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Vergleichende Textanalyse
Thema: Botho Strauß: Die Möbel Aufgabenstellung:- Analysiere den KurzprosatextDie Möbel von Botho Strauß im Hinblick auf die Darstellung der Eheleute und ihrer Beziehung. Berücksichtige dabei die erzählerische und sprachliche Gestaltung.
- Stelle knapp die Entwicklung der Beziehung zwischen den Eheleuten Klausen in Hartmut Langes Novelle Das Haus in der Dorotheenstraße dar. Vergleiche anschließend die Darstellung der Paarbeziehungen in den Texten von Lange und Strauß. Beziehe die Erzählperspektive in den Vergleich mit ein.
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Ein junger Telefontechniker, Züchter von Dalmatinern im Nebenberuf, kam am frühen Nach-
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mittag, etwas zu früh, von seiner Arbeit nach Hause. Er fand seine Wohnung kahl, vollkom-
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men ausgeräumt. Seine Frau aber stand an der nackten Wand, lehnte mit dem Rücken an, und
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ihr gegenüber, ebenfalls mit dem Rücken an die Wand gelehnt, stand ein Mann, den er nie
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zuvor gesehen hatte. Beide atmeten erschöpft in den letzten Zügen eines langen Streits, eines
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die Affäre beendenden, wie es schien, denn die Worte, die sie jetzt noch wechselten, troffen
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wie aus einer ausgepreßten Leidenschaftsfrucht und ihr Sinn entglitt ins Abstruse.
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Er, dieser Fremde, sagte: Wenn wir die Möbel tiefer ins Zimmer gerückt hätten ... Tiefer,
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ganz tief, nach hinten, noch tiefer ...
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Seine ihm nicht weniger fremde Frau sagte: Das Zimmer ist nicht so tief, daß man sich
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irgend etwas hätte vom Leib rücken können. Und schon gar nicht, um es genau zu sagen, mich
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etwa.
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Da bemerkte er an seiner Frau ein vorher nie gesehenes Rucken des Kopfes, und zwar zu
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dem anderen hin, dem Fremden, so wie man jemanden mit angehobenem Kinn auf- oder her-
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ausfordert: Komm Komm Komm! ... Ich zeig es dir! Aber nichts kam mehr von der anderen
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Seite. Sie ruckte den Kopf auffordernd, ohne noch etwas zu erwarten, als sei es ihr schon zur
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Marotte geworden.
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Der Mann, der heimkehren wollte, drehte dieser ihm vollkommen unbegreiflichen oder
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unzugänglichen Realität kurz entschlossen den Rücken, verließ die Wohnung und unternahm
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erst Stunden später einen zweiten Versuch nach Hause zu kommen. Tatsächlich fand er dies-
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mal seine Wohnung getreu so eingerichtet, wie er sie am Morgen verlassen hatte. Auch be-
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grüßte ihn wie an jedem Feierabend seine Frau, wenn auch die Zeichen der Erschöpfung nicht
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ganz von ihr gewichen waren. Doch ein dritter Mensch befand sich augenscheinlich nicht
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mehr in seinen vier Wänden. Also ließ er die Sache auf sich beruhen.
Anmerkungen zum Autor:
Botho Strauß (* 1944) ist ein deutscher Schriftsteller. Er trat 1972 erstmals als Dramatiker in Erscheinung.
Seitdem etablierte sich Strauß als Dramatiker sowie auch als Erzähler und Essayist. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet,
u. a. 1989 mit dem Georg-Büchner-Preis. Aus: Ders.: Mikado. München/Wien: Hanser 2006, S. 30 f.
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Einleitung
- Autor: Botho Strauß
- Titel: Die Möbel
- Erscheinungsjahr: 2006
- Textsorte: Kurzprosatext
- Epoche: Gegenwartsliteratur
- Quelle: Ders.: Mikado. München/Wien: Hanser 2006, S. 30 f.
- Thema: Beschreibung einer verwirrenden Situation im Alltag, in der eine Ehekrise entsteht und viele Fragen aufgeworfen werden. Es geht um Gefühle des Fremdseins, Täuschung und Selbstbetrug, mit denen man sich auseinandersetzt.
- Inhalt: In Strauß' Kurzgeschichte ist die Rede von einem männlichen Protagonisten, dessen Beruf es ist, die Menschen, die an ihm auf der Brücke vorübergehen, zu zählen.
