Aufgabe 6 - Analyse und Erörterung eines pragmatischen Textes (Schwerpunkt: Erörterung)
Analyse und Erörterung eines pragmatischen Textes
Schwerpunkt: Erörterung- Stelle den Argumentationsgang des Textes Warum wir eine Ethik der Metapher brauchen von Henning Lobin dar und erläutere die Intention des Textes. (ca. 40%)
- Erörtere ausgehend vom Text Lobins Position zur Verwendung von Metaphern im öffentlichen Sprachgebrauch. Beziehe dabei Wissen zum Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit in gesellschaftlichen Zusammenhängen ein. (ca. 60%)
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Als Sprachwissenschaftler ist man unschlüssig, ob man sich freuen soll oder
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nicht: Seit Langem schon wurde nicht mehr so intensiv über Sprache debattiert.
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Der Schriftsteller Durs Grünbein meinte in der ZEIT erklären zu können, wie aus
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Sprache Gewalt wird. Grünen-Chef Robert Habeck hat ein ganzes Buch zum
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Thema Sprache verfasst. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner
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Weihnachtsansprache an die Bürger appelliert, mehr miteinander zu reden,
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selbst wenn man nicht einer Meinung ist. [...] Es gibt viele weitere Beiträge, oft
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unter Stichwörtern wie „Sprachverrohung“ oder „sprachliche Gewalt“. Man sollte
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gerade das, was so selbst zu einem Argument in der politischen Kommunikation
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geworden ist, zunächst sortieren.
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Da gibt es zum einen die direkten Beleidigungen. Wenn man jemanden als etwas
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bezeichnet, das zu entsorgen ist, oder jemanden auf den Müllhaufen wünscht,
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dann kann dieser sich strafrechtlich dagegen zur Wehr setzen. Im Internet soll
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das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eigentlich sicherstellen, dass sich Beleidigungen
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nicht verbreiten. Im Parlament können Ordnungsrufe dafür sorgen, dass
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solches Verhalten geahndet wird. Beleidigungen, so wüst sie auch sein mögen,
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sind kein Problem für das Gemeinwesen. Dafür haben wir Instrumente.
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Die sogenannten diskursiven Strategien hingegen liegen am anderen Ende der
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kommunikativen Skala und bezeichnen eine ganze Kette von Äußerungen, die
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man mit strategischer Absicht unternimmt. Wenn man beispielsweise jemanden
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beleidigt hat, dann kann man behaupten, dass das gar nicht als Beleidigung gemeint
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gewesen war. Wenn man – wie der AfD-Politiker Björn Höcke – von einem
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„Denkmal der Schande“ spricht, dann kann man dem erwartbaren Entrüstungssturm
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begegnen, indem man sagt, man sei böswillig falsch verstanden worden,
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die NS-Verbrechen seien ja wirklich eine Schande. Und wenn man das Wort „völkisch“
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benutzt, dann kann man zu seiner Verteidigung vorbringen, man habe nur
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das Adjektiv zu „Volk“ gebildet. All das ist so geschehen. [...] Dieses diskursive
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Spiel einfach nicht mitzuspielen, kann eine geeignete Gegenmaßnahme sein –
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die schwarze Rhetorik fällt dann schnell in sich zusammen.
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Viel schwieriger ist es jedoch, die Wirkung von Metaphern in der politischen Kommunikation
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zu bewerten. Metaphern werden keineswegs mehr nur als Stilmittel
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in literarischen Texten angesehen. Vielmehr stellen sie eine fundamentale Methode
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dar, im Denken einen Erfahrungsbereich auf einen anderen zu übertragen
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– und dadurch den Ursprungsbereich besser zu verstehen oder anders zu beleuchten.
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Wer statt von „Seenotrettung“ von einem „Shuttle-Service“ spricht, der
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wird im Hörer Assoziationen, die mit regelmäßig verkehrenden Bussen oder
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Schiffen zu tun haben, auf den Ursprungsbereich übertragen: Ein Shuttle-Service
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ist Teil einer Reise, erfolgt gegen Geld, ist eine planbare Dienstleistung, unterliegt
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gewissen Qualitätsstandards, ist grundsätzlich nicht gefährlich – und so sollen
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dann auch die Ereignisse auf dem Mittelmeer gesehen werden. Es ist ein politisches
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Anliegen, die Assoziationen von Metaphern mit den ursprünglichen Gegebenheiten
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in Verbindung zu bringen, um sie in einer gewünschten Weise einzuordnen
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oder zu deuten.
