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Analyse eines Sachtextes mit weiterführendem Schreibauftrag
Thema: Horst Haider Munske: Sterben die Dialekte aus? Aufgabenstellung:- Analysiere den Artikel Sterben die Dialekte aus? von Horst Haider Munske.
(36 Punkte)
- Stelle unter Rückgriff auf deine unterrichtlichen Kenntnisse in Grundzügen die Funktion von Dialekten und Merkmale der verschiedenen deutschen Dialekte dar. Vergleiche den Dialektgebrauch in Deutschland mit dem der alemannischen Dialekte in der Schweiz und nimm abwägend Stellung zu der Frage, inwieweit eine „Diglossie“ (Z. 73) nach dem Schweizer Vorbild in Deutschland denkbar sein könnte.
(36 Punkte)
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Diese Frage bewegt viele Menschen. Würde nur noch Hochdeutsch gesprochen im deutschen
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Sprachgebiet, dann wäre das eine spürbare Einbuße im menschlichen Miteinander. Im Dialekt
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sind sich die Menschen näher, sie reden ausdrucksreicher, emotionaler, weniger distanziert
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miteinander. Dialekte sind das sichtbarste Merkmal regionaler Identität. Auch der Zugereiste
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kann daran mit Vergnügen teilhaben, wenn er sich etwas eingehört hat und seinem Gegenüber
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zu verstehen gibt: Er muss mit ihm nicht in den hochdeutschen Code wechseln.
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Zwei Beobachtungen begründen die Sorge um das Dialektsterben: der Rückgang des Dia-
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lektgebrauchs im Alltag und der vermeintliche Dialektverfall bei vielen jüngeren Sprechern.
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Das eine ist Ausdruck eines Sprachwechsels vom mündlichen Sprachverkehr zur prestige-
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trächtigeren Hochsprache. Das andere ist Folge des Kontakts zwischen Dialekt und Standard-
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sprache. Im Munde zweisprachiger Sprecher übernehmen die Dialekte Wörter, Lautungen
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und grammatische Merkmale der Hochsprache und wandeln sich zu regionalen Umgangs-
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sprachen. Diese haben in vielen Regionen Deutschlands die Rolle der Dialekte als mündliche
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Alltagssprachen übernommen.
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Die Klage über den Untergang der Dialekte ist übrigens so alt wie die über den Sittenverfall
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bei der Jugend, den Sprachverfall im Allgemeinen, den Verfall der Lesekultur, der Umgangs-
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formen usw. Sie ist ein Ausdruck des Missvergnügens über den Wandel der Sitten, des Sprach-
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gebrauchs und eben auch der Dialekte. Aber warum sterben die Dialekte? Lässt es sich auf-
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halten? Gilt das für alle Dialekte? Gibt es eine gegenteilige Entwicklung, aus der einst auch
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unsere Hochsprache hervorgegangen ist, der Ausbau der Dialekte zu einer überregionalen
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Schriftsprache? [...]
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„Sterben“ können Dialekte natürlich nicht im eigentlichen Sinne wie Menschen, Tiere, Pflan-
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zen. Ihr Untergang ist immer an die Menschen gebunden, die sie gebrauchen. Sprachen exis-
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tieren durch ihre Sprecher. Durch sie werden sie an die nächsten Generationen weitergege-
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ben. Der Spracherwerb der Kinder ist die Voraussetzung für das Weiterleben einer Sprache.
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Wenn dieser Weg abgebrochen wird, ist das Weiterleben einer Sprache in ernster Gefahr. Und
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wenn der letzte Sprecher einer Sprache gestorben ist, dann ist auch der Sprachtod eingetreten.
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So ging zum Beispiel der ostfriesische Dialekt auf der Insel Wangerooge endgültig unter, als
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die letzte Sprecherin im Jahre 1950 verstarb.
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Tote Sprachen können natürlich, wenn sie aufgezeichnet wurden, wenn literarische Denk-
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mäler überliefert sind, weiterhin gelesen werden, aber dies ist ein künstliches Leben, eine Art
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Wachkoma der Sprachen, sie leben nur noch durch diese Aufzeichnungen, nicht als Gebrauchs-
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sprachen, die der Mensch als Kind von den Eltern erlernt und im Gebrauch produktiv verän-
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dern kann.