Hauptteil
Handlung- Ein Ehemann kehrt von seiner Arbeit nach Hause zurück und macht folgende Wahrnehmungen: Die Wohnung ist leer geräumt und seine Frau befindet sich dort zusammen mit einem ihm unbekannten Mann. Es kommt zu einem Dialog zwischen seiner Frau und dem Fremden.
- Der Mann vermutet, dass es sich bei der wahrgenommenen Szene um das Ende einer Affäre zwischen seiner Frau und dem Fremden handelt. Angewidert wendet er sich von der Szene ab und verlässt die Wohnung.
- Nach ein paar Stunden kehrt der Mann in die nunmehr wieder möblierte und vertraute Wohnung zurück. Seine Ehefrau begrüßt ihn.
- Die Geschichte erzählt von einer langweiligen Ehe, die sich dem Ende zuneigt.
- Der Erzählstil ist distanziert und sachlich, wodurch das Geschehen absurde und groteske Züge annimmt.
- Es gibt eine Rahmen- und Binnenhandlung, die parallel verlaufen und miteinander verwoben sind. Beide Handlungen spielen sich im selben Raum ab und haben dieselbe Protagonistin.
- Alltäglich-realistische Elemente überlagern sich mit irrealen Elementen. Die Geschichte beginnt mit der Rückkehr des Ehemannes nach Hause, was noch in der Alltagswirklichkeit verankert ist. Ab dem zweiten Satz treten irritierende Momente auf, wie eine ausgeräumte Wohnung und ein Fremder, der plötzlich auftaucht.
- Die verbale Kommunikation zwischen der Ehefrau und dem Fremden ist absurd und befremdlich, während die Ehefrau sich grotesk non-verbal verhält und verstummt.
- Am Ende entscheidet sich der Ehemann, diese irritierenden Wahrnehmungen zu ignorieren und die Routine und Harmonie durch eine zweite Rückkehr nach Hause wiederherzustellen.
- In der Schlusspassage wird mit den verschiedenen Handlungsebenen gespielt, indem auf die „Zeichen der Erschöpfung“ (Z. 22) der Ehefrau beim zweiten Nachhausekommen des Mannes hingewiesen wird.
- Der Text spielt mit verschiedenen Erzählperspektiven, um Irritationen hervorzurufen und die Frage nach der Realität oder Unwirklichkeit der Wahrnehmungen des Protagonisten aufzuwerfen.
- Es entsteht eine Inkompatibilität zwischen den verschiedenen Handlungselementen durch das Spiel mit Auslassungen und Nichterzähltem.
- Dadurch wird der Text für die Leserin/den Leser herausfordernd, da sie/er versuchen muss, die irritierenden und inkompatiblen Handlungselemente zu einer kohärenten Geschichte zu verbinden. Dies fordert dazu auf, verschiedene Handlungsvarianten durchzuspielen und letztendlich mehrere Interpretationsmöglichkeiten zu gewinnen.
- Der Sprachstil des Textes ist durch eine sachliche Wortwahl und einfache Sätze mit überschaubarer Struktur gekennzeichnet. Es werden Wörter aus dem Bereich Zuhause/Wohnen verwendet, die jedoch auf ein Minimum reduziert sind und ein eher kühles/tristes/desolates/unwirtliches Bild vermitteln.
- Es wird mit sprachlichen Wendungen gespielt, wie z.B. „mit dem Rücken-an-die-Wand-Stehen/Lehnen“ und „Sich-vom-Leibe-Rücken“, um die Entfernung des Paares voneinander und die Zerrüttung der Beziehung zu verdeutlichen. Das Wortspiel „Möbel rücken“ und „vom Leib rücken“ unterstreicht die Entzweiung.
- Der Titel Die Möbel kann sowohl auf die Beziehung des Ehepaares als auch auf die Komposition des Textes hinweisen.
- Das Verhältnis zwischen Mann und Frau wird mit der Metapher einer „ausgepreßten Leidenschaftsfrucht“ (Z. 7) dargestellt, um das Ende der Beziehung zu illustrieren.
- Ein Konditionalsatz im Irrealis markiert die unerfüllbare Bedingung und weist auf das Irreparable der Beziehung hin.
- Die Wendungen „wie es schien“ (Z. 6), „tatsächlich“ (Z. 20) und „augenscheinlich“ (Z. 23) verwischen die Realitätsebenen innerhalb der Fiktion und werfen Fragen nach Wirklichkeit, Wahrnehmung und Wahrheit auf.
