Lerninhalte in Englisch
Abi-Aufgaben LK
Lektürehilfen
Inhaltsverzeichnis

Task B

4.
Your school’s student council takes part in an international online workshop Shaping the Future – Initiatives for Strengthening Democracy for which participants are asked to present an example from their country. Based on the interview at hand, write an article for the workshop’s website in which you outline the concept of citizen councils in Germany and the challenges connected with them.
(Mediation) (18 Punkte)

Dieter Kassel
Bürgerräte können ein Wirgefühl vermitteln

In einem Interview befragt der Journalist Dieter Kassel den Theologen und Bürgerrechtler Ralf-Uwe Beck vom Verein „Mehr Demokratie“ zum Thema Bürgerräte in Deutschland.
1
Dieter Kassel: Auf kommunaler und auch auf Landesebene gibt es Bürgerräte nun schon
2
eine ganze Weile. Haben diese Bürgerräte das demokratische Wirgefühl schon verstärkt?
3
Ralf-Uwe Beck: Ja. Die Bürgerräte können ein Wirgefühl vermitteln. Es wird dort ja eine
4
repräsentative Gesellschaft zusammengewürfelt. Wir haben einen bundesweiten Bürgerrat
5
im Herbst 2019 organisiert. Es werden erst Kommunen ausgewählt, ausgelost, und dann in
6
den Kommunen Bürgerinnen und Bürger. Und es wird so lange gewürfelt, bis die Zusammenkunft
7
repräsentativ ist – also das Geschlechterverhältnis dem in der Gesellschaft entspricht,
8
den Altersgruppen, den Bildungsabschlüssen bis hin zum Migrationshintergrund.
9
Tatsächlich ist der Tisch, an dem die Menschen dann Platz nehmen, wirklich rund, weil jede
10
Person mit ihrer Meinung, ihren Bedenken und ihren Ideen dasselbe Gewicht hat. Normalerweise
11
begegnen sich Menschen, die ins Gespräch gehen, oft mit einer Fixierung auf ihre
12
Rollen und Funktionen: Die Politik kommt und hat den Auftrag von der Partei, weil sie da
13
zu vermitteln hat; die Verwaltung hat eine Aufgabe; NGOs vermitteln das, was als Zweck
14
in ihrer Satzung steht.
15
Aber bei den Bürgerr.ten betritt wirklich jede und jeder den Raum als Bürgerin und Bürger,
16
und das auch ruhig im wirklichen Sinne – nämlich bereit zu bürgen, Verantwortung zu übernehmen
17
für die Gemeinschaft. Das, was dort alle verbindet, ist, dass sie gemeinsam an einem
18
Strang ziehen und versuchen, eine Frage zu lösen. Da geht es darum, was man der Politik
19
empfiehlt, das wird dann dort abgestimmt und das Ergebnis ist ein gemeinsames, das hat
20
keine politische Farbe. Und das hat eine Stärke und auch Überzeugungskraft.
21
Kassel: Gibt es nicht trotzdem das Problem, dass man Menschen, die sich schon völlig von
22
der Politik und von demokratischen Prozessen abgewendet haben, mit so etwas nicht erreicht?
23
Beck: Da muss man sich ein wenig mühen. Für den Bürgerrat, der derzeit vorbereitet wird
24
und der Mitte Januar mit dem Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“ startet – da wird es
25
vorrangig um Außenpolitik gehen – suchen wir die Menschen auf. Wir gehen zu denen, die
26
ausgewählt sind, nach Hause und reden mit ihnen. Der Anspruch ist tatsächlich, wirklich alle
27
Bildungsabschlüsse und alle Schichten am Tisch zu haben – was sonst eben nicht gelingt.
28
Die Krux aller Beteiligungen ist, dass es immer Menschen gibt, die auf dem Sofa sitzen
29
bleiben. Das soll bei den Bürgerräten vermieden werden.
30
Kassel: Ein anderes Problem ist, dass das, was am Ende dabei herauskommt, egal ob auf
31
kommunaler, Länder- oder auch auf Bundesebene, immer nur eine Empfehlung für die
32
Politik ist. Sie setzt es um oder auch nicht. Ist das nicht noch frustrierender, wenn man etwas
33
unternimmt und dann sieht man, es hat keine Folgen?
34
Beck: Mit den Empfehlungen verbindet sich eine große Chance, weil sie Überzeugungskraft
35
haben können. Aber es gibt auch ein Risiko, wie Sie angedeutet haben: Der Frustberg kann
36
noch vergrößert werden. Das ist das Problem aller Bürgerbeteiligungen. Die Bürgerbeteiligung
37
ist immer nur Ratschlag für die Politik, und es bleibt im Belieben derer, die wir gewählt haben,
38
wie sie damit umgehen. Wir können uns zwar Gehör verschaffen, aber wir haben kein Recht
39
darauf, auch gehört zu werden.
40
Deshalb braucht es unter jeder Bürgerbeteiligung ein Netz und einen doppelten Boden. Das
41
ist aus unserer Sicht die direkte Demokratie, also die Möglichkeit, dass die Menschen notfalls,
42
wenn sie wieder untergebuttert werden, wenn ihre Vorschläge wieder in den Schubladen
43
verschwinden, die Möglichkeit haben, auf kommunaler Ebene Bürgerbegehren zu starten,
44
auf Landesebene Volksbegehren. Das geht auch, das haben wir in allen 16 Bundesländern,
45
da ist das gelebte Praxis.
46
Auf Bundesebene fehlt das. Das ist die aus unserer Sicht größte Demokratiebaustelle in
47
Deutschland, dass man das, was in 16 Bundesländern zum Demokratieprinzip gehört, auf
48
Bundesebene verweigert. Wenn wir heute Bürgerr.te bilden und die Politik einräumt, dass
49
das ein interessantes Instrument ist, weil man die Menschen damit vom Sofa holen kann,
50
dann braucht es auf der anderen Seite auch den Ausbau der direkten Demokratie.
Dieter Kassel, „Ralf-Uwe Beck im Gespräch mit Dieter Kassel: ,Bürgerräte können ein Wirgefühl vermitteln’”, in: Deutschlandfunk Kultur, 05. Januar 2021 https://www.deutschlandfunkkultur.de/auf-der-suche-nach-dem-wir-buergerraete-koen- nen-ein-100.html (Zugriff: 27.02.2022)

Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!

monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?