Lyrik

Thema:
Georg Heym (* 1887 - † 1912): Die Stadt (1911)
Christian Morgenstern (* 1871 - † 1914): Berlin (1906)
Aufgabenstellung:
  • Interpretiere Georg Heyms Gedicht Die Stadt mit besonderem Fokus auf die sprachlichen und formalen Gestaltungsmittel.
  • Vergleiche das Motiv der Stadt in Georg Heyms Gedicht Die Stadt mit Christian Morgensterns Gedicht Berlin.
Material 1
Die Stadt (1911)
Georg Heym
1
Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
2
Zerreißt vor des Mondes Untergang.
3
Und tausend Fenster steh’n die Nacht entlang
4
Und blinzeln den Lidern, rot und klein.
5
Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
6
Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
7
Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
8
Eintönig kommt heraus in Stille matt.
9
Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,
10
Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
11
Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.
12
Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,
13
Die drohn im Weiten mit gezückter Hand
14
Und schienen hoch von dunkler Wolkenwand.

Aus: Heym, Georg: Die Stadt. In: Schneider, Karl Ludwig (Hrsg.): Dichtungen und Schriften. Band 1: Lyrik, Ellermann 1964, Hamburg, S. 452.
Material 2
Berlin (1906)
Christian Morgenstern
1
Ich liebe dich bei Nebel und bei Nacht,
2
wenn deine Linien ineinander schwimmen, –
3
zumal bei Nacht, wenn deine Fenster glimmen
4
und Menschheit dein Gestern lebendig macht.
5
Was wüst am Tag, wird rätselvoll im Dunkel;
6
wie Seelenburgen stehn sie mystisch da,
7
die Häuserreihe, mit ihrem Lichtgefunkel;
8
und Einheit ahnt, wer sonst nur Vielheit sah.
9
Der letzte Glanz erlischt in blinden Scheiben;
10
in seine Schachteln liegt ein Spiel geräumt;
11
gebändigt ruht ein ungestümes Treiben,
12
und heilig wird, was so voll Schicksal träumt.

Aus: Morgenstern, Christian: Berlin. In: Wende, Waltraud (Hrsg.): Großstadtlyrik. Stuttgart: Reclam 1999, S. 73–74.

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