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Analyse eines literarischen Textes mit weiterführendem Schreibauftrag
Thema: Heinrich Böll: An der Brücke Aufgabenstellung:- Analysiere die Kurzgeschichte „An der Brücke“ von Heinrich Böll und erschließe dabei die Gestaltung der Figur des Ich-Erzählers.
(38 Punkte)
- Stelle dar, welche Bedeutung die Beziehung zu Margot Neff für die Entwicklung von Veit Kolbe in dem Roman „Unter der Drachenwand“ von Arno Geiger hat. Vergleiche vor diesem Hintergrund die literarische Gestaltung der beiden vom Krieg betroffenen Männerfiguren. Berücksichtige dabei auch die erzählerische Anlage beider Texte.
(34 Punkte)
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Die haben mir meine Beine geflickt und haben mir einen Posten gegeben, wo ich sitzen kann:
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ich zähle die Leute, die über die neue Brücke gehen. Es macht ihnen ja Spaß, sich ihre Tüchtig-
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keit mit Zahlen zu belegen, sie berauschen sich an diesem sinnlosen Nichts aus ein paar Ziffern,
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und den ganzen Tag, den ganzen Tag, geht mein stummer Mund wie ein Uhrwerk, indem ich
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Nummer auf Nummer häufe, um ihnen abends den Triumph einer Zahl zu schenken.
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Ihre Gesichter strahlen, wenn ich ihnen das Ergebnis meiner Schicht mitteile, je höher die
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Zahl, um so mehr strahlen sie, und sie haben Grund, sich befriedigt ins Bett zu legen, denn
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viele Tausende gehen täglich über ihre neue Brücke…
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Aber ihre Statistik stimmt nicht. Es tut mir leid, aber sie stimmt nicht. Ich bin ein unzuver-
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lässiger Mensch, obwohl ich es verstehe, den Eindruck von Biederkeit zu erwecken.
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Insgeheim macht es mir Freude, manchmal einen zu unterschlagen, und dann wieder, wenn
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ich Mitleid empfinde, ihnen ein paar zu schenken. Ihr Glück liegt in meiner Hand. Wenn ich
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wütend bin, wenn ich nichts zu rauchen habe, gebe ich nur den Durchschnitt an, manchmal
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unter dem Durchschnitt, und wenn mein Herz aufschlägt, wenn ich froh bin, lasse ich meine
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Großzügigkeit in einer fünfstelligen Zahl verströmen. Sie sind ja so glücklich! Sie reißen mir
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förmlich das Ergebnis jedesmal aus der Hand, und ihre Augen leuchten auf, und sie klopfen
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mir auf die Schulter. Sie ahnen ja nichts! Und dann fangen sie an zu multiplizieren, zu divi-
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dieren, zu prozentualisieren, ich weiß nicht, was. Sie rechnen aus, wieviel heute jede Minute
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über die Brücke gehen und wieviel in zehn Jahren über die Brücke gegangen sein werden. Sie
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lieben das zweite Futur, das zweite Futur ist ihre Spezialität – und doch, es tut mir leid, daß
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alles nicht stimmt…
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Wenn meine kleine Geliebte über die Brücke kommt – und sie kommt zweimal am Tage –,
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dann bleibt mein Herz einfach stehen. Das unermüdliche Ticken meines Herzens setzt ein-
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fach aus, bis sie in die Allee eingebogen und verschwunden ist. Und alle, die in dieser Zeit
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passieren, verschweige ich ihnen. Diese zwei Minuten gehören mir, mir ganz allein, und ich
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lasse sie mir nicht nehmen. Und auch wenn sie abends wieder zurückkommt aus ihrer Eis-
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diele – ich weiß inzwischen, daß sie in einer Eisdiele arbeitet –, wenn sie auf der anderen
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Seite des Gehsteiges meinen stummen Mund passiert, der zählen, zählen muß, dann setzt
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mein Herz wieder aus, und ich fange erst wieder an zu zählen, wenn sie nicht mehr zu sehen
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ist. Und alle, die das Glück haben, in diesen Minuten vor meinen blinden Augen zu defilieren,
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gehen nicht in die Ewigkeit der Statistik ein: Schattenmänner und Schattenfrauen, nichtige
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Wesen, die im zweiten Futur der Statistik nicht mitmarschieren werden…
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Es ist klar, daß ich sie liebe. Aber sie weiß nichts davon, und ich möchte auch nicht, daß
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sie es erfährt. Sie soll nicht ahnen, auf welche ungeheure Weise sie alle Berechnungen über
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den Haufen wirft, und ahnungslos und unschuldig soll sie mit ihren langen braunen Haaren
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und den zarten Füßen in ihre Eisdiele marschieren, und sie soll viel Trinkgeld bekommen.