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Derartige psychologische Mechanismen werden auch mit einem Begriff beschrieben,
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der [...] Konjunktur erfahren hat: „Framing“. Ein Frame umfasst Wissens- und
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Wahrnehmungsbestände, die sich in einem bestimmten Zusammenhang befinden:
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beim Frame des Shuttle-Service etwa das Shuttleboot, der Bootsführer,
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die Reisenden, die Reederei, die Tätigkeit des Transportierens, die alles miteinander
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verbindet. Der komplette Frame kann allein durch eines dieser Elemente
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aktiviert werden, durch das Bild eines Bootes etwa oder durch einen Fahrplan,
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aber eben auch durch ein Wort. In diesem Licht betrachtet, können Metaphern
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als die denkbar knappste Methode verstanden werden, mit sprachlichen Mitteln
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einen bestimmten Framing-Effekt zu erzielen.
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Neu ist dieses Vorgehen keineswegs. Propagandistisch wird es vor allem in totalitären
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Systemen eingesetzt, um das Eigene vom Fremden, das Gute vom Bösen
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und das Reine vom Verdorbenen zu trennen. Ganze Metaphernkomplexe wurden
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im Dritten Reich entwickelt und systematisch gepflegt, ob es sich nun um die
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antisemitischen Metaphern des Ungeziefers oder des Parasiten am Volkskörper
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handelt, um die Metapher der Volksgesundheit zur Legitimation von Euthanasie
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oder die des Lebensraums zur Begründung eines Angriffskriegs. Metaphern richten
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den Scheinwerfer auf bestimmte Eigenschaften eines Sachverhalts, während
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andere im Dunkeln liegen und umso schwerer erkennbar sind.
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Wenn man in der aktuellen politischen Debatte derartige Metaphern verwendet,
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schwingen diese Traditionen mit. Aus diesem Grund zucke ich selbst bei einem
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Wort wie „Ausgrenzeritis“ zusammen, das von einem AfD-Abgeordneten verwendet
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wurde, um die nur zögerliche Bereitschaft der etablierten Parteien zu bezeichnen,
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die AfD bei der Wahl in Parlamentsgremien zu berücksichtigen. Die Endung
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„-itis“ vermag fast jede mit Absicht ausgeführte Handlung in eine Krankheit zu
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verwandeln, die also ohne Sinn und Verstand über eine Person gekommen ist
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und nicht etwa das Ergebnis einer Überlegung darstellt, so kritikwürdig die gewonnene
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Auffassung auch sein mag.
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Eine alte Tradition findet sich auch in der Kriegsmetapher, die für die politische
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Auseinandersetzung zur Konvention geworden ist („Wahlkampf“, „rechtes/linkes
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Lager“). Allerdings gibt es die Übereinkunft, sie nicht kreativ zu erweitern und von
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einer „Jagd“ auf den politischen Gegner zu sprechen, wie es Alexander Gauland
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nach der Bundestagswahl getan hat.
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Offensichtlich mangelt es an einer Ethik der Metapher. Was sagt das Bildfeld, in
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das uns die Metapher trägt, über den Sachverhalt aus? Werden wesentliche Aspekte
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unterdrückt, andere überbetont, wenn wir sie mit den Fakten abgleichen?
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Wo verstößt eine Metapher gegen allgemeine moralische Standards, nach denen
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Menschen nicht als Ungeziefer oder Meinungen nicht als Krankheit bezeichnet
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werden? Trägt eine Metapher in ihrer Absolutheit zu einer Verhärtung der Fronten
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bei und verhindert so einen Ausgleich – wenn etwa von „Agrarmafia“ die Rede
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ist?
