Literarische Texte
Grundlagen der literarischen Gattungen
1. Wie lassen sich literarische Gattungen unterteilen?
- Epik (Erzähltexte, z. B. Roman, Novelle, Kurzgeschichte)
- Dramatik (Bühnentexte, z. B. Komödie, Tragödie, Tragikomödie)
- Lyrik (Gedichte, z. B. Sonett, Ode, Hymne)
- Herkunft: Diese Einteilung geht auf die Antike zurück und hat sich als Grundstruktur der Literatur bis heute bewährt.
2. Welche Merkmale zeichnen diese aus?
- Unterscheidung: Die Gattungen unterscheiden sich durch Form, Inhalt und Darstellungsmittel.
- Epik: Erzähler vermittelt das Geschehen
- Dramatik: Handlung wird durch Dialoge und Monologe der Figuren dargestellt
- Lyrik: Subjektive Empfindungen und starke Bildhaftigkeit stehen im Mittelpunkt
Beispiel Epik: Aufbau und Erzähltechniken
3. Wie werden epische Texte strukturiert?
- Lineare Handlung oder komplexe Mehrsträngigkeit mit mehreren Erzählebenen
- Rahmen- und Binnenerzählung: Eine Geschichte umrahmt eine weitere, z. B. in Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“.
- Chronologische Erzählweise oder Zeitsprünge (Rückblenden und Vorausdeutungen)
- Offener oder geschlossener Schluss: Offene Enden lassen Raum für Interpretation.
4. Welche Erzählperspektiven bzw. Erzählerhaltungen werden eingesetzt?
- Auktorialer Erzähler: Allwissender Erzähler mit Kommentaren und Reflexionen
- Neutraler Erzähler: Außenperspektive ohne Einblick in die Gedanken der Figur
- Ich-Erzähler: Subjektive Sicht der erzählenden Figur
- Personaler Erzähler: Erzählt aus der Sicht einer oder mehrerer Figuren
5. Wie wird die Zeit in literarischen Texten gestaltet?
- Erzählzeit (Dauer des Erzählvorgangs) vs. erzählte Zeit (Dauer des Geschehens)
- Zeitraffung: Erzählzeit kürzer als erzählte Zeit (z. B. Lebenslauf in wenigen Sätzen)
- Zeitdeckung: Erzählzeit und erzählte Zeit sind gleich (z. B. Dialoge)
- Zeitdehnung: Erzählzeit länger als erzählte Zeit (z. B. detaillierte Beschreibung eines Moments)
- Rückblenden (Analepse) und Vorausdeutungen (Prolepse) zur Steuerung der Spannung
Dramatik und Gestaltung
6. Durch welche Merkmale zeichnet sich das klassische Theater aus?
- Aufbau in Akte und Szenen: Meist drei oder fünf Akte nach dem Modell von Gustav Freytag (Exposition, steigende Handlung, Höhepunkt, fallende Handlung, Lösung/Katastrophe)
- Konflikt zwischen Protagonist und Antagonist als zentrales Handlungselement
- Szenische Darstellung ohne Erzähler, die Handlung wird durch Dialoge und Monologe vermittelt
- Einheit von Ort, Zeit und Handlung (Aristotelisches Drama)
7. Was zeichnet das Epische Theater nach Brecht aus?
- Erzählendes Theater: Das Geschehen wird nicht nur dargestellt, sondern auch kommentiert und reflektiert
- Verfremdungseffekte (z. B. direkte Ansprachen ans Publikum, Lieder, Projektionen) verhindern emotionale Identifikation und fördern kritisches Mitdenken
- Ziel: Distanzierung des Publikums von den Figuren, um gesellschaftliche Zusammenhänge zu hinterfragen
- Bruch mit Illusionstheater: Keine Einheit von Ort, Zeit und Handlung, offene Struktur
Lyrik: Formen und sprachliche Gestaltung
8. Durch welche Merkmale zeichnet sich Lyrik aus?
- Vers und Strophenaufbau mit bewusst gesetzten Zeilenumbrüchen
- Lyrisches Ich als subjektiver Sprecher, der Gefühle, Stimmungen und Gedanken zum Ausdruck bringt
- Bildhafte Sprache durch Metaphern, Vergleiche und Symbole
- Reim und Metrum als klangliche Strukturierungsmittel (z. B. Jambus, Trochäus)
- Typische Gedichtformen: Sonett, Ode, Hymne, Ballade (Mischform aus epischen und dramatischen Elementen)
9. Durch welche Themen zeichnet sich Lyrik aus?
- Zeitlose Themen: Liebe, Natur, Vergänglichkeit, Tod, Sehnsucht, Einsamkeit und Freiheit
- Gesellschaftliche und politische Motive: Kritik an gesellschaftlichen Zuständen, Protest, Identität und kulturelle Zugehörigkeit
- Naturmotive als Spiegel der Seele: Naturbilder symbolisieren innere Zustände und Emotionen
- Metaphysische und religiöse Fragen: Auseinandersetzung mit Sinnfragen und Transzendenz
- Moderne Themen: Urbanität, Digitalisierung, Identitätskrisen in der postmodernen Welt
- Beispiele – Romantik: Natur und Sehnsucht (Mondnacht von Eichendorff); Expressionismus: Großstadt und Untergangsstimmung (Weltende von Jakob van Hoddis); Moderne Lyrik: Identität und Globalisierung (Was es ist von Erich Fried)
Vertiefung und Verbindung der Gattungen
10. Wie lassen sich die Gattungen in der Literatur verbinden?
- Experimentelle Mischformen: Texte, die Elemente aus Epik, Lyrik und Dramatik verbinden, z. B. Prosalyrik: Texte mit lyrischem Sprachstil und epischer Struktur (z. B. Herzzeit von Ingeborg Bachmann und Paul Celan)
- Dramatische Monologe in Romanen (z. B. Ulysses von James Joyce).
- Postmoderne Intertextualität: Texte beziehen sich auf verschiedene literarische Formen und Gattungen, z. B. Meta-Erzählungen oder Erzählungen im dramatischen Dialogstil
- Genreübergreifende Literatur: Verbindung von fiktionalen und faktischen Textsorten, z. B. Doku-Romane oder autofiktionale Werke
- Multimedialität und Digitalisierung: Integration von visuellen, akustischen und digitalen Elementen in literarische Texte, z. B. digitale Poesie und Hypertexte.