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Ich liebe sie. Es ist ganz klar, daß ich sie liebe.
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Neulich haben sie mich kontrolliert. Der Kumpel, der auf der anderen Seite sitzt und die
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Autos zählen muß, hat mich früh genug gewarnt, und ich habe höllisch aufgepaßt. Ich habe
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gezählt wie verrückt, ein Kilometerzähler kann nicht besser zählen. Der Oberstatistiker selbst
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hat sich drüben auf die andere Seite gestellt und hat später das Ergebnis einer Stunde mit mei-
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nem Stundenergebnis verglichen. Ich hatte nur einen weniger als er. Meine kleine Geliebte
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war vorbeigekommen, und niemals im Leben werde ich dieses hübsche Kind ins zweite Futur
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transponieren lassen, diese meine kleine Geliebte soll nicht multipliziert und dividiert und
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in ein prozentuales Nichts verwandelt werden. Mein Herz hat mir geblutet, daß ich zählen
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mußte, ohne ihr nachsehen zu können, und dem Kumpel drüben, der die Autos zählen muß,
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bin ich sehr dankbar gewesen. Es ging ja glatt um meine Existenz.
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Der Oberstatistiker hat mir auf die Schulter geklopft und hat gesagt, daß ich gut bin, zuver-
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lässig und treu. „Eins in der Stunde verzählt“, hat er gesagt, „macht nicht viel. Wir zählen
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sowieso einen gewissen prozentualen Verschleiß hinzu. Ich werde beantragen, daß Sie zu
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den Pferdewagen versetzt werden.“
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Pferdewagen ist natürlich die Masche. Pferdewagen ist ein Lenz wie nie zuvor. Pferde-
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wagen gibt es höchstens fünfundzwanzig am Tage, und alle halbe Stunde einmal in seinem
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Gehirn die nächste Nummer fallen zu lassen, das ist ein Lenz!
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Pferdewagen wäre herrlich. Zwischen vier und acht dürfen überhaupt keine Pferdewagen
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über die Brücke, und ich könnte spazierengehen oder in die Eisdiele, könnte sie mir lange an-
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schauen oder sie vielleicht ein Stück nach Hause bringen, meine kleine, ungezählte Geliebte...
Anmerkung zum Autor:
Heinrich Böll wurde 1917 in Köln geboren. Kurz nach Antritt des Studiums der Germanistik und klassischen Philologie
wurde Böll 1939 in die Wehrmacht einberufen und war bis zum Ende des Krieges 1945 Soldat. Die Erfahrungen des
Krieges und die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Nachkriegsdeutschland bilden die zentralen
Themen seines literarischen Werkes, für das er 1972 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.
Böll starb 1985 in Kreuzau-Langenbroich. Aus: Heinrich Böll: An der Brücke. In: Ders.: Weke. Kölner Ausgabe. Band 4. Hrsg. von Hans Joachim Bernhard.
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2003, S. 53–55.
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Einleitung
- Autor: Heinrich Böll
- Titel: An der Brücke
- Erscheinungsjahr: 1949
- Textsorte: Kurzgeschichte
- Epoche: Nachkriegsliteratur
- Quelle: Heinrich Böll: An der Brücke. In: Ders.: Werke. Kölner Ausgabe. Band 4. Hrsg. von Hans Joachim Bernhard. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2003, S. 53–55.
- Inhalt: In Bölls Kurzgeschichte ist die Rede von einem männlichen Protagonisten, dessen Beruf es ist, die Menschen, die an ihm auf der Brücke vorübergehen, zu zählen.
