche; Bedeutung von Goethe, Schiller sowie dem herzoglichen Hof (Herzog Karl-August und Herzogin Anna Amalia)
  • Streben nach Harmonie und Orientierung an Schönheit und antiken Vorbildern steht im Vordergrund
  • Ideale wie Humanität, Maß und Vernunft stehen im Mittelpunkt; explizite Ablehnung der Gewaltexzesse der Französischen Revolution

5. Welche grundlegenden Merkmale charakterisieren die Epoche der Romantik?

  • Kritik an der rein rationalistischen Weltsicht der Aufklärung und Gegenbewegung zum Vernunftdenken
  • Betonung von Gefühlen, Fantasie und Mystik; Suche nach magischen, übernatürlichen und geheimnisvollen Erfahrungen
  • Romantische Sehnsucht nach Einheit mit der Natur, Verklärung des Mittelalters und des Volksliedhaften.
  • Typische Formen: Märchen, Novellen, Lieder, romantische Gedichte.
  • Bedeutende Autoren: Joseph von Eichendorff, E.T.A. Hoffmann, Novalis

6. Wie lässt sich die Kunstauffassung des Naturalismus beschreiben?

  • Leitformel „Kunst = Natur – x“ (nach Arno Holz): Literatur soll die Lebenswirklichkeit möglichst exakt und authentisch abbilden
  • Naturalismus betont sozialkritische Aspekte, realistische Darstellung gesellschaftlicher Probleme und Missstände, insbesondere die Folgen der Industrialisierung (Großstadtelend, soziale Ungerechtigkeit)
  • Werke und Autoren: Dramen und Prosa, z. B. Gerhart Hauptmanns Die Weber

Besonderheiten literarischer Strömungen am Beispiel des Expressionismus

7. Welche besonderen Merkmale zeichnen die literarische Epoche des Expressionismus aus?

  • Expressiver, emotionaler und bildgewaltiger Sprachstil mit starken Farben und Kontrasten
  • Bruch mit grammatikalischen Konventionen und traditionellen Ausdrucksformen, Schaffung neuer, ungewöhnlicher Sprachbilder und Wortneuschöpfungen (Neologismen)
  • Häufiges Motiv der existenziellen Bedrohung, der Entfremdung und des Identitätsverlustes durch Modernisierung und Großstadtleben
  • Themen: Angst, Krieg, Katastrophenvisionen, Zivilisationskritik
  • Autoren: Georg Trakl, Georg Heym, Jakob van Hoddis

8. Inwiefern unterscheidet sich eine literarische Strömung von einer Epoche?

  • Strömungen sind oft kurzfristigere literarische Bewegungen innerhalb oder zwischen größeren Epochen.
  • Sie beschreiben spezifische, zeitlich und räumlich begrenzte Tendenzen (z. B. „Sturm und Drang“ innerhalb der Aufklärung), während Epochen umfassendere historische und kulturelle Phasen abdecken.

Epochenübergreifende Phänomene: Intertextualität und Epochenschwellen

9. Was versteht man unter Intertextualität und wie verbindet sie verschiedene literarische Epochen?

  • Intertextualität bezeichnet bewusste oder unbewusste Verweise auf andere Texte und Epochen.
  • Autoren beziehen sich oft explizit oder implizit auf ältere literarische Vorbilder und verarbeiten unterschiedliche epochentypische Merkmale, Themen und Motive neu.
  • Beispiel: Thomas Manns Doktor Faustus greift Motive aus mittelalterlichen Legenden, aus der Romantik und der Moderne auf.

10. Welche Bedeutung haben Epochenschwellen für das Verständnis literarischer Entwicklungen?

  • Epochenschwellen sind Übergänge zwischen klar definierten literarischen Epochen.
  • Autoren und Werke, die sich auf Epochenschwellen befinden, zeichnen sich oft durch besondere Innovationskraft und kreative Mischung verschiedener stilistischer und thematischer Merkmale aus.
  • Epochenschwellen zeigen, dass Epochenbegriffe keine starren Kategorien sind, sondern fließende Übergänge beschreiben, z. B. die Zeit zwischen Romantik und Realismus oder zwischen Moderne und Postmoderne.

Experimentelle Formen und moderne Entwicklungen

11. Welche experimentellen und gattungsübergreifenden Formen haben sich in der modernen Literatur entwickelt?

  • Mischformen aus Epik, Lyrik und Dramatik (z. B. Prosalyrik, dramatischer Monolog in Romanen).
  • Postmoderne Literatur, die gezielt traditionelle Genregrenzen sprengt und intertextuelle Bezüge vielfältig nutzt.
  • Multimediale und digitale Literaturformen: Integration visueller, akustischer und digitaler Medien in literarische Texte (Hypertext, digitale Poesie).

12. Warum entstehen in der modernen Literatur häufig gattungsübergreifende Texte und Mischformen?

  • Wunsch nach innovativen Ausdrucksmöglichkeiten und Darstellung komplexer Wirklichkeiten
  • Bewusstes Aufbrechen traditioneller Literaturformen und literarischer Konventionen als Reaktion auf veränderte Lebenswelten und neue Medien
  • Betonung individueller Perspektiven und subjektiver Erfahrungswelten, die in traditionellen Gattungen nicht immer ausreichend dargestellt werden können

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