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Leider scheint die wahre Aufgabe einer politischen Argumentation aber darin zu
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liegen, die eigene Gruppenzugehörigkeit und die damit verbundenen Meinungen
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und Auffassungen nach den Maßstäben der Vernunft abzusichern und sich damit
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auch der anderen Mitglieder der eigenen Gruppe zu vergewissern. Die Metaphern
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in der politischen Kommunikation haben also nicht die Aufgabe, jemand
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anderen zu überzeugen, sondern vielmehr die eigene Seite mit Bildern zu versehen,
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die geeignete Framing-Effekte, Schlussfolgerungen und Narrative hervorrufen.
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[...]
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Wie soll man nun mit all dem umgehen? Das Gespräch ist, wie der Bundespräsident
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empfiehlt, ein guter Anfang. Wenn uns aber die Vernunft vorzugsweise
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dazu dient, Verteidigungswälle für die eigene Meinung zu errichten, dann sollten
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zuallererst Abrüstungsverhandlungen unternommen werden. Das sprachliche
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Waffenarsenal sollte als solches Gesprächsthema sein, die Gültigkeit also all der
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metaphorischen Zuspitzungen, Fahnenwörter und Slogans, die eingesetzt werden,
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um eine bestehende Konfrontation zu befeuern. Wenn schon nicht die gegenseitige
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Überzeugung durch Argumente gelingt, so kann zumindest das Gespräch
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über die sprachliche Gestalt, in die die vermeintlich rationale Argumentation
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gekleidet ist, eine Annäherung bewirken. Auf dieser Ebene kann die Sprachwissenschaft
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tatsächlich etwas zur öffentlichen Diskussionskultur beitragen.
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Auch die Medien sollten häufiger auf die originelle Metapher verzichten und stattdessen
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die präzise, differenziertere sprachliche Form wählen. Das ist nicht
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gleichbedeutend mit Langweiligkeit, denn genauso wenig, wie sich eine gute Reportage
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auf Erfundenes stützen muss, sollte sich auch die sprachliche Bezeichnung
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komplexer Sachverhalte auf Metaphern stützen, die nur teilweise tragen.
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Bilder und Analogien sind zwar wichtig, um etwas Kompliziertes besser zu verstehen,
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aber dann sollte dies auch als ein Vergleich unterschiedlicher Dinge erkennbar
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bleiben und nicht in der Metapher miteinander verschmelzen.
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Die kognitive Substanz der Metapher mit ihrem unausgesprochenen Absolutheitsanspruch
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kann nämlich wie ein Gift wirken, deshalb bedarf sie der Kontrolle
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durch die Erkennbarkeit des Bildes als Vergleich. Die Flucht- und Rettungsereignisse
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im Mittelmeer mit dem Wort „Shuttle-Service“ zu bezeichnen, verzerrt die
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tatsächlichen Ereignisse auf unheilvolle Weise. Sie mögen manchen in einigen
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Punkten an so etwas wie einen Shuttle-Service erinnern, in anderen aber nicht –
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darüber lässt sich diskutieren, und so viel sprachliche Differenzierung muss
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schon sein, wenn uns unser friedliches Miteinander etwas wert ist. Deshalb sollten
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wir verabsolutierende Metaphern in der öffentlichen Debatte sich nicht ungehindert
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verbreiten lassen, sondern ihre Gültigkeit sofort zum Thema machen, um
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ihre schädliche Wirkung zu neutralisieren. Wir sollten uns nicht darauf verlassen,
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dass jede Form des Sprachkampfs, und sei sie auch noch so verzerrend und
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verletzend, tatsächlich nur im Sprachlichen verbleibt.
Anmerkungen zum Autor:
Henning Lobin (* 1964) ist der Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim und Professor für Germanistische Linguistik an der Universität Mannheim. Aus: Lobin, Henning: Warum wir eine Ethik der Metapher brauchen. Süddeutsche Zeitung. (21.02.2019); letzter Zugriff am 27.02.2021.
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Einleitung
- Metaphern werden oft primär als rhetorisches Werkzeug in poetischen Kontexten gesehen. Dabei sind sie fester Bestandteil unserer gegenwärtigen Alltagssprache. Häufig schwingen sie in unseren kommunikativen Äußerungen mit und kommen unbewusst oder bewusst gerade dann zum Einsatz, wenn wir einen bestimmten Sachverhalt nicht explizit ausdrücken möchten, sondern sprachliche Bilder zu Zwecken der Veranschaulichung oder Merkbarkeit einsetzen. Oft haben Metaphern dabei auch einen hyperbolischen Charakter.