Hauptteil
Inhaltliche Analyse- Der Ich-Erzähler der Kurzgeschichte, welcher den Krieg überlebte, beschreibt, dass er nun in seiner neuen Arbeit den Auftrag erhalten hat, sich sitzend an einer Brücke zu positionieren und die vorübergehenden Passanten zu zählen.
- Was für den Protagonisten sich selbst als enorm monotone Tätigkeit darstellt, findet bei seinem Arbeitgeber auf der höheren Ebene Anklang, da die hohe Anzahl der Vorübergehenden die Beliebtheit der Brücke repräsentiert.
- Der Sitzende, gelangweilt von der nicht abwechslungsreichen Arbeit, die ihm aufgetragen wurde, rebelliert auf subtile Art und Weise gegen seine Vorgesetzten, indem er die Zählerei nicht ernst genug nimmt, sodass er je nach Konzentration mal mehr oder mal weniger aufmerksam mitzählt.
- Momente, in denen der Zählende sich verzählt sind zum Beispiel solche, in denen er im Zauber des Moments gefangen ist, wie etwa, wenn seine geliebte Person die Brücke überquert oder er Menschen beobachtet, die vollkommen glücklich sind (Vgl. Z. 15).
- Ein Kollege des Sitzenden setzt ihn vor Anbruch seiner Tätigkeit darüber in Kenntnis, dass seine Zählergebnisse stichprobenartig kontrolliert werden würden. Auch wird ihm nach bestandener Prüfung mitgeteilt, dass er, fortan einfachere Zählaufgaben wie etwa das Zählen von Pferdewägen übernehmen könne.
- Am Ende wird deutlich, dass es sich bei der Geliebten des Zählenden um eine ihm eigentlich fremde Person handelt und er sie zwar liebt, sie jedoch nicht einmal um seine Existenz weiß. Er nimmt sich vor, sie einmal auf Arbeit zu besuchen.
- In der gesamten Kurzgeschichte lassen sich keine temporären oder lokalen Angaben finden. Einzig die grobe zeitliche Einordnung in die Zeit nach dem Krieg lässt sich machen, da der Protagonist beschreibt, dass ihm „die Beine geflickt“ (Z. 1) wurden.
- Die Handlung, die sich über einen kurzen Zeitraum erstreckt, zeigt eine Welt auf, in der Menschen nichts als Zahlen sind, das Individuum in der Masse verschwindet und höhere Instanzen bestimmen, wie man das eigene Leben lebt.
- Berücksichtigung der Sicht auf die Realität aus der Brille des Ich-Erzählers, welcher gleichzeitig als Protagonist der Kurzgeschichte fungiert. Miteinbezug der Tatsache, dass der im Krieg verletzte Mann aufgrund seiner gesammelten Eindrücke eine nachvollziehbare zynische und sarkastische Sichtweise auf die Dinge besitzt.
- Indem Böll die Geschichte offen ausgehen lässt, besteht die Restwahrscheinlichkeit, dass der pessimistische Protagonist möglicherweise doch noch das private Glück mit seiner Geliebten erfahren werden kann.
- Motive: Die Brücke steht als Motiv in der Kurzgeschichte für die rapide ansteigende Technisierung in der Gesellschaft, in der keine Daseinsberechtigung für gefühlsbetonte Momente ist, in das nummerieren eines Menschen mehr wert ist, als die zwischenmenschliche Begegnung mit letzterem.
- Anaphern: Indem der Autor sich wiederholende rhetorische Mittel wie Anaphern (Z. 52 f.) und Repititionen (Z. 4) verwendet, zieht er auch sprachlich eine Parallele zu der inhaltlichen sich immer wiederholenden, monotonen Arbeit des lyrischen Ichs.
- Neologismen: Durch die Einbindung von Wortneuschöpfungen wie „Schattenmänner[n] und Schattenfrauen“ (Z. 31) verdeutlicht Böll noch einmal die Anonymität und Gesichtslosigkeit und damit einhergehende Bedeutungslosigkeit der Menschen als Individuen in einer zahlenbasierten, schnelllebigen Gesellschaft.
