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Gedichtinterpretation mit anschließendem Gedichtvergleich
Thema: Helga M. Novak (* 1935 - † 2013): HÄUSER (1982) Nikolaus Lenau (* 1802 - † 1850): Einsamkeit. (1834) Aufgabenstellung:- Interpretiere das Gedicht HÄUSER von Helga M. Novak.
(43 Punkte)
- Vergleiche das Gedicht HÄUSER von Helga M. Novak mit dem Gedicht Einsamkeit. von Nikolaus Lenau unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Situation des lyrischen Sprechers. Beziehe dabei neben inhaltlichen auch ausgewählte sprachliche und formale Aspekte ein.
(29 Punkte)
1
Landschaft Erde Natur
2
alles weiblich
3
dahin will ich gehen
4
wo es trostlos ist
5
dahin will ich gehen
6
wo nichts ist
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Natur und unangetastet
8
und werde in aller Stille
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ein Haus bauen
10
ein Haus beziehen
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und werde es – ungeliebt
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und unfähig zu lieben –
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mit meiner maßlosen
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Liebe entzünden
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auch diese Nacht geht vorbei
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und keiner kommt
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und reißt meine Zäune ein
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siehst du die gelbe verrostete Bank
19
auf der werde ich sitzen
20
wenn ich nicht weiter weiß
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also für immer wie eine
22
der die Augen übergegangen sind
Aus: Helga M. Novak: HÄUSER. In: Dies.: Poesiealbum 320. Auswahl von Rita Jorek.
Wilhemshorst: Märkischer Verlag 2015, S. 23. (Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen der Textquelle.) Material 2 Einsamkeit. Nikolaus Lenau
1
Wild verwachsne dunkle Fichten,
2
Leise klagt die Quelle fort;
3
Herz, das ist der rechte Ort
4
Für dein schmerzliches Verzichten!
5
Grauer Vogel in den Zweigen!
6
Einsam deine Klage singt,
7
Und auf deine Frage bringt
8
Antwort nicht des Waldes Schweigen.
9
Wenn's auch immer schweigen bliebe,
10
Klage, klage fort; es weht,
11
Der dich höret und versteht,
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Stille hier der Geist der Liebe.
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Nicht verloren hier im Moose,
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Herz, dein heimlich Weinen geht,
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Deine Liebe Gott versteht,
16
Deine tiefe, hoffnungslose!
Aus: Nikolaus Lenau: Einsamkeit. In: Ders.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe.
Band 2. Neuere Gedichte und lyrische Nachlese. Hrsg. von Antal Mádl. Wien: Deuticke und Klett Cotta 1995, S. 76. (Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen der Textquelle.)
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Einleitung
- Autorin: Helga M. Novak (* 1935 - † 2013)
- Titel: HÄUSER
- Erscheinungsjahr: 1982
- Textsorte: Gedicht
- Epoche: Nachkriegsliteratur
- Quelle: Helga M. Novak: HÄUSER. In: Dies.: Poesiealbum 320. Auswahl von Rita Jorek. Wilhemshorst: Märkischer Verlag 2015, S. 23.
- Thema: Helga M. Novak war eine deutsche Schriftstellerin, die vor allem in den 1950er und 1960er Jahren aktiv war. Ihre Werke zeichnen sich durch eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Nachkriegsgesellschaft aus. In HÄUSER wird der Wunsch nach Rückzug und Flucht in die Natur thematisiert, was auf die Suche nach einer neuen Identität und einem Neuanfang nach den traumatischen Erfahrungen des Krieges hinweisen kann.
Hauptteil
Form & Sprache- HÄUSER von Helga M. Novak ist ein kurzes, aber intensives Gedicht, welches verschiedene Themen und Stimmungen anspricht.
- Novak arbeitet mit einer sehr rhythmischen und klangvollen Sprache im Gedicht. Es gibt eine wiederkehrende Struktur von kurzen und längeren Versen, die dem Gedicht einen musikalischen Fluss verleihen. Novak verwendet auch Wiederholungen und Anaphern, um bestimmte Worte oder Phrasen zu betonen und eine gewisse Eindringlichkeit zu erzeugen.
- Die sprachliche Gestaltung in HÄUSER ist insgesamt sehr präzise und dicht, wodurch die poetische Atmosphäre verstärkt wird.
- Das Gedicht HÄUSER von Helga M. Novak zeichnet sich durch eine einfache und klare Sprache aus, die dennoch eine starke emotionale Wirkung erzeugt. Die Sprache ist direkt und unverblümt, was die Intensität der Gefühle und Gedanken der Sprecherin verstärkt.
