HT 1 – Signaltransduktion, Ökologie

Thema: Duftwahrnehmung bei Drosophila

1.
Stelle auf Grundlage von Abbildung 1A und 1B die Signaltransduktion an olfaktorischen sensorischen Neuronen von Insekten in einem Fließschema dar (Material A). Erkläre auf neurophysiologischer Ebene den Verlauf des in Abbildung 1C dargestellten Rezeptorpotentials (Material A).
(13 Punkte)
2.
Erkläre ausgehend von einem Rezeptorpotential die Erregungsleitung bis zur Entstehung von Aktionspotentialen bei einem olfaktorischen sensorischen Neuron und erläutere auf dieser Basis die in Abbildung 2A dargestellten Ergebnisse (Material B). Werte die in Abbildung 2B dargestellten Ergebnisse in Bezug auf die Wahrnehmung von Limonen aus (Material B).
(14 Punkte)
3.
Fasse die in Abbildung 3 gezeigten Ergebnisse zusammen und werte diese im Hinblick auf den Bruterfolg von D. melanogaster und L. boulardi aus (Material C). Gib eine Definition für den Begriff reproduktive Fitness an und erläutere die Bedeutung des olfaktorischen sensorischen Neurons ai2A für die reproduktive Fitness von D. melanogaster (Materialien B und C).
(23 Punkte)
4.
Analysiere den Stammbaum in Abbildung 4 bezüglich der geografischen Herkunft der verschiedenen Drosophila-Arten (Material D). Entwickle eine begründete Hypothese zur Evolution der artspezifischen Limonen-Wahrnehmung bei den afrikanischen Drosophila-Arten (Materialien B bis D).
(16 Punkte)

Material A: Duftwahrnehmung bei Drosophila melanogaster

Die Taufliege (Drosophila melanogaster) nimmt Duftstoffe mithilfe von Sinneshaaren, den Sensillen, wahr (Abbildung 1A). Diese befinden sich unter anderem an den Fühlern. Jede Sensille enthält mehrere unterschiedliche olfaktorische sensorische Neuronen (OSN). Jedes OSN besitzt nur einen Dendriten, der in die Sensille hineinragt. Das Axon führt direkt zum Riechzentrum im Insektengehirn. Durch Poren in der Cuticula, dem Außenskelett der Insekten, gelangen die Duftstoffe in die Sensille, lösen sich in der dort vorliegenden Flüssigkeit und können so zur Dendritenmembran der OSN gelangen. Dort binden sie kurzzeitig nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an spezifische olfaktorische Rezeptorproteine, wodurch ein Rezeptorpotential ausgelöst wird (Abbildungen 1B und 1C). Jede OSN besitzt nur einen Typ von Rezeptorproteinen. Diese bilden zusammen mit Co-Rezeptorproteinen einen Kationenkanal in der Dendritenmembran.
bio abi nrw duftwahrnehmung insekten
Abb. 1: Duftwahrnehmung bei D. melanogaster
A Aufbau einer Sensille mit zwei OSN; B Olfaktorische Rezeptorproteine in der Dendritenmembran eines OSN;
C Rezeptorpotential nach Reizung durch Zugabe eines Duftstoffes

Material B: Reaktion von OSN auf den Duftstoff Limonen

D. melanogaster kann verschiedenste Düfte wahrnehmen, wie etwa den Duft von Orangen. Der Orangenduft ist eine Mischung aus unterschiedlichen Duftmolekülen, unter anderem enthält er das Molekül Limonen, das als Duftstoff in Zitrusfrüchten vorkommt. Die Sensillen von D. melanogaster enthalten unterschiedliche OSN. So enthält etwa die Sensille ai2 die OSN ai2A und ai2B. Zur Untersuchung der Wahrnehmung von Duftstoffen wurden Ableitungen an einzelnen OSN von allen verschiedenen Sensillen der Fühler aufgenommen. Dazu wurden jeweils die Aktionspotentiale als Spannungsänderungen nach Zugabe des Duftstoffs Limonen gemessen (Abbildung 2).
bio abi nrw reaktion limonen
Abb. 2: Messung der Reaktion von OSN auf Limonen. A Reaktion des ai2A-Neurons. Der schwarze
Balken kennzeichnet die Dauer der Limonen-Zugabe. Die unterschiedlichen Höhen der dargestellten Span-
nungsänderungen sind messtechnisch bedingt. B Ergebnisse einer Auswahl von OSN auf Reizung mit Limonen
im Vergleich zur Grundaktivität. Auf der X-Achse ist die Bezeichnung der verschiedenen OSN angegeben.

