HT 1 – Signaltransduktion, Evolution

Thema: Chemotaktile Wahrnehmung bei Octopus

1.
Stelle kurz die experimentelle Vorgehensweise dar und werte Abbildung 1 hinsichtlich der Bedeutung der Reizarten für Octopus aus (Material A).
(10 Punkte)
2.
Fasse die in den Abbildungen 2 und 3 dargestellten Ergebnisse zusammen und erkläre die Signaltransduktion bei Mechano- und Chemorezeptorzellen von Octopus bimaculoides (Material B). Deute diese Versuchsergebnisse im Hinblick auf die Bedeutung der verschiedenen Reizarten unter Berücksichtigung der neuronalen Informationsverarbeitung im Ganglion bei Octopus bimaculoides (Materialien A und B).
(22 Punkte)
3.
Stelle die Patch-Clamp-Technik dar. Werte Tabelle 1 im Hinblick auf die Spezifität der beiden CR-Proteine aus (Material C). Erläutere die Bedeutung der ausgewählten CR-Proteine und der Mechanorezeptoren für das Verhalten von Octopus bimaculoides unter natürlichen Bedingungen (Materialien A bis C).
(20 Punkte)
4.
Analysiere den Stammbaum in Abbildung 4 bezüglich der Evolution der ausgewählten Rezeptorproteine (Material D) und entwickle eine Hypothese zur Entwicklung der CR-Proteine mithilfe der Synthetischen Evolutionstheorie (Materialien A bis D).
(14 Punkte)

Material A: Jagdverhalten bei Octopus

Die Vertreter der Gattung Octopus leben in Tiefen bis zu 200 Meter vorwiegend am Meeresboden. Sie besitzen einen Kopf, acht Arme, die mit jeweils zwei Reihen von Saugnäpfen besetzt sind, und einen Eingeweidesack mit Tintenblase. Oktopusse sind Jäger, die vorwiegend Krebstiere, Muscheln und Schnecken und manchmal Fische mithilfe ihrer Arme erbeuten. Beständig suchen sie mit ihren beweglichen Armen auf und im Untergrund nach Nahrung. Bei Gefahr entleert der Octopus seine Tintenblase und flüchtet vor Feinden wie etwa Kalmaren im Schutz des tintengefärbten Wassers. Oktopusse verfügen über empfindliche Sinnesorgane und ein leistungsfähiges Gehirn. Sie besitzen zwei hoch entwickelte Linsenaugen und können Wasserströmungen über ein Seitenlinienorgan wahrnehmen. Insbesondere die Arme mit den Saugnäpfen sind sehr stark von Neuronen durchzogen. Die Zellkörper dieser Neuronen liegen gemeinsam in einer Verdickung, dem Ganglion, an der Basis des jeweiligen Arms. Die Bewegung jedes Arms kann von dessen eigenem Ganglion und daher unabhängig vom Gehirn gesteuert werden.
In Experimenten mit dem Gewöhnlichen Kraken (Octopus vulgaris) wurde im Aquarium die Häufigkeit des zuerst geöffneten Schraubgefäßes ermittelt (Abbildung 1). Als Nahrung bevorzugte O. vulgaris ohne Schraubgefäß immer Sardellen. Bei blickdichten Gefäßen mit Deckeln ohne Löcher wurden beide Gefäße annähernd gleich häufig zuerst geöffnet.
abbildung
Abb. 1: Verhaltensexperimente mit Octopus vulgaris. Die Kreisdiagramme geben die Häufigkeit des unter den jeweiligen Bedingungen zuerst geöffneten Gefäßes an.