- Starker Kontrast zwischen den Beschreibungen Vorüberhastender, welche das lyrische Ich mit in seinen Zahlenkatalog aufnimmt und seiner Geliebten, die er ausführlich und liebevoll beschreibt (Z. 33 f.).
- Ironie: Indem Böll ironische Sprache als Stilmittel in seiner Kurzgeschichte einsetzt, übt er subtile Kritik am bestehenden System und seinen Konventionen aus (Z. 7).
Zweite Teilaufgabe
Auswirkungen der Beziehung zwischen Veit Kolbe und Margot Neff auf den Protagonisten
- Bevor Veit Margot kennenlernt, befindet er sich in einer physischen sowie mentalen sehr vulnerablen Verfassung. Durch seinen Dienst im Krieg ist er verletzt und sein in Mitleidenschaft gezogenes Bein will einfach nicht heilen.
- Doch auch mental und emotional durchlebt der junge Veit Kolbe ein Trauma, seine posttraumatische Belastungsstörung versucht er mit Medikamenten zu betäuben, doch die Angstzustände kommen immer wieder hoch und treten immer verhäufter auf.
- Der Protagonist erhält den Eindruck, die Zeit im Krieg habe ihn wertvoller Lebenszeit beraubt, die er nie wieder zurückbekommen würde und die ihn in eine nachteilige Lebenssituation gebracht hätte, aus welcher er sich nun nicht mehr selbstständig hinauskatapultieren könne.
- Als Veit Margot kennenlernt, vollzieht sich in Kolbe eine merkliche Veränderung. In der Beziehung von Veit Kolbe und Margot blüht Veit zu einer ihm selbst ganz neuen Version von sich selbst auf.
- Die junge Frau weist mehrmals darauf hin, wie zufrieden sie mit Kolbe sei - besonders in sexueller Hinsicht. Trotz seiner körperlichen wie auch seelischen Verwundungen befindet sich Veit Kolbe noch in der Lage, zu lieben und diese Liebe leidenschaftlich auszuleben.
- Auch fernab des Bettes, nämlich in der Gärtnerei, findet der Protagonist wieder eine Erfüllung, die trotz der harten Arbeit sein Leben wieder lebendig und sinnvoll erscheinen lässt. Durch Margot erfährt Veit seit langer Zeit wieder, dass seine eigenen Bedürfnisse und Empfindungen eine Daseinsberechtigung besitzen.
- Die Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit, die Veit, seitdem er aus dem Krieg zurückgekommen war, anhaftet, schwindet langsam aber sicher, als er Margot kennenlernt. Durch die junge Mutter erfährt Veit seit langer Zeit wieder so etwas wie Lebensfreude und er blickt der Zukunft auch wieder zuversichtlicher entgegen. Auch physisch erholt sich der junge Kriegveteran und seine Beinwunde beginnt, zu heilen.
Vergleich der beiden vom Krieg heimgekehrten Männerfiguren in der Kurzgeschichte An der Brücke und in Arno Geigers Unter der Drachenwand
Gemeinsamkeiten- Beide Figuren sind zwar lebend aus dem Krieg heimgekehrt, jedoch haben sie Blessuren davongetragen, welche sie (zumindest temporär) einschränken.
- In beiden Fällen liegt es im Interesse der Vorgesetzten der beiden Männer, dass es ihnen bald wieder besser geht. Allerdings ist hier nicht Nächstenliebe, sondern der Wunsch nach Einsetzbarkeit im Beruf Motivation.
- Sowohl der Protagonist in Bölls Kurzgeschichte als auch Veit Kolbe erfahren ein gewisses Maß an Unmündigkeit, welche sie seitens ihrer Arbeitgeber erfahren und die sie in ihrer persönlichen Freiheit einschränkt.
- Neben den nachvollziehbaren Traumata durch den Krieg trägt auch die allgegenwärtige Kontrolle von außen zum Unwohlsein der Männer bei. Sei es im Falle der Kurzgeschichte in Form von Stichproben der Zählaufgabe des Protagonisten oder in Veit Kolbes Fall, die