HT 3 – Ökologie
Thema: Die Rispen-Flockenblume in Nordamerika
1.
Erkläre allgemein Eigenschaften von invasiven Arten und begründe das invasive Potenzial der Rispen-Flockenblume (Material A). Fasse die in Material B gezeigten Ergebnisse zu Rispen-Flockenblumen aus Europa und Nordamerika zusammen (Material B). Entwickle evolutionsbiologisch begründete Hypothesen zur Erklärung der Unterschiede (Material A und B).
(24 Punkte)
2.
Fasse die in Material C dargestellten Ergebnisse zusammen und deute diese im Hinblick auf die ökologischen Beziehungen (Material C).
(12 Punkte)
3.
Skizziere auf der Grundlage von Material D ein Nahrungsnetz und gib die Trophieebenen an (Material D). Erläutere die Bedeutung der Bohrfliegen für die Hirschmäuse und entwickle eine Hypothese zu den Populationsentwicklungen von Hirschmäusen und Rispen-Flockenblumen in Nordamerika nach Einführung der Bohrfliegen (Material D).
(21 Punkte)
4.
Beurteile die Einführung der Bohrfliegen zur biologischen Bekämpfung der Rispen-Flockenblume in Nordamerika und entwickle eine alternative Vorgehensweise (Material A bis D).
(9 Punkte)
Material A: Die Rispen-Flockenblume
Die Rispen-Flockenblume (Centaurea maculosa) ist eine Pflanze aus der Familie der Korbblüter (Asteraceae). Sie bevorzugt trockene und halbtrockene Standorte. Die Lebensdauer beträgt drei bis fünf Jahre. Die Blüten werden durch Insekten bestäubt, allerdings ist auch eine Selbstbestäubung möglich. Jede Pflanze bildet pro Jahr durchschnittlich etwa 1000 Samen, die über mehrere Jahre im Boden keimungsfähig bleiben. Es konnte zudem gezeigt werden, dass etwa ein Fünftel der von Schafen gefressenen Samen keimungsfähig blieben. Grundsätzlich werden Rispen-Flockenblumen jedoch von größeren Herbivoren eher gemieden. Die Pflanzen bilden den Stoff Cnicin in kleinen Härchen auf den Blättern, den Trichomen. Cnicin hemmt im Verdauungstrakt von Schafen das Wachstum von Bakterien, die für die Verdauung der pflanzlichen Nahrung wichtig sind. Der Stoff führt zu Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen und Durchfall.Material B: Die Rispen-Flockenblume aus Europa und Nordamerika
Die Rispen-Flockenblume stammt ursprünglich aus Europa und Asien. Dort ist die Rispen-Flockenblume meist vereinzelt bis mäßig häufig verbreitet. Die Pflanze hat sich allerdings seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Teilen Nordamerikas ausgebreitet und verdrängt dort heimische Pflanzenarten. Die nordamerikanischen Rispen-Flockenblumen gehen wahrscheinlich auf eine osteuropäische Population zurück. Um Erkenntnisse über die Hintergründe der Ausbreitung in Nordamerika zu gewinnen, wurden Rispen-Flockenblumen aus Europa und Nordamerika im Gewächshaus in Töpfen entweder alleine oder zusammen mit dem Blaubüschel-Weizengras (Pseudoroegneria spicata) angezogen. P. spicata ist eine in Nordamerika heimische Grasart. Bei den Rispen-Flockenblumen wurden Biomasse und Blütenanzahl unter beiden Bedingungen ermittelt (Abbildung 1). Zudem wurde die Dichte ihrer kleinen Blatthärchen, der Trichome, auf den Blättern bestimmt (Abbildung 2) und die Fraßschäden durch Raupen der Aschgrauen Höckereule (Trichoplusia ni), einem Schmetterling, ermittelt (Abbildung 3). Die Aschgraue Höckereule kommt in weiten Teilen der Welt vor, auch in Eurasien und Nordamerika.
Abb. 2: Trichome pro Blattfläche

Abb. 3: Fraßschäden durch Raupen der Aschgrauen Höckereule
Material C: Wachstum nordamerikanischer Pflanzen
Im US-Bundesstaat Montana wurde der Einfluss der Rispen-Flockenblume auf das Wachstum heimischer Pflanzenarten im Freiland untersucht. Als Maß für das Wachstum verwendete man den Bedeckungsgrad, der angibt, welcher Anteil der Untersuchungsfläche durch die betrachtete Pflanzenart bewachsen ist (Tabelle 1). An vergleichbaren Standorten, an denen die Rispen-Flockenblume nicht wächst, ist der Bedeckungsgrad des Idaho-Schwingels und des Blaubüschel-Weizengrases typischerweise etwa 15 bis 20 Prozent.
Tab. 1: Bedeckungsgrad verschiedener Pflanzenarten in einem Untersuchungsgebiet im US-Bundesstaat Montana.