Material B: Neurophysiologische Untersuchungen bei Zelltypen von Saugnäpfen

Die Saugnäpfe der Arme des Kalifornischen Zweipunktkraken (Octopus bimaculoides) wurden genauer analysiert. Hier treten drei Zelltypen auf, die sich in ihrem Aufbau und ihrer neurophysiologischen Reaktion auf verschiedene Reizarten unterscheiden lassen. Untersucht wurde der reizabhängige Einstrom von Kationen wie etwa Natriumionen in den jeweiligen Zelltyp mithilfe elektrophysiologischer Messungen (Abbildung 2).
Abb. 2 anzeigen
diagramm elektrophysiologische reaktion
Abb. 3: Elektrophysiologische Reaktion der Zelltypen des Saugnapfs bei unterschiedlich starken Reizströmen.
pA= Pico-Ampere

Material C: Spezifität der Chemorezeptorproteine

Molekulare Analysen der Chemorezeptorzellen führten zur Identifikation einer Vielzahl von Chemorezeptorproteinen, den CR-Proteinen, bei Octopus bimaculoides. Allgemein sind Chemorezeptorproteine Transmembranproteine, die von außen kommende Stoffe zu Beginn der Signaltransduktion spezifisch binden. Bei O. bimaculoides bilden die unterschiedlichen CR-Proteine Ionenkanäle, die nach Aktivierung für Kationen permeabel werden. Um die Spezifität dieser CR-Proteine genauer zu analysieren, wurden ihre Reaktionen auf unterschiedliche chemische Substanzen wie zum Beispiel Oktopus-Tinte elektrophysiologisch untersucht, auch mithilfe der Patch-Clamp-Technik. Die Ergebnisse der Experimente für ausgewählte CR-Proteine sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Im Wasser werden gut wasserlösliche (hydrophile) Stoffe schneller gleichmäßig in einem großen Volumen verteilt. Schlecht wasserlösliche (hydrophobe) Stoffe bleiben länger in der Nähe der Stoffquelle. Fischextrakt enthält sowohl hydrophile als auch hydrophobe Stoffe. Physiologisch bedeutende hydrophobe Substanzen sind zum Beispiel Atractylon und Polygodial. Diese beiden hydrophoben Stoffe werden auch von Muscheln oder Schnecken insbesondere bei Bedrohung abgegeben.
Tabelle
Tab. 1: Reaktion von zwei CR-Proteinen auf verschiedene Substanzen

Material D: Evolution von CR-Proteinen

Acetylcholin-gesteuerte Natriumionen-Kanäle chemischer Synapsen, kurz bezeichnet als ACh-Rezeptorproteine, kommen in vielen Variationen in den unterschiedlichen neuronalen Geweben bei Wirbellosen und Wirbeltieren vor. Sie weisen alle einen Bereich auf, der den Liganden Acetylcholin binden kann. Die verschiedenen Varianten dieser ACh-Rezeptorproteine werden zum Beispiel beim Menschen oder auch beim Octopus durch eine Vielzahl unterschiedlicher Genkopien codiert. Die CR-Proteine von Octopus bimaculoides zeigen Sequenzübereinstimmungen zu Acetylcholin-gesteuerten Natriumionen-Kanälen erregender chemischer Synapsen, reagieren aber nicht auf den Liganden Acetylcholin. Die CR-Proteine findet man nur bei Octopus und anderen Kopffüßern in großer Vielfalt, aber nicht bei anderen Wirbellosen und auch nicht bei Wirbeltieren.
Durch Genverdopplungen können aus einem Ursprungsgen mehrere Genkopien entstehen, die sich evolutiv unterschiedlich entwickeln können. Solche Vorgänge führen zur Bildung von Genfamilien wie zum Beispiel bei den hier verglichenen Rezeptorproteinen. Abbildung 4 zeigt einen vereinfachten phylogenetischen Stammbaum ausgewählter ACh-Rezeptorproteine und CR-Proteine von O. bimaculoides.
stammbaum
Abb. 4: Vereinfachter phylogenetischer Stammbaum von ausgewählten, nummerierten ACh-Rezeptorproteinen und CR-Proteinen von Octopus bimaculoides

Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!

monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?