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Das Sterben der Dialekte – und überhaupt von Sprachen – hat zwei Hauptursachen: äußere,
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wie Naturkatastrophen, Kriege, Vertreibung, Genozid, von der die Sprecher betroffen wer-
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den. Die andere Ursache liegt im Sprachverhalten der Sprecher selbst, in der freiwilligen Ab-
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wendung von ihrer Sprache zugunsten einer anderen. Dies gilt vor allem für mehrsprachige
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Gesellschaften. In der Konkurrenz von Sprachen gehen manche unter, weil ihnen eine andere
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von den Sprechern vorgezogen wird.
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Betrachten wir einige Beispiele. In Nordfriesland, auf den Inseln Föhr, Amrum, Sylt und
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Helgoland, auf den Halligen und dem gegenüberliegenden Festland gibt es zur Zeit etwa
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5.000 Muttersprachler der verschiedenen nordfriesischen Dialekte. Trotz lebhafter institutio-
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neller Bemühungen in Kindergärten, Schulen und Vereinen, diesen Stand zu halten oder gar
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zu verbessern, ist der Erhalt dieser kleinen, seit über 1.000 Jahren bestehenden Sprachgemein-
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schaft stark gefährdet. Die ersten schweren Einbrüche bedeuteten die gewaltigen Sturmfluten
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(„Grote Mandränke“) von 1362 und 1634, durch welche ein ursprünglich weitgehend verbun-
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denes Siedlungs- und Sprachgebiet durch das Meer auseinandergerissen, zerstückelt und ver-
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kleinert wurde. [...] Menschenwerk dagegen waren die zahllosen Vertreibungen oder soge-
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nannte Umsiedlungen des 20. Jahrhunderts, von Kurden, Armeniern und Griechen, von Wolga-
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deutschen, Schlesiern, Ostpreußen, Balten, Sudetendeutschen und unzähligen anderen. Auch
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ihre Dialekte waren davon betroffen. Die Überlebenden bewahren ihre Heimatsprachen meist
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bis an den Tod, aber selten geben sie sie an ihre Kinder und Enkel weiter. Diese sozialisieren
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sich in neuer Umgebung, auch sprachlich. Verheerend betroffen waren die jiddischen Dialekte
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vom Genozid der Juden in West-, Mittel-, Süd- und Osteuropa. [...]
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Zu den äußeren Ursachen des Dialektsterbens müssen wir auch Veränderungen zählen, die
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gemeinhin als Fortschritt gelten: die Verbesserung der verkehrsmäßigen Infrastruktur und die
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Erschließung neuer Erwerbsquellen durch den Tourismus. Beides hat in Nordfriesland dazu
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geführt, dass Friesisch als öffentliche Verkehrssprache anfangs vom Plattdeutschen, heute
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vom Hochdeutschen abgelöst wurde, dass alle Friesischsprecher zwei- oder dreisprachig sind
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und ihren friesischen Dialekt fast nur noch als Haus- und Nachbarschaftssprache benutzen.
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Solche Mehrsprachigkeit führt in der Regel zu einer Hierarchisierung der Sprachen. [...]
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Dieser Entwicklung haben die Deutschschweizer bis heute widerstanden. Die alemannischen
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Dialekte der Schweiz sind unangefochten das alleinige Medium aller Bevölkerungsschichten
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in allen mündlichen Kommunikationssituationen: nicht nur im Haus und auf der Straße, ebenso
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im Radio, in den Behörden, beim Militär, im Parlament. Dabei bedient sich jeder seines eige-
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nen heimatlichen Dialekts, wird verstanden und versteht sein Gegenüber. Nebenbei kann jeder
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aus solcher Spracherfahrung den anderen lokalisieren, das heißt über den Dialekt seine Her-
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kunft als Berner, Zürcher, Walliser usw. erkennen. Die deutsche Standardsprache dient aus-
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schließlich als Schriftsprache der Deutschschweizer, wird in der Schule vermittelt, aber allen-
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falls im Kontakt mit Nicht-Schweizern (nicht ohne Akzent) benutzt. Sprachwissenschaftler
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bezeichnen solche stabile Funktionsteilung zweier verwandter Sprachen in einer Sprachge-
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meinschaft als Diglossie (das griechische Wort für „Zweisprachigkeit“).