- Es gibt Ironie und literarische Komik, insbesondere bei der Darstellung des Verhaltens des Protagonisten am Ende, der das irritierende Erlebnis bzw. die irritierende Wahrnehmung verdrängt und somit auf bestehende Eheprobleme und den Rückfall in die Eheroutine hinweist.
- Die männliche Figur in der Geschichte ist ein namenloser junger Mann, dessen Arbeit und Ehe die Konstanten in seinem Leben darstellen.
- Er fühlt sich in seinem Leben und in seiner Ehe aufgehoben, spürt jedoch eine Gefährdung der Beziehung zu seiner Frau, sei es durch einen Nebenbuhler oder durch inner-eheliche Störungen.
- Im Binnenteil des Textes wird er als jemand dargestellt, der möglicherweise die Untreue seiner Frau und das Ende einer Affäre mit einem anderen Mann wahrnimmt. Diese Darstellung kann auch als Spiegelung seiner eigenen Ehekrise interpretiert werden.
- Der Mann reagiert auf Verunsicherung und Erschütterung mit Verdrängungs- und Rationalisierungsversuchen, um die Kontrolle über sich selbst, seine Ehe und seinen Alltag wiederherzustellen. Letztendlich ist er sich selbst fremd.
- Die weibliche Figur bleibt namenlos und es gibt nur wenige Informationen über sie. Die Wahrnehmungen des Mannes zeigen sie beim ersten Nachhausekommen als fremdes Wesen, das sich absonderlich verhält. Beim zweiten Nachhausekommen wird sie als gewohnt rollenkonform und vertraut wahrgenommen.
- Es besteht eine Inkompatibilität zwischen der Darstellung der Frau im Rahmen- und Binnenteil des Textes, die lediglich durch den Hinweis auf ihre Erschöpfung verbunden sind.
- Der Mann in der Geschichte nimmt an, dass seine Ehe unwandelbar und möglicherweise dauerhaft ist. Gleichzeitig besteht jedoch Unsicherheit hinsichtlich der Stabilität der Ehe.
- Er weiß von der Affäre seiner Frau oder vermutet zumindest Untreue oder fürchtet einen Nebenbuhler. Es gibt unbewusste Zweifel an der Tragfähigkeit der Ehe.
- Der Mann unternimmt keine Versuche, sich mit irritierenden Wahrnehmungen, Verstörendem oder Irrationalem auseinanderzusetzen. Er ist unwillig und/oder unfähig, sich mit sich selbst und seiner Frau zu befassen und die Problematik ihrer Ehesituation anzusprechen.
- Möglicherweise täuscht er sich selbst über den Zustand ihrer Ehe hinweg. Er nimmt seine eigene Frau genauso fremd wahr wie den fremden Mann. Es fehlt eine kommunikative Auseinandersetzung des Mannes mit seiner Frau und der Ehesituation oder sie scheitert.
Schluss
- Der Text kann als entlarvendes Porträt eines Ehemannes interpretiert werden, der sich in einer sicher geglaubten Existenz und Ehe wähnt und dabei einer Selbsttäuschung unterliegt. Er scheint sich in seiner Arbeit und seiner Ehe aufgehoben zu fühlen, aber spürt gleichzeitig eine Gefährdung der Beziehung zu seiner Frau.
- Die Wahrnehmungen des Mannes im Binnenteil des Textes lassen darauf schließen, dass er die Untreue seiner Frau vermutet oder sogar weiß. Dennoch unternimmt er keine Versuche, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen oder mit seiner Frau darüber zu kommunizieren. Dies deutet auf eine stagnierende Alltagsroutine und möglicherweise wenig Kommunikation und Zuwendung in ihrer Ehe hin.
- Eine weitere Deutungsmöglichkeit besteht darin, den Text als ironische Kommentierung eines Arrangements mit einem bürgerlichen Eheleben zu betrachten. Es wird angedeutet, dass die Ehe von Stagnation geprägt ist und der Mann sich in einer Art Scheinsicherheit wähnt.
- Die Wahrnehmungen des Mannes können als Spiel mit Wirklichkeit und Irrealem interpretiert werden, was eine stark irritierende Wirkung erzeugt. Sinnestäuschungen, wahnhafte Wahrnehmungen oder Tagträume könnten hierbei eine Rolle spielen.