- Das Phänomen der Metapher begegnet uns in harmlosen Kontexten tagtäglich. Metaphern können jedoch auch auf manipulativer Ebene eingesetzt werden. Wie mit jeder Art von Sprache lässt sich auch mit Metaphern gezielt auf Denk- und Verhaltensweisen des Menschen Einfluss nehmen.
- Diese stets aktuelle sprachliche Debatte wird im folgenden Zeitungsartikel von Henning Lobin unter dem Titel Warum wir eine Ethik der Metapher brauchen aus dem Jahr 2019 diskutiert. Im Folgenden sollen der Argumentationsgang und die Intention des Textes dargestellt werden.
Hauptteil
- Zu Beginn des Textes beschreibt Henning Lobin seine gespaltene Reaktion auf die aktuell laufenden diversen Debatten und Beiträge z. B. von Politikern über das Phänomen Sprache. Die Grundlage solcher Diskussionen sind dabei oft Themen wie der Sprachverfall oder Formen „‚sprachliche[r] Gewalt‘“ (Z. 8).
- Daraufhin nennt er zwei Formen sprachlicher Übergriffe, die es laut ihm zu unterscheiden gilt. Gegen die sogenannten „direkten Beleidigungen“ (Z. 11) kann das Opfer auf juristischem Wege ankämpfen. Hingegen hilft bei „diskursiven Strategien“ (Z. 18), die mit einer „strategische[n] Absicht“ (Z. 20) unternommen werden, ausschließlich das Ignorieren („Dieses diskursive Spiel einfach nicht mitzuspielen, kann eine geeignete Gegenmaßnahme sein“, Z. 27 f.). Diese Äußerungen werden in der Praxis häufig revidiert oder umgedeutet (vgl. 20-27).
- Weniger eindeutig bestimmbar sind laut ihm sprachliche Bilder, sogenannte Metaphern, da sie Einfluss auf unser Denken haben. Die Metapher versteht Lobin als Werkzeug, um „einen Erfahrungsbereich auf einen anderen zu übertragen – und dadurch den Ursprungsbereich besser zu verstehen oder anders zu beleuchten“ (Z. 33 f.). Auf Grundlage dieser Definition kommt Lobin zu der Schlussfolgerung, dass ein Sprecher mit dem bewussten Einsatz einer Metapher seinen Zuhörer „in einer gewünschten Weise“ (Z. 42) manipulieren kann. Dies stellt er mithilfe des folgenden Beispiels dar: Statt der Verwendung des gängigen Begriffs „‚Seenotrettung‘“ (Z. 35) zur Bezeichnung der Rettung geflüchteter Menschen wird der Begriff „‚Shuttle-Service‘“ (Z. 35) herangezogen, der den gesamten Sachverhalt in seiner Bedeutung jedoch verharmlost und weniger realitätsgetreu darstellt.
- Dann widmet sich der Autor dem Fachbegriff des „‚Framing[s]‘“ als pragmatisches Medium. Unter einem „Frame“ (Z. 45) versteht der Autor „Wissens- und Wahrnehmungsbestände, die sich in einem bestimmten Zusammenhang befinden.“ (Z. 45f.) Laut Lobin verfügt der Mensch über ein gigantisches Wissensspektrum, dessen Frames bei der Wahrnehmung von etwas Gesagtem automatisch aktiviert werden und Sinnzusammenhänge herstellen können (vgl. Z. 49ff.). Die Ergebnisse, die bewusst eingesetzte Metaphern erreichen, fasst er unter dem Begriff „Framing-Effekt[e]“ (Z. 53) zusammen.
- Diese Vorgehensweise ist für Henning Lobin keineswegs ein Novum (vgl. Z. 54). Die Wurzeln der Verwendung von Metaphern auf manipulativer Ebene sieht der Autor in den totalitären und propagandistischen Systemen im Dritten Reich (vgl. Z. 54-62). Als Beispiele nennt er die „Metaphern des Ungeziefers oder des Parasiten am Volkskörper [...] die Metapher der Volksgesundheit zur Legitimation von Euthanasie [sowie] die des Lebensraums zur Begründung eines Angriffskriegs.“ (Z. 58 ff.) An dieser Stelle macht der Autor nochmals deutlich, dass Metaphern bereits in der Vergangenheit bewusst zur manipulativen Beeinflussung eingesetzt wurden, um bestimmte Themen in den Vordergrund zu stellen (vgl. 60 ff.).
