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Inhaltsverzeichnis

Task B

4.
Your school takes part in a virtual exchange on European Youth Culture. In your group, you want to find out about young people’s lifestyles across Europe. You have come across Sharma’s article and have decided to present it to your fellow group members. Based on the article write them an email in which you outline a current trend in Germany.
(Mediation) (18 Punkte)

Mayank Sharma
Warum wir zu unserem Neo-Spießertum stehen sollten

Während eines gemeinsamen Urlaubs in einer Selbstversorgerhütte im Schwarzwald stellte sich der Autorin und ihrem Freundeskreis die Frage nach der Spießigkeit ihres Lebensstils.
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„Wie spießig bin ich eigentlich!?“ Als ich die Frage auch meinen Freunden stellte, während
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wir versammelt in der braun getäfelten Stube am Kachelofen saßen, fühlten sie sich ertappt.
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Spießig!? Auf keinen Fall. Diesen Vorwurf lässt sich wohl kaum ein junger Mensch widerstandslos
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gefallen. Spießig sind immer nur die anderen. Doch seit diesem Hüttenurlaub bezeichnen
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wir uns im Freundeskreis immer wieder spaßeshalber als „ 5 Neo-Spießer“ – und wenn
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wir ehrlich zu uns sind, fühlen wir uns auch so.
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Der Begriff des Neo-Spießertums kursierte zuletzt vor ein paar Jahren in den Medien. Bereits
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damals hatte man insbesondere bei Studierenden eine neue Bürgerlichkeit entdeckt. Und bis
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heute hat er nicht an Aktualität verloren – denn er steht nicht für eine kurze Modeerscheinung,
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sondern für die Werte und Einstellung einer Generation. Meiner Generation.
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Unter „Spießern“ stellen sich die meisten engstirnige, kleinkarierte und konformistische
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Personen mit Bausparverträgen vor, die in Reihenhäusern mit gepflegten Vorgärten wohnen.
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Werte wie Sicherheit, Familie und Tradition gelten als spießig. Ist nicht genau das die Antithese
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zu all dem, wofür wir zu stehen glauben, wovon wir uns immer abgrenzen wollten?
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Machen wir nicht alles anders als unsere Eltern und Großeltern? Oder machen wir uns nur
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etwas vor und das „Neo“, das wir dem „Spießer“ voranstellen, gaukelt eine Pseudo-Emanzipation
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vor, die es gar nicht gibt?
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Dass für meine Freunde und mich, genauso wie für viele andere junge Menschen, Dinge zu
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unserem Lifestyle gehören, die wir selbst mit Spießigkeit verbinden, lässt sich nicht verleug
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nen. In der Selbstbeobachtung kann das schizophren wirken. Selbstanspruch und Wirklichkeit
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klaffen auseinander, wenn das eigene Kleingärtner- und Heimwerkertum der Forderung
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des gesellschaftlichen Wandels gegenüberstehen. Aber ist diese Selbstkritik wirklich berechtigt?
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Übernehmen wir mit Omas und Opas Vorlieben auch ihren Wertekanon?
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Teilweise. Das hat zumindest die Shell-Jugendstudie von 2019 ergeben, für die zwölf- bis
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25-Jährige befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen eine klare Tendenz: Soziale Eingebundenheit
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gehört zu den wichtigsten Wertorientierungen. Den meisten sind Familie und soziale
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Beziehungen sogar wichtiger als Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit. Großen Wert
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legten die Befragten auch auf traditionelle Tugenden, wie den Respekt gegenüber Gesetz
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und Ordnung, der Orientierung an der Leistungsnorm und dem Streben nach Sicherheit ins
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gesamt. Dieses Bild bestätigt die SINUS-Jugendstudie, die im Juli dieses Jahres veröffentlicht
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wurde. Untersucht wurden 14- bis 17-Jährige. Die Autoren stellten fest, dass die bürgerliche
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Normalbiographie das Leitmotiv vieler Teenager ist. In der Mitte der Gesellschaft ankommen.
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Das scheint den meisten Jugendlichen erstrebenswerter zu sein als ein hoher Lebensstandard
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oder die eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen. […]
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Bleibt die Frage, ob wir der althergebrachten Spießigkeit tatsächlich zumindest einen neuen
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Dreh geben. Ich finde: Das tun wir sehr wohl.
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Und damit kommen wir zur anderen Seite der Medaille der Spießigkeit, auf der groß „Neo“
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geschrieben steht. Die Forscher der Shell-Studie haben herausgefunden, dass vier von fünf
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Befragten ein hedonistisches Streben aufweisen, das Leben also in vollen Zügen genießen
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wollen. Dabei betonen die meisten weder den Beruf noch die Freizeit übermäßig. Sicherheit
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und Genuss schließen sich für die junge Generation also nicht gegenseitig aus, sondern
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scheinen sich eher gegenseitig zu bedingen. Gut in dieses Bild passt, dass wir großen Wert
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auf eine insgesamt bewusste Lebensgestaltung legen. Wir verhalten uns deutlich achtsamer
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gegenüber der Umwelt, dem Klima und letztlich uns selbst, als es noch unsere Eltern und
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Großeltern taten. Das läuft auf einen Kompromiss hinaus. […]
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So kommt auch die Jugendstudie zu dem Schluss, dass für die meisten jungen Menschen
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eine idealistische, sinnstiftende Werteorientierung an Bedeutung gewonnen hat. Mit engstirniger
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Spießigkeit hat das wenig zu tun. Auch nichts mit Kleinkariertheit.
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Es ist eher so, dass wir alte Formen mit neuen Inhalten füllen. Wir lehnen das Alte nicht
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kategorisch ab, sondern geben ihm einen neuen Anstrich.
Aus: Mayank Sharma, „Warum wir zu unserem Neo-Spießertum stehen sollten“, in: jetzt, 26. Dezember 2020 https://www.jetzt.de/kultur/neo-spiessertum-junge-menschen-uebernehmen-alte-wertevorstellungen (Zugriff: 09.03.2021)

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