- Insgesamt lässt der Text Raum für verschiedene Interpretationen und regt zur Reflektion über die Themen Selbsttäuschung, Kommunikationsdefizite in Beziehungen und das Spiel zwischen Realität und Illusion an.
Zweite Teilaufgabe
Überleitung
- Im Folgenden wird die Ehe des vorliegenden Textes in Beziehung mit der Paarbeziehung der Ehepartner*innen Klausen in Hartmut Langes Das Haus in der Dorotheenstraße gesetzt.
- Bestandteil dieser Analyse wird sein, dass zunächst die Entwicklung der Beziehung zwischen den Eheleuten Klausen beleuchtet und anschließend noch ein Vergleich der beiden Ehen gezogen wird.
- Wie auch in Die Möbel sind in Langes Roman die Themen Entfremdung eines Ehepaares sowie das Zerbrechens ihrer Ehe präsent. Außerdem geht es auch hier um die Darstellung eines Wirklichkeits- und Selbstverlusts sowie des Scheiterns einer bürgerlichen Existenz.
Hauptteil
Entwicklung der Beziehung zwischen den Eheleuten Klausen- Zu Beginn der Novelle wird ein scheinbar intaktes und vertrautes Eheleben in gesicherten Verhältnissen dargestellt. Klausen ist ein erfolgreicher und gut bezahlter Wirtschaftsjournalist, der mit seiner Frau Xenia in einer Villa in Berlin lebt. Er plant, die Villa zu kaufen, um die Fortdauer ihres Ehelebens zu sichern.
- Die Krise beginnt, als Klausen eine befristete Auslandskorrespondenz in London übernimmt und Xenia in Berlin bleibt. Die Verbindung zwischen den Eheleuten bricht allmählich ab: Anfangs gibt es noch gelegentliche Telefonate, dann werden diese teils vergeblich oder befremdlich. Treffen kommen nicht zustande.
- Klausen wird zunehmend von Wahrnehmungstrübung und Verunsicherung bezüglich seiner Ehesituation erfasst. Er hegt den Verdacht einer möglichen Untreue seiner Frau. Die Grenzen zwischen Möglichkeit und Gewissheit verschwimmen: Klausens Vorstellungen werden zur Realität und seine Vermutung der Untreue wandelt sich zur Annahme.
- Schließlich steigert sich Klausen in einen Wahn hinein und verliert die Kontrolle über sich selbst, bis hin zum Selbstverlust. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass dies am Ende der Novelle in einem Mord gipfelt.
- Die Figurenkonstellationen in beiden Texten weisen Ähnlichkeiten auf, obwohl die sozialen Hintergründe der Charaktere unterschiedlich sind. Die Geschichten konzentrieren sich hauptsächlich auf die Männerfiguren, während die Ehefrauen nur geringfügig konturiert werden.
- Sowohl Klausen als auch Strauß leben oberflächlich betrachtet ein intaktes Leben und Eheleben. Beide Männer haben das Bedürfnis nach Ordnung, Sicherheit und Harmonie. Im Alltag erleben sie jedoch Momente der Irritation und neigen dazu, diese zu verdrängen.
- Beide Protagonisten hegen den Verdacht, dass ihre Frauen möglicherweise Affären mit anderen Männern haben könnten. Um ihrer Ehekrise zu begegnen, versuchen sie auf unterschiedliche Weise damit umzugehen: Lange flüchtet sich in wirklichkeitsfremde Erklärungen, während Strauß die Probleme ignoriert.
- In beiden Werken wird das Gespräch und der Konflikt von den Männern vermieden, während die Frauen keinen Appell an ihre Partner richten.
- Diese Gemeinsamkeiten zeigen auf, wie beide Geschichten die Schwierigkeiten und Herausforderungen des Ehelebens thematisieren und dabei die Kommunikation und Auseinandersetzung zwischen den Partnern vernachlässigen.
- Lange beschreibt ausführlich den Prozess der Veränderung und Entfremdung zwischen den Eheleuten, während Strauß nur einen kurzen Einblick in eine entfremdete Paarbeziehung gibt.
- In Das Haus in der Dorotheenstraße kommunizieren die Ehepartner zumindest anfangs gelegentlich miteinander, während in Strauß' Geschichte nur ein non-verbales Begrüßungsritual gezeigt wird.