- Auch im heutigen politischen Diskurs werden wir noch mit diesen alten Traditionen konfrontiert. Der Autor exemplifiziert dies anhand der auch heute noch von der AfD verwendeten sprachlichen Endung „‚-itis‘“ (Z. 68) sowie der sogenannten „Kriegsmetapher“ (Z. 72).
- Nachfolgend verstärkt der Autor mit seiner Schlussfolgerung „Offensichtlich mangelt es an einer Ethik der Metapher“ (Z. 77) seine eingangs dargestellte Intention aus der Überschrift Warum wir eine Ethik der Metapher brauchen. Nach Lobin besteht der bewusste manipulative Einsatz von Metaphern im politischen Diskurs nicht in der bloßen argumentativen Überzeugung von politischen Anhängern, sondern in der Durchsetzung eigener „Auffassungen“ (Z. 87) und Meinungen (vgl. Z. 85-91).
- Gegen Ende seines Textes schreibt Lobin über seine Strategien im Umgang mit Metaphern und nennt mögliche Verbesserungsvorschläge in Bezug auf diese sprachliche Problematik (vgl. Z. 93-124). Neben sprachwissenschaftlichen Diskursen in der Öffentlichkeit schlägt er auch den Verzicht unklarer Metaphern insbesondere im Fall von „komplexe[n] Sachverhalte[n]“ (Z. 108) in den Medien vor. Er ruft die Medien dazu auf, Sprache präzise zu verwenden, objektiv zu sein und mit Analogien zu arbeiten (Vgl. Z. 104 ff.). Weiterhin macht Lobin auf die Verzerrung von Sachverhalten aufmerksam (Z. 114-119) und weist auf den „unausgesprochenen Absolutheitsanspruch“ (Z. 112) der Metaphern hin. Mit einem Appell, die „verabsolutierende[n] Metaphern in der öffentlichen Debatte“ (Z. 120) zu reflektieren und nicht ungefiltert weiterzugeben, beendet Lobin seinen Artikel.
Fazit
- Der Autor Henning Lobin plädiert ganz klar für eine Ethik der Metapher und macht auf einige Probleme und Herausforderungen der metaphorischen Sprache im öffentlichen Diskurs aufmerksam, die Teil einer spannenden und jederzeit aktuellen Debatte sind.
- Metaphern erreichen uns tagtäglich und bilden schon lange einen festen Teil unserer Sprache. Dass Metaphern im öffentlichen Sprachgebrauch auch negative Auswirkungen auf unser gemeinschaftliches Zusammenleben und einen konstruktiven politischen Diskurs haben, ist vielen nicht bekannt.
- Durch den Appell am Ende des Textes wird der Leser zur eigenen Reflexion seines metaphorischen Sprachgebrauchs angeregt. Jeder kann zu einer ethisch unbedenklichen Verwendung von Metaphern beitragen, indem der eigene Sprachgebrauch hin und wieder reflektiert und mit der Metapher als sprachliches Werkzeug sensibel umgegangen wird.
Teilaufgabe 2
Überleitung
- Metaphern gehören zu den Grundlagen unserer Kommunikation, unseres Denkens und Handelns. Sie prägen neben unserem Sprachverständnis auch unser Verständnis von der Welt, in der wir leben.
- Dass Metaphern jedoch nicht nur positiven Einfluss auf unser Zusammenleben haben, macht Henning Lobin der Leserschaft seines Artikels Warum wir eine Ethik der Metapher brauchen eindringlich klar.
- In der folgenden Erörterung sollen auf der Grundlage von Lobins Artikel und darüber hinaus Argumente für und gegen den Appell des Autors, eine „Ethik der Metapher“ durchzusetzen, gefunden werden.