Material D: Bohrfliegen und Hirschmäuse
Zur Bekämpfung der Rispen-Flockenblume in Nordamerika wurden im Jahr 1973 Bohrfliegen der Gattung Urophora aus Europa eingeführt. Die eingeführten Arten legen ihre Eier wirtsspezifisch in die Fruchtstände von Rispen-Flockenblumen. Ihre Larven schlüpfen ab August und überwintern in den Fruchtständen, indem sie dort die Bildung von Gewebewucherungen, den Gallen, auslösen. Dadurch sinkt die Zahl der Samen bei befallenen Rispen-Flockenblumen. Die Larven entwickeln sich im Juni zu ausgewachsenen Fliegen und schlüpfen aus den Gallen. In Gebieten, in denen sich die Flockenblumen ausbreiten, leben auch Hirschmäuse (Peromyscus maniculatus). Es wurde beobachtet, dass die Hirschmäuse die Fruchtstände der Rispen-Flockenblume anknabbern und so die Fruchtstände schädigen. Um Erkenntnisse über die Nahrung der Hirschmäuse zu erhalten, wurden ihre Mageninhalte untersucht (Abbildung 5).
Abb. 5: Nahrung der Hirschmäuse im Jahresverlauf
Die Samen der Rispen-Flockenblumen fanden sich nur im Zeitraum von September bis November in den Mägen
der Hirschmäuse; im Dezember wurden keine Mäuse untersucht.
Die Samen der Rispen-Flockenblumen fanden sich nur im Zeitraum von September bis November in den Mägen
der Hirschmäuse; im Dezember wurden keine Mäuse untersucht.
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Eigenschaften invasiver Arten
- Invasive Arten breiten sich sehr stark in einem bestimmten Lebensraum aus, und sind damit in der Lage, einheimische Arten zu verdrängen.
- Durch ihre hohe Anpassungsfähigkeit und Stresstoleranz in neuen Lebensräumen können sie sich dort schnell vermehren und haben keine oder nur wenige natürliche Feinde.
- Diese Konkurrenzstärke gegenüber anderen Arten verleiht invasiven Arten eine hohe ökologische Potenz.
- Die Rispen-Flockenblume kann auch an trockenen Standorten problemlos wachsen, und ist in der Lage sich selbst zu bestäuben. Damit ist sie im Vergleich zu anderen Pflanzenarten besser gegen den Klimawandel gerüstet.
- Ihre Samen sind in der Lage, über mehrere Jahre im Boden keimungsfähig zu bleiben, und ein Fünftel der Samen bleiben auch noch keimungsfähig nachdem sie von Schafen gefressen (und damit auch verbreitet) werden. Damit hat sie eine hohe Reproduktionsrate.
- Im Allgemeinen wird die Rispen-Flockenblume eher von Tieren gemieden, da sie den Stoff Cnicin bildet, der Verdauungsprobleme auslöst. Damit hat die Rispen-Flockenblume nur wenige natürliche Feinde.
- Sie besitzt somit ein hohes invasives Potenzial.
- Ohne P. spicata bildet die nordamerikanische Rispen-Flockenblume eine höhere Biomasse, aber eine geringere Blütenzahl als die europäische Art.
- In Anwesenheit von P. spicata geht die Biomasse und die Blütenzahl der europäischen Art stärker zurück, als die der amerikanischen Variante.
- Auffällig ist auch die höhere Trichomdichte bei der nordamerikanischen Art.
- Die nordamerikanische Rispen-Flockenblume wird außerdem seltener von der Aschgrauen Höckereule beschädigt.
- Die nordamerikanische Population geht vermutlich auf eine europäische Gründerpopulation zurück. In Nordamerika herrschen andere Selektionsbedingungen als in Europa. Je nach Region können sich so unterschiedliche Allele als Selektionsvorteil erwiesen haben. Dies erklärt die unterschiedliche Merkmalsausprägung der beiden Arten.
- Mutationen nach der Einschleppung können ebenfalls einen Selektionsvorteil für eine Pflanze mit einem bestimmten Merkmal dargestellt haben. Zum Beispiel könnte ein mutiertes Allel die Trichom-Dichte an der Pflanze erhöht haben, und somit für verringerte Fraßschäden durch Herbivore gesorgt haben.
- Gründereffekt: Durch Zufall könnten bei der neuen Population mehr Individuen seltene Allele tragen. Die Reproduktion dieser Individuen könnte die Allelfrequenz verschoben haben, und es würden mehr Individuen mit veränderten Merkmalen (wie beispielsweise erhöhte Biomasse oder Blütenzahl) existieren.
- Koevolution sorgt für eine Anpassung interspezifischer Konkurrenten an die Rispen-Flockenblume.
- Auch für die Aschgraue Höckereule trifft dieser Sachverhalt zu. Da sie in Europa länger mit der Rispen-Flockenblume in einem Lebensraum evolvierte, als in Nordamerika, konnte sie sich auf die europäische Art spezialisieren. Das könnte ein Grund sein, warum europäische Rispen-Flockenblumen vermehrt von der Aschgrauen Höckereule beschädigt wurden.
