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HT 4

Vergleichende Textanalyse

Thema:
Botho Strauß: Die Möbel
Aufgabenstellung:
  • Analysiere den KurzprosatextDie Möbel von Botho Strauß im Hinblick auf die Darstellung der Eheleute und ihrer Beziehung. Berücksichtige dabei die erzählerische und sprachliche Gestaltung.
  • (42 Punkte)
  • Stelle knapp die Entwicklung der Beziehung zwischen den Eheleuten Klausen in Hartmut Langes Novelle Das Haus in der Dorotheenstraße dar. Vergleiche anschließend die Darstellung der Paarbeziehungen in den Texten von Lange und Strauß. Beziehe die Erzählperspektive in den Vergleich mit ein.
  • (30 Punkte)
Material
Die Möbel
Botho Strauß
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Ein junger Telefontechniker, Züchter von Dalmatinern im Nebenberuf, kam am frühen Nach-
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mittag, etwas zu früh, von seiner Arbeit nach Hause. Er fand seine Wohnung kahl, vollkom-
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men ausgeräumt. Seine Frau aber stand an der nackten Wand, lehnte mit dem Rücken an, und
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ihr gegenüber, ebenfalls mit dem Rücken an die Wand gelehnt, stand ein Mann, den er nie
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zuvor gesehen hatte. Beide atmeten erschöpft in den letzten Zügen eines langen Streits, eines
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die Affäre beendenden, wie es schien, denn die Worte, die sie jetzt noch wechselten, troffen
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wie aus einer ausgepreßten Leidenschaftsfrucht und ihr Sinn entglitt ins Abstruse.
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Er, dieser Fremde, sagte: Wenn wir die Möbel tiefer ins Zimmer gerückt hätten ... Tiefer,
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ganz tief, nach hinten, noch tiefer ...
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Seine ihm nicht weniger fremde Frau sagte: Das Zimmer ist nicht so tief, daß man sich
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irgend etwas hätte vom Leib rücken können. Und schon gar nicht, um es genau zu sagen, mich
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etwa.
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Da bemerkte er an seiner Frau ein vorher nie gesehenes Rucken des Kopfes, und zwar zu
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dem anderen hin, dem Fremden, so wie man jemanden mit angehobenem Kinn auf- oder her-
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ausfordert: Komm Komm Komm! ... Ich zeig es dir! Aber nichts kam mehr von der anderen
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Seite. Sie ruckte den Kopf auffordernd, ohne noch etwas zu erwarten, als sei es ihr schon zur
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Marotte geworden.
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Der Mann, der heimkehren wollte, drehte dieser ihm vollkommen unbegreiflichen oder
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unzugänglichen Realität kurz entschlossen den Rücken, verließ die Wohnung und unternahm
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erst Stunden später einen zweiten Versuch nach Hause zu kommen. Tatsächlich fand er dies-
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mal seine Wohnung getreu so eingerichtet, wie er sie am Morgen verlassen hatte. Auch be-
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grüßte ihn wie an jedem Feierabend seine Frau, wenn auch die Zeichen der Erschöpfung nicht
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ganz von ihr gewichen waren. Doch ein dritter Mensch befand sich augenscheinlich nicht
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mehr in seinen vier Wänden. Also ließ er die Sache auf sich beruhen.

Anmerkungen zum Autor:
Botho Strauß (* 1944) ist ein deutscher Schriftsteller. Er trat 1972 erstmals als Dramatiker in Erscheinung.
Seitdem etablierte sich Strauß als Dramatiker sowie auch als Erzähler und Essayist. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet,
u. a. 1989 mit dem Georg-Büchner-Preis.
Aus: Ders.: Mikado. München/Wien: Hanser 2006, S. 30 f.

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