Hauptteil
Argumente für eine „Ethik der Metapher“- Durch den Prozess des „‚Framing[s]‘“ kommt es zur Anwendung der eigenen Wertehaltung auf ein bestimmtes politisches Thema. Durch sprachliche Phänomene wie diesem wird ein Zuhörer womöglich nur mit einer von vielen Sichtweisen konfrontiert und nimmt die jeweilige gehörte Weltsicht, wenn auch unbewusst, als die einzig Wahre an (z. B. im Kontext von Parlamentsreden extremer Parteien).
- Viele geläufige Metaphern haben sich mittlerweile so sehr in unseren Köpfen verfestigt, dass sie zu einem festen Bestandteil unseres Sprachschatzes geworden sind, obwohl sie bei genauem Hinsehen Ungenauigkeiten oder sogar Widersprüche aufweisen. Die Bezeichnung „Globale Erwärmung“ als überspitztes Beispiel: „Wärme“ ist im Grunde genommen etwas Positives.
- Eine diskriminierungsfreie, geregelte und ethisch harmlose Sprachkultur im öffentlichen Raum könnte einen positiven Einfluss auf das gesellschaftliche Zusammenleben haben; Fokus auf konstruktive und klar formulierte Diskussionsbeiträge in öffentlichen Debatten oder Parlamentsreden; den Interpretationsrahmen für Rezipienten und die mögliche Gefahr von Ungereimtheiten und Widersprüchen so klein wie möglich halten
- Metaphern haben eine enorme Wirkungsmacht, steuern unsere Wahrnehmung, haben Auswirkungen auf unser Weltbild und verbreiten sich extrem schnell. Wir kommen ständig in Kontakt mit Metaphern. Somit etablieren sich auch damit verbundene Halbwahrheiten zügig.
- Wie sensibel unsere Sprache wirklich ist und wie schnell sie für Aufwind sorgt, zeigen immer wieder Beispiele aus dem politischen Bereich. Ein aktuelles Beispiel in Bezug auf die Wirkungsmacht von Metaphern ist die Namensänderung der rechtsextremen Partei NPD zu „Die Heimat“. Die Politisierung des Begriffs „Heimat“ sorgt in Deutschland seit jeher für Aufwind. Im Dritten Reich wurde der „Heimatbegriff“ zum nationalsozialistischen „Kampfbegriff“ und gilt seitdem in politischen Kontexten häufig noch als schwieriger Ausdruck, der an eine Ideologie erinnert, von der man sich heute distanzieren möchte. Im Rahmen von sprachwissenschaftlichen Diskursen könnte in der heutigen Zeit endlich für Klarheit gesorgt werden.
- Die öffentliche Meinung wird ständig durch die Medien beeinflusst und gelenkt. Der Journalismus sollte sich seiner enormen Einflusskraft auf die Bevölkerung bewusst sein sowie seine meinungsbildende Funktion jederzeit hinterfragen und reflektieren, sodass Informationen nicht ungefiltert an die Menschen gelangen und die Manipulation der öffentlichen Meinung so weit wie möglich ausgeschlossen werden kann.
- Wie von Lobin bereits angedeutet (Z. 35-41) kann der bewusste Einsatz von Metaphern als Strategie der Verharmlosung eines bestimmten Sachverhalts verwendet werden (z. B. der bewusste Einsatz bestimmter Metaphern, um positive bzw. negative Emotionen auszulösen).
- Selbstregulierung: Auf unsere Sprache achten; fest in unserem Sprachgebrauch verankerte Metaphern hinterfragen; auf versteckte Bedeutungen (Framing) in der eigenen Sprache achten, diese bewusst kontrollieren sowie versteckte Bedeutungen anderer Personen hinterfragen, um „verabsolutierende Metaphern“ (Z. 120) zu vermeiden
- Der kognitionswissenschaftliche Aspekt des Framings: Frames beeinflussen unser menschliches Handeln und Denken; erinnern uns an frühere Erfahrungen; stellen Sinnzusammenhänge her; innerhalb der Kommunikation werden unzählige Assoziationsketten aktiviert
- Zu Metaphern können auch Assoziationen zählen, die wir bereits als Kind verinnerlicht haben. Es ist unumgänglich, dass wir Menschen Gehörtes auf bereits Erlebtes und Erlerntes zurückführen und wir damit Verknüpfungen herstellen, die Verständnis, Reflexion und generelle Kommunikation überhaupt erst ermöglichen. Wir denken ständig in Metaphern und auch Frames lassen sich nicht verneinen. Sowohl Frames als auch Metaphern bedienen sich einer kognitiven, automatischen Aktivierung von Assoziationsketten, helfen uns dabei, sie mit Vorstellungen zu verbinden und haben einen großen und wichtigen Einfluss auf unser Weltbild.