- Die Sprache in dem Gedicht ist auch durch eine gewisse Kargheit gekennzeichnet. Die Sätze sind kurz und prägnant, was die Intensität der Emotionen und Gedanken der Sprecherin unterstreicht. Es gibt keine überflüssigen Worte oder Ausschmückungen, was die Ernsthaftigkeit und Direktheit des Gedichts betont.
- Ein sprachliches Mittel, das in diesem Gedicht verwendet wird, ist die Wiederholung. Die Wiederholung der Phrase „dahin will ich gehen“ (V. 3, 5) betont den Wunsch der Sprecherin, an einen trostlosen und unberührten Ort zu gelangen. Auch einzelne Nomen wie „Natur“ (V. 7), „Haus“ (V. 9) und „Liebe“ (V. 14) werden repetitiv verwendet, um die Sehnsucht nach Heimat zu unterstreichen. Diese Wiederholung verstärkt die Dringlichkeit und Entschlossenheit der Sprecherin, diesem Verlangen nachzugehen.
- Unter die Gattung der Wiederholung zählt auch die Anapher, welche im Gedicht ebenfalls vorkommt. So besitzen die Verse 9/10, 11/12 sowie 16/17 dieselben Satzanfänge. Letzteres erzielt zum einen eine Rhytmisierung und Strukturierung des Textes. Zum anderen wird die Bedeutung eines Wortes wie „Haus“ (V. 9) durch die mehrfache Wiederholung hervorgehoben.
- In Vers 11/12 findet eine Inversion, also eine Umkehrung des Geschriebenen statt. In diesem Fall liegt eine Inversion als Wortfigur vor, die geläufige Reihenfolge der Satzglieder wird also umgekehrt. Da eine Inversion immer für einen gewissen Stolpereffekt sorgt, führt sie zu einem erneuten Lesen des Geschriebenen und damit gewinnen die Worte eine neue Bedeutungsebene.
- Ein weiteres sprachliches Mittel ist die Verwendung von Metaphern. Die Sprecherin beschreibt die Natur als „unangetastet“ (V. 7) und verwendet das Bild des Hauses, um ihre eigene Existenz darzustellen. Diese Metaphern verleihen dem Gedicht eine bildhafte Qualität und ermöglichen es den Leser*innen, sich die Gefühle und Erfahrungen der Sprecherin besser vorzustellen.
- Das Gedicht beginnt mit den Worten „Landschaft Erde Natur alles weiblich“ (V. 1 f.), was darauf hindeutet, dass die Sprecherin eine enge Verbindung zur Natur und zur weiblichen Energie empfindet. Sie sehnt sich danach, an einen Ort zu gehen, der trostlos und unberührt ist, weg von der Zivilisation und dem Trubel des Alltags.
- Die Sprecherin möchte an diesem Ort ein Haus bauen und beziehen. Dieses Haus wird als Symbol für ihre eigene Existenz und Identität verwendet. Es wird jedoch betont, dass sie ungeliebt und unfähig zu lieben ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Sprecherin sich isoliert und unverstanden fühlt, möglicherweise aufgrund vergangener Enttäuschungen oder Verletzungen.
- Die Erzählinstanz fühlt sich zurückgezogen in der Natur einerseits sicher, weil dort niemand ihr Haus angreift und sie nichts fürchten muss, andererseits bleibt sie dort jedoch auch einsam.
- Trotzdem beabsichtigt das lyrische Ich, sein Haus mit seiner „maßlosen Liebe [zu] entzünden“ (V. 13 f.). Dies könnte bedeuten, dass sie trotz ihrer eigenen Unfähigkeit zu lieben, dennoch eine starke emotionale Verbindung zur Welt und zur Natur hat. Sie möchte ihre Liebe und Leidenschaft in das Haus und in die Welt bringen, auch wenn sie nicht in der Lage ist, diese Liebe von anderen zu empfangen.
- Das Gedicht endet mit der Erwähnung einer gelben, verrosteten Bank, auf der die Sprecherin sitzen wird, wenn sie nicht weiter weiß. Dies könnte als Symbol für Einsamkeit und Verzweiflung interpretiert werden. Die Sprecherin fühlt sich manchmal verloren und weiß nicht, wohin sie gehen soll. Sie ist bereit, für immer an diesem Ort zu bleiben, ähnlich wie jemand, der die Augen geschlossen hat und nicht mehr weitergehen kann.
- Das vorliegende Werk drückt den Wunsch des Sprechers aus, sich von der Zivilisation und der menschlichen Gesellschaft abzukehren und in die unberührte Natur zu fliehen.