Material C: Biologische Bedeutung der Limonen-Wahrnehmung

Die Taufliege Drosophila melanogaster legt ihre Eier auf unterschiedlichen Früchten ab, von denen sich ihre beinlosen Larven ernähren. Die Weibchen wählen die Eiablageplätze anhand verschiedener Kriterien aus, wie Farbe, Form, Oberflächenbeschaffenheit und Duft. Wenn die Weibchen zwischen verschiedenen Früchten wählen können, bevorzugen sie für die Eiablage grundsätzlich Orangen, die sie am Orangenduftstoff Limonen erkennen.
Die Schlupfwespe Leptopilina boulardi ist ein Parasitoid der Taufliege und legt ihre Eier in deren Larven. Die geschlüpfte Wespenlarve frisst die Fliegenlarve von innen her und verlässt als adulte Wespe deren Hülle. Bis zu 80% der Larven einer Taufliegen-Population können parasitiert sein. Daher sind parasitoide Wespen eine häufige Todesursache für D. melanogaster.
In einem Experiment wurde die Präferenz der Schlupfwespe L. boulardi für Limonen untersucht, das diese ebenfalls wahrnehmen kann. Dabei konnten in einem Y-Labyrinth zum einen 20 L. boulardi-Weibchen zwischen Orangen und Pflaumen und zum anderen 25 L. boulardi-Weibchen zwischen dem Limonen-ähnlichen Orangen-Duftstoff Valencen und einer duftstofffreien Kontrolle wählen (Abbildung 3A). Es wurde gezählt, wie viele Schlupfwespen sich jeweils innerhalb von 10 Minuten im Labyrinth zu einer der beiden Proben bewegten (Abbildung 3B). Zudem wurden jeweils 100 Taufliegen-Eier auf einen Nährboden mit Valencen oder auf einen Nährboden ohne Duftstoff gelegt und für 48 Stunden zehn weibliche Schlupfwespen dazugegeben. Anschließend wurde die Anzahl geschlüpfter Taufliegen gezählt und daraus die Parasitierungsrate berechnet (Abbildung 3C).
Der Duftstoff Valencen kommt ebenfalls in Orangen vor und ergab im Experiment bei D. melanogaster ähnliche Ergebnisse wie Limonen.
bio abi nrw duftstoffpräferenzen
Abb. 3: Duftstoffpräferenzen von L. boulardi. A Aufbau des Y-Labyrinthes; B Anzahl der Schlupfwespen, die im Y-Labyrinth die jeweilige Duftprobe wählten; C Parasitierungsrate auf Nährböden mit und ohne Valencen

Material D: Evolution der Orangen-Wahrnehmung bei Drosophila

Orangen gehören zu den Zitrusfrüchten. Diese stammen ursprünglich aus Südost-Asien, D. melanogaster dagegen aus Afrika. Auch in Afrika sind einzelne Früchte zu finden, deren Duftstoffe ähnlich wie Orangenduft Reaktionen der OSN ai2A von D. melanogaster hervorrufen.
Die OSN ai2A von verschiedenen Arten der Gattung Drosophila wurden, wie in Material B beschrieben, mit Orangenduft gereizt und die elektrophysiologischen Reaktionen gemessen. Abbildung 4 fasst die phylogenetische Verwandtschaft, die geografische Herkunft, das Eiablagesubstrat und die Reaktion der OSN ai2A der untersuchten Drosophila-Arten zusammen.
bio abi nrw stammbaum
Abb. 4: Stammbaum ausgewählter Drosophila-Arten. Der Stammbaum basiert auf Sequenzvergleichen zahlreicher nukleärer und mitochondrialer Gene. Arten, deren ai2A-Neuronen auf Orangenduft ähnlich wie D. melanogaster reagieren, sind mit "+" gekennzeichnet, bei "–" zeigen sie keine ausgeprägte Reaktion.

Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!

monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?