- Der Protagonist bei Lange ist stark verstört und zweifelt an sich selbst, während Strauß' Figur keine Zweifel besitzt und die irritierende Wahrnehmung ignoriert. Der Protagonist bei Lange zweifelt vorübergehend an der Echtheit seiner Wahrnehmungen, erkennt aber schließlich die vermeintliche Wahrheit.
- Bei Strauß bleibt die Frage nach der Wirklichkeit oder Unwirklichkeit des Wahrgenommenen unklar. Die Konfliktbewältigungsstrategie des Rationalisierens und Verdrängens scheitert bei Langes Figur, während sie bei Strauß' Figur funktioniert, aber nur oberflächlich.
- Bei Lange endet die Ehe offensichtlich im Scheitern, während bei Strauß der Konflikt nicht ausgetragen wird und das Eheleben ohne Aussprache weitergeht.
- Hartmut Lange steuert linear auf eine Katastrophe am Ende der Novelle zu, während Strauß mit den Erwartungen der Leser spielt und diese dann enttäuscht werden.
- Lange nutzt wechselnde Erzählperspektiven, um den Lesern einen Wissensvorsprung gegenüber dem Protagonisten zu geben und ein Verständnis für seine Irritationen zu ermöglichen. Strauß spielt mit den Erzählperspektiven, um die Frage nach der Wirklichkeit oder Unwirklichkeit des Geschehens sowohl für den Protagonisten als auch für die Leser zu verwirren
Schluss
- Die beiden Texte von Lange und Strauß weisen einige Ähnlichkeiten in Bezug auf die Darstellung von entfremdeten Paarbeziehungen auf. In beiden Geschichten wird deutlich, dass die Kommunikation zwischen den Ehepartnern stark eingeschränkt ist und eine gewisse Distanz herrscht.
- Während bei Lange zumindest noch anfänglich gelegentliche Kommunikation stattfindet, beschränkt sich diese bei Strauß lediglich auf ein non-verbales Begrüßungsritual. Beide Texte zeigen auch, dass die Eheleute mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind und wenig Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse des anderen haben.
- Ein weiterer Aspekt, der in beiden Texten thematisiert wird, ist die Frage nach der Tragfähigkeit rationaler Lebensentwürfe und nach Identität. Bei Lange zweifelt der Protagonist an sich selbst und stellt seine Wahrnehmungen in Frage. Er durchläuft einen Veränderungs- und Entfremdungsprozess, der mit Selbstzweifeln und Selbstbeschuldigungen einhergeht.
- Bei Strauß hingegen bleibt die Figur unerschüttert in ihrer Ignoranz gegenüber den irritierenden Wahrnehmungen und setzt ihr Leben ohne Zweifel fort. Diese unterschiedlichen Reaktionen werfen die Frage auf, wie stabil unsere Identität ist und ob wir uns wirklich kennen.
- Beide Texte spielen auch mit dem Kontrast zwischen Realem und Imaginiertem. Bei Lange zweifelt der Protagonist vorübergehend an der Echtheit seiner Wahrnehmungen, während bei Strauß die Frage nach der Wirklichkeit oder Unwirklichkeit des Wahrgenommenen im Unklaren bleibt. Dieses Spiel mit der Realität erzeugt eine gewisse Unsicherheit und Verwirrung sowohl für die Figuren als auch für die Leser.
- Lange nutzt wechselnde Erzählperspektiven, um den Lesern einen Wissensvorsprung gegenüber dem Protagonisten zu geben und ein Verständnis für seine Irritationen zu ermöglichen. Strauß hingegen spielt mit den Erzählperspektiven, um die Frage nach der Wirklichkeit oder Unwirklichkeit des Geschehens sowohl für den Protagonisten als auch für die Leser zu verwirren.
- Diese Ähnlichkeiten in der Darstellung von entfremdeten Paarbeziehungen, die Auseinandersetzung mit rationalen Lebensentwürfen und Identität, das Spiel mit Realem und Imaginiertem sowie die unterschiedlichen Erzählweisen lassen auf eine gewisse Postmoderne in beiden Texten schließen.
- Die Postmoderne zeichnet sich durch eine Skepsis gegenüber eindeutigen Wahrheiten und festen Identitäten aus. In beiden Geschichten wird diese Unsicherheit und Ambiguität deutlich, was darauf hinweist, dass die Autoren sich mit postmodernen Ideen auseinandergesetzt haben könnten.