- Der Wunsch der sprechenden Instanz nach dem Bau eines Eigenheims drückt die Sehnsucht nach einem Ort aus an dem es keine Zerstörung oder Veränderung gibt, sondern nur die reine und unberührte Natur. Demzufolge empfindet die Sprecherin eine Sehnsucht nach Frieden, Harmonie und dem Leben im Einklang mit der Natur.
- Das lyrische Ich vergleicht sich mit einer Person, „der die Augen übergegangen sind“ (V. 22), was darauf hindeuten könnte, dass sie sich von der Welt abgekehrt hat und sich in ihrer eigenen Welt verloren fühlt.
Schluss
- Sprachlich zeichnet sich HÄUSER von Helga M. Novak durch eine einfache und klare Wortwahl aus, die dennoch eine starke emotionale Wirkung erzeugt.
- Insgesamt spiegelt das Gedicht HÄUSER von Helga M. Novak eine Mischung aus Sehnsucht nach Einsamkeit und Verbundenheit mit der Natur wider. Es thematisiert die Schwierigkeiten, Liebe zu empfangen und zu geben, und die damit verbundene Einsamkeit und Isolation.
- Das Gedicht erzeugt eine melancholische Stimmung und regt zum Nachdenken über die menschliche Existenz und die Suche nach Identität und Liebe an.
Zweite Teilaufgabe
Überleitung
- Das Gedicht Einsamkeit. von Nikolaus Lenau und das Gedicht HÄUSER von Helga M. Novak behandeln beide das Thema Einsamkeit, jedoch auf unterschiedliche Weise.
- Lenau betont die tröstliche Natur und den Geist der Liebe, während Novak die Einsamkeit in der menschlichen Welt und die Unfähigkeit zu lieben thematisiert. Die Sprache und Form der Gedichte unterstützen jeweils die Atmosphäre und Botschaft der Einsamkeit.
Vergleich
- Lenaus Gedicht Einsamkeit. veranschaulicht letztere durch die düstere Beschreibung einer Waldlandschaft und eines einsamen Vogels inmitten der Zweige „wild verwachsne[r] dunkle[r] Fichten,“ (V. 1). Die Natur wird als tröstlicher Ort für das schmerzliche Verzichten des Herzens dargestellt. Der Vogel singt seine Klage, doch erhält keine Antwort vom schweigenden Wald. Dennoch wird angedeutet, dass der Geist der Liebe in dieser Einsamkeit still ist und das Herz versteht.
- Im Gegensatz dazu beschreibt Novaks Gedicht HÄUSER die Sehnsucht nach einem trostlosen und unberührten Ort, an dem nichts existiert. Die Sprecherin wünscht sich, ein Haus zu bauen und darin zu leben, doch fühlt sie sich ungeliebt und unfähig zu lieben. Die Nacht vergeht, doch niemand kommt, um ihre Zäune einzureißen. Die gelbe verrostete Bank wird zu ihrem Ort der Einsamkeit, wenn sie nicht weiter weiß. Hier beschreibt Novak eine Einsamkeit in der menschlichen Welt, in der sich die Sprecherin ungeliebt und isoliert fühlt.
- In Bezug auf Sprache und Form unterscheiden sich beide Gedichte. Lenaus Gedicht verwendet eine klassische Form mit gereimten Versen und einer regelmäßigen Struktur. Die Sprache ist poetisch und bildhaft, um die Atmosphäre der Einsamkeit in der Natur zu vermitteln.
- Novaks Gedicht hingegen verwendet eine einfachere und direktere Sprache. Die Sätze sind kurz und prägnant, was die Intensität der Einsamkeit und Verzweiflung der Sprecherin verstärkt. Die Form des Gedichts ist nicht streng strukturiert, sondern besteht aus knappen Versen, die die Dringlichkeit und Unruhe der Sprecherin widerspiegeln.
- Die Positionen der lyrischen Sprecher*innen in beiden Gedichten sind geprägt von Einsamkeit und Verzweiflung. In HÄUSER fühlt sich die Sprecherin in der menschlichen Welt ungeliebt und isoliert, während der lyrische Sprecher in Einsamkeit. Zuspruch in der Natur findet und den Geist der Liebe als tröstend empfindet.
Schluss
- Beide Gedichte zeigen die unterschiedlichen Facetten der Einsamkeit und sie wird von den beiden lyrischen Sprechern unterschiedlich wahrgenommen, wie es auch bei allen Menschen generell der Fall ist.
- Trotz ihrer Unterschiede schwingt jedoch in beiden Gedichten eine melancholische Stimmung mit, welche die Autor*innen gekonnt einsetzen, um die vorliegende Thematik den Lesenden eindrücklich zu veranschaulichen.