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Zusammenfassung der in Material C dargestellten Ergebnisse:
- Die Rispen-Flockenblume verdrängt heimische Pflanzenarten. So ist der Anteil heimischer Arten (wie dem Idaho-Schwingel und dem Blaubüschel-Weizengras) viel geringer, als ohne die Anwesenheit der Rispen-Flockenblume.
- Wird der Idaho-Schwingel gemeinsam in einem Topf mit der Rispen-Flockenblume angezogen, so ist seine Biomasse in Anwesenheit von Aktivkohle höher als ohne Aktivkohle.
- Wächst die Rispen-Flockenblume gemeinsam mit dem Idaho-Schwingel in einem Topf, und wird keine Aktivkohle zugesetzt, so ist die Biomasse der Rispen-Flockenblume höher.
- Es besteht eine Konkurrenz der Rispen-Flockenblume mit heimischen Pflanzenarten wie dem Idaho-Schwingel und dem Blaubüschel-Weizengras um Ressourcen wie Licht, Wasser und Raum.
- Indem die Rispen-Flockenblume bestimmte Stoffe in den Boden abgibt, wird das Wachstum anderer Pflanzenarten wie dem Idaho-Schwingel gehemmt. Der Rispen-Flockenblume stehen dadurch mehr Ressourcen zur Verfügung und sie wächst besser.
- So könnte die Rispen-Flockenblume einheimische Arten verdrängen.
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Nahrungsnetz auf Grundlage von Material D:
Trophieebenen:

- Die Rispen-Flockenblumen und andere Pflanzenarten können zu den Produzenten gezählt werden.
- Die Bohrfliegen-Larven sind Primärkonsumenten (1. Ordnung)
- Hirschmäuse sind Primär- und Sekundärkonsumenten (1. und 2. Ordnung), da sie sich sowohl von den Fruchtständen der Rispen-Flockenblume als auch von Bohrfliegen-Larven ernähren.
- In den Wintermonaten von Januar bis einschließlich April stellen Bohrfliegen-Larven die Hauptnahrungsquelle der Hirschmäuse dar, und sind in dieser Zeit essenziell für ihr Überleben.
- Auch im Mai und von August bis November stellen sie eine wichtige Nahrungsquelle für die Hirschmäuse bereit.
- Allein in den beiden Sommermonaten Juni und Juli sind Bohrfliegen-Larven kein Bestandteil der Nahrung der Hirschmäuse, da in dieser Zeit keine Bohrfliegen-Larven in den Fruchtständen der Rispen-Flockenblume leben.
- Im Schnitt stellen Bohrfliegen-Larven anteilsmäßig die bevorzugte Nahrungsquelle der Hirschmäuse dar, und sind damit innerhalb weniger Jahrzehnte zur wichtigsten Nahrungsquelle der Hirschmäuse aufgestiegen.
- Breitet sich die Rispen-Flockenblume in Nordamerika aus, so können auch mehr Bohrfliegen in deren Fruchtständen nisten. Durch das hohe Nahrungsangebot von Bohrfliegen-Larven ist zu erwarten, dass die Population der Hirschmäuse steigt.
- Da Bohrfliegen-Larven die Samenbildung der Rispen-Flockenblume durch Gallenbildung beeinträchtigen, sollte die Population der Rispen-Flockenblumen zurückgehen.
- Durch den Anstieg der Hirschmaus Population werden vermehrt Bohrfliegen-Larven gefressen und deren Population dezimiert. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Population der Rispen-Flockenblume aus.
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Einführung der Bohrfliegen zur biologischen Bekämpfung der Rispen-Flockenblume in Nordamerika:
- Bohrfliegen eignen sich sehr gut zur Bekämpfung der Rispen-Flockenblume, da sie wirtsspezifisch sind, und somit nur die Rispen-Flockenblume schädigen, nicht aber heimische Pflanzenarten.
- Bohrfliegen-Larven eignen sich jedoch als hervorragende Nahrungsquelle für Hirschmäuse. Diese reduzieren den Bestand der Bohrfliegen-Larven, was der Rispen-Flockenblumen Population zugutekommt.
- Hirschmäuse sind Überträger der Hantaviren. Vermehren sich Hirschmäuse stark, so kann das eine gesundheitliche Gefährdung für den Menschen darstellen.
- Die Einführung der Bohrfliege in Nordamerika bringt somit nicht gänzlich den erwünschten Effekt. Somit sollte die Bekämpfung der Rispen-Flockenblume um zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden.
- Eine Alternative könnte die Einführung einer anderen Art sein, die die Ausbreitung der Rispen-Flockenblume eindämmt, gleichzeitig aber keine Nahrungsquelle für potenzielle Fressfeinde darstellt. So ließe sich die Effizienz der Bekämpfung erhöhen und das gesundheitliche Risiko für den Menschen minimieren.
- Eine weitere Option ist der Einsatz chemischer Bekämpfungsmittel. Man sollte dabei darauf achten, dass das Ausbringen dieser Mittel zeitlich so erfolgt, dass noch keine Samen gebildet wurden, da diese bis zu fünf Jahren im Boden überdauern können. Zudem sollten die Chemikalien kein gesundheitliches Risiko für heimische Tier- und Pflanzenarten darstellen.