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Im Vergleich zum deutschen Nachbarn kennen die Schweizer keine Beschränkung des Dia-
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lekts auf bestimmte Gebrauchssphären, zum Beispiel Landwirtschaft, traditionelle Handwerke
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u.ä. Das führt dazu, dass auch der Wortschatz der Schriftsprache in den Dialekt aufgenom-
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men wird, allerdings lautlich integriert. So wird aus hochdeutsch Entwicklung ein schweizer-
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deutsches Entwicklig, aus Einsatz wird Iisatz, aus möglicherweise wird möglicherwiis. Mit
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solchem integrierten Import sind die Dialekte jedem Thema gewachsen und verändern sich –
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zumindest lexikalisch – rasch. Das widerspricht mancher Erwartung, die Dialekte der Groß-
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eltern ließen sich konservieren. Sie bleiben nur lebendig und werden von den Eltern den Kin-
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dern als Muttersprache weitergegeben, wenn sie dem Leistungsanspruch heutiger mündlicher
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Kommunikation angepasst werden.
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Mit dem Begriff Diglossie lässt sich das Verhältnis von gesprochener und geschriebener
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Sprache in vielen Sprachgemeinschaften gut beschreiben.
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Ein klassischer Fall der Arbeitsteilung beider Varietäten besteht in den arabischen Staaten.
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Die heutige arabische Hochsprache, eine konservierte Form des Klassischen Arabisch, wird
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nirgends als Muttersprache erworben, erst in den Schulen vermittelt und stellt ein religiös
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motiviertes Bindeglied aller arabischsprachigen Länder dar. Gesprochen und als Mutterspra-
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chen erlernt werden aber die regionalen arabischen Dialekte. Auch hier herrscht eine stabile
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Diglossie. Doch während in der Schweiz die Dialekte als nationale Varietät hohes Prestige
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genießen, gelten die arabischen Dialekte nichts im Vergleich zur Schriftsprache. Dies ist
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eine extreme Form von Fehleinschätzung der Varietäten gesprochener Sprache, die auch in
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Deutschland lange vorherrschend war.
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Was lehren diese Beispiele und Vergleiche? Dialekte sind wie alle Sprachen einzigartige
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Zeugnisse unserer Lebenskultur, sie sind kulturelle Artefakte des Menschen. Das schützt sie
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aber nicht vor Wandel oder Untergang. Ihre Lebensbedingungen gleichen den Biotopen der
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Natur. Deren Wandel müssen sich Tiere und Pflanzen anpassen oder sie gehen ein. [...]
Horst Haider Munske (* 1935) ist emeritierter Professor für germanische und deutsche
Sprachwissenschaft und Mundartkunde an der Universität Erlangen-Nürnberg. Aus: Horst Haider Munske: Sterben die Dialekte aus? In: Sprachnachrichten 44 (2009), S. 4 – 5.
(Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen der Textquelle)
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Einleitung
- Der Artikel Sterben die Dialekte aus? von Horst Haider Munske erscheint im Jahr 2009 in der Ausgabe 44 von Sprachnachrichten.
- Munske spricht in seinem Artikel eine breite Leserschaft an. Letztere besteht aus Sprachwissenschaftlern und Linguisten, die an der Entwicklung und dem Erhalt von Sprachen interessiert sind, sowie auch allgemeinen Leserinnen und Leser, die sich für kulturelle Vielfalt und regionale Identität begeistern.
- Der Artikel bietet sowohl fachliche Informationen als auch allgemein verständliche Argumente und Beispiele, um das Thema zugänglich zu machen.
Hauptteil
- Horst Haider Munske beginnt seinen Beitrag, indem er schildert, wie sich Dialekte laut ihm vom Hochdeutschen abheben. So ist die dialektale Sprache für ihn „ausdrucksreicher, emotionaler, weniger distanziert“ (Z. 3) und begünstigt damit ein persönlicheres und näheres zwischenmenschliches Miteinander.
- Dass „Dialekte [...] das sichtbarste Merkmal regionaler Identität [sind]“ (Z. 4), konstatiert der emeritierte Professor für germanistische Sprachwissenschaft ebenfalls und betont damit ihre Wichtigkeit, wenn es um Begegnungen zwischenmenschlicher Art geht (Vgl. Z. 4 ff.).
- Der Autor beschäftigt sich mit der Frage, ob regionale Dialekte in Deutschland vom Aussterben bedroht sind und was die Gründe und Hauptursachen dafür sind.