- Auch Lobin beschreibt die uneindeutige Bewertung der „Wirkung von Metaphern in der politischen Kommunikation.“ (Z. 30) Wir erkennen gar nicht immer, dass metaphorische Konstruktionen innerhalb der Kommunikation verwendet werden. Die Aktivierung von Assoziationsketten erfolgt meist unbewusst.
- Metaphern und sprachliche Bilder begegnen uns in unserem alltäglichen Sprechen ständig. Auch im poetischen („Es schlug mein Herz, geschwind, zu Pferde“ aus Goethes Willkommen und Abschied) oder kommerziellen Kontext („Wecke den Tiger in dir!“ aus der Kellog's Frosties Werbung) sind wir mit ihnen konfrontiert. Sie sorgen für die Authentizität und Lockerheit von Texten, für ein besseres Verständnis und die Verbildlichung komplexer Themen. Lobin gibt indirekt selbst zu: „Bilder und Analogien sind (zwar) wichtig, um etwas Kompliziertes besser zu verstehen.“ (Z. 109)
- Eine „Ethik der Metapher“ ist in der Praxis nur schwer umzusetzen. Sprachwissenschaftliche Änderungen erscheinen unrealistisch. Der ständige Kontakt mit Metaphern, individuelle Assoziationsketten je nach Person sowie die unermessliche Fülle von Metaphern und ihre Wirkungsmacht erschweren eine mögliche Veränderung. Innerhalb politischer Diskurse werden Metaphern nicht nur ausschließlich zur Manipulation eingesetzt, sondern können ihre Zuhörer je nach Thema z. B. auch zu mehr Solidarität und Gemeinschaft aufrufen.
- Eine „Ethik der Metapher“ stände im Widerspruch zur Presse- und Meinungsfreiheit: Die öffentliche Meinung hat die wichtige Aufgabe, die Politik zu kontrollieren. Meinungsfreiheit ermöglicht einen Meinungspluralismus und eine demokratische Willensbildung.
- Die Änderung hin zu einer ethisch unbedenklichen Sprache reicht allein nicht aus, weil es eines nachhaltigen Umdenkens in den Köpfen der Menschen, einer Änderung ihrer Gedanken- und Verhaltensweisen bedarf. Dazu kommt die Gefahr möglicher Gegenbewegungen: Das Interesse an sprachlichen Techniken und Metaphern wird erhöht. Sie werden womöglich vermehrt als manipulative Techniken eingesetzt.
Schluss
- Zusammengefasst lassen sich sowohl einige Argumente für als auch Einwände gegen eine „Ethik der Metapher“ finden. Selbst wenn dieses Konzept in der Theorie aufgeht, ist es in der Praxis schwer umzusetzen. Die Selbstregulierung des eigenen metaphorischen Sprachgebrauchs kann als gesunder und realistischer Kompromiss innerhalb dieser Debatte gesehen werden.
- Aus kognitionswissenschaftlicher Perspektive ist das „‚Framing‘“ (Z. 45), welches Henning Lobin als „Wissens- und Wahrnehmungsbestände, die sich in einem bestimmten Zusammenhang befinden“ (Z. 42 f.) definiert, ein für uns Menschen wichtiges kognitives System und eine Art Netzwerk, mit dem wir Metaphern in Verbindung setzen können. Im Alltag ist es uns stets behilflich, um abstrakte Ideen zu verstehen. Dieser enorme Nutzen für uns Menschen sollte nicht aufgegeben werden.
- Letztlich sei gesagt, dass sprachwissenschaftliche Debatten wie diese uns erneut vor Augen führen, wie sensibel und fragil unser sprachliches System doch ist. Nicht selten machen kleinste sprachliche Nuancen einen großen Unterschied in unserem Sprechen.