- Der Verfasser des Artikels argumentiert, dass die Verwendung von Dialekten in der jüngeren Generation abnimmt und viele Menschen stattdessen Hochdeutsch sprechen.
- Auch merkt er an, dass zahlreiche Sprecher*innen aus der jüngeren Generation Dialekte weder beherrschen noch verstehen und sich Dialekte grundsätzlich immer mehr der Hochsprache anpassen.
- Der Schriftsteller befürchtet, dass Dialekte kurz vor dem Aussterben stehen. Hierfür nennt er zwei Gründe, zum einen „[den] Rückgang des Dialektgebrauchs im Alltag“ (Z. 7) und zum anderen „[den] vermeintliche[n] Dialektverfall bei vielen jüngeren Sprechern“ (Z. 7). Hierfür sind seiner Meinung nach einerseits das Phänomen des „Sprachwandels“ (Z. 9) und andererseits die Berührungspunkte von „Dialekt und Standardsprache“ (Z. 10) verantwortlich.
- Damit Dialekte überleben und fortbestehen können, müssen sie verwendet werden, also fest im Sprachgebrauch integriert sein. Außerdem ist eine Weitergabe der älteren Generation an die Nachkommen unabdingbar, wenn es um die Erhaltung von Dialekten geht.
- Als Hauptursachen für Dialektsterben nennt Munske erstens äußere Umstände wie „Naturkatastrophen, Kriege, Vertreibung, Genozid“ (Z. 36) und zweitens die Konkurrenz der Sprache in mehrsprachigen Gesellschaften wie etwa in Nordfriesland, wo neben Friesisch auch noch Plattdeutsch und Hochdeutsch existieren und dem friesischen Dialekt unweigerlich eine minderwertige Rolle zugesprochen wird.
- Munske stellt fest, dass die Globalisierung und die zunehmende Mobilität dazu führen, dass Menschen aus verschiedenen Regionen miteinander interagieren und dadurch der Gebrauch regionaler Dialekte abnimmt. So führt er etwa an, dass Verbesserungen in der Infrastruktur und im Tourismus dazu geführt haben, dass Friesisch als öffentliche Verkehrssprache vom Plattdeutschen und heute vom Hochdeutschen abgelöst wurde.
- Er betont jedoch auch, dass es immer noch Regionen gibt, in denen Dialekte stark gepflegt werden, wie beispielsweise in der Schweiz. Er hebt die alemannischen Dialekte in der Schweiz hervor, die trotz des Einflusses der deutschen Standardsprache weiterhin weit verbreitet sind. So hat sich der Dialekt in der gesprochenen Sprache in der Schweiz durchgesetzt und das Standarddeutsch wird nunmehr ausschließlich in der geschriebenen Sprache verwendet.
- Horst Haider Munske erklärt diese Zweisprachigkeit mit dem Konzept der Diglossie, bei dem zwei verwandte Sprachen in einer Sprachgemeinschaft unterschiedliche Funktionen besitzen. Außerdem können im Rahmen einer Diglossie auch neue Wörter aus der Standardsprache in den Dialekt mit eingebunden werden.
- Neben dem exemplarischen Fall in der Schweiz wirft Munske auch noch einen Blick auf die arabische Sprache, in welcher sowohl die „heutige moderne Hochsprache“ (Z. 87) als auch noch das „Klassische Arabisch“ (Z. 87) existieren. Während die moderne Hochsprache alleinig dem Schriftgebrauch dient und nicht bei Geburt, sondern in der Schule erworben wird, ist das Klassische Arabisch dem gesprochenen Gebrauch vorbehalten und beinhaltet mannigfaltige Dialekte.
- Es existieren Unterschiede darin, welche der beiden gesprochenen Sprachen in einer Diglossie höher gestellt ist. So wird nach wie vor allem „extrem fehleingeschätzt“ (Z. 93), dass das geschriebene Wort oder die Standardform mehr wert sei als der Dialekt.
- Für Munske sind Dialekte „kulturelle Artefakte des Menschen“ (Z. 96), die ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Erbes sind. Ihre Pflege trägt dazu bei, die Vielfalt der deutschen Sprache zu bewahren.
Schluss
- Insgesamt bietet der Artikel einen umfassenden Überblick über die aktuellen Herausforderungen und Chancen für den Erhalt regionaler Dialekte in Deutschland.
- Es wird deutlich, dass der Rückgang der Dialektverwendung zwar eine Realität ist, aber dass es auch Möglichkeiten gibt, diese Vielfalt zu bewahren und zu fördern.
- Laut Munske hängt die Überlebensfähigkeit von Dialekten davon ab, wie gut sie sich an veränderte Lebensbedingungen anpassen können.
Zweite Teilaufgabe
Überleitung
- Das Deutsche bzw. die deutsche Sprache ist als Gesamtsystem zu betrachten, welches wiederum aus zahlreichen Teilsystemen, sogenannten Subsystemen besteht. Die Subsysteme entsprechen den Varietäten des Deutschen, d.h. das Deutsche setzt sich aus zahlreichen Varietäten zusammen.
- Die Sprecher der deutschen Sprache verfügen in unterschiedlichem Maße über eine aktive oder passive Kompetenz dieser Varietäten.
- Zu den Varietäten gehören bspw. die Dialekte, Jugendsprache und Fachsprachen.
Hauptteil
Was sind Dialekte?- Dialekte sind regionale Sprachvarianten, die sich in Aussprache, Wortschatz und Grammatik von der Hochsprache unterscheiden und die tendenziell eher im privaten Umfeld erworben werden.
- Sie sind Ausdruck regionaler Identität und ermöglichen eine ausdrucksstarke, emotionale Kommunikation.
- In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Dialekten, die grob in oberdeutsche (z.B. Bairisch, Schwäbisch), mitteldeutsche (z.B. Thüringisch, Sächsisch) und niederdeutsche (z.B. Plattdeutsch) Dialekte unterteilt werden können.
- In der Schweiz hingegen wird fast ausschließlich im alemannischen Dialekt kommuniziert – unabhängig von sozialem Status oder Situation. Die hochdeutsche Sprache dient hier lediglich als Schriftsprache und wird nur bei Bedarf eingesetzt, beispielsweise im Kontakt mit Nicht-Schweizern.
- Diese klare Trennung zwischen gesprochener Dialektsprache und geschriebener Hochsprache wird als Diglossie bezeichnet. In Deutschland ist eine solche strikte Trennung nicht gegeben. Hier wird sowohl in der gesprochenen als auch in der geschriebenen Sprache überwiegend Hochdeutsch verwendet, wobei der Dialektgebrauch je nach Region und Kontext variiert.
- Eine Übertragung des Schweizer Modells auf Deutschland wäre denkbar, würde jedoch einen tiefgreifenden kulturellen Wandel voraussetzen.
- Es müsste ein Umdenken stattfinden, weg von der Vorstellung des Dialekts als minderwertige Variante des Hochdeutschen hin zu einer Anerkennung des Dialekts als gleichwertige Ausdrucksform.
- Zudem müssten institutionelle Maßnahmen ergriffen werden, um den Dialektgebrauch zu fördern und zu erhalten, damit eine Diglossie, wie sie in der Schweiz herrscht, denkbar wäre.
- Allerdings ist zu bedenken, dass die Vielfalt der deutschen Dialekte eine einheitliche Regelung erschwert. Während in der Schweiz ein relativ homogener alemannischer Dialekt gesprochen wird, gibt es in Deutschland eine große Bandbreite an regionalen Dialekten. Eine Diglossie nach Schweizer Vorbild könnte daher zu einer weiteren Fragmentierung der deutschen Sprachlandschaft führen.
- Das Schweizer Modell zeigt auf, dass Dialekte nicht auf bestimmte Gebrauchssphären beschränkt sein müssen und sich an moderne Kommunikationsanforderungen anpassen können. Dies widerspricht der Annahme, die in Deutschland vertreten ist, dass Dialekte nur in traditionellen Kontexten Bestand haben können.
Schluss
- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Diglossie in Deutschland theoretisch denkbar, aber aufgrund kultureller und sprachlicher Gegebenheiten mit Anstrengungen verbunden wäre.
- Die Umsetzbarkeit einer solchen Diglossie in Deutschland hängt also von verschiedenen Faktoren ab, wie der Akzeptanz und dem Prestige der Dialekte in der Gesellschaft sowie institutioneller Unterstützung.
- Es bleibt abzuwägen, ob die Vorteile einer solchen Regelung – wie die Stärkung regionaler Identität und die Förderung sprachlicher Vielfalt – diese Herausforderungen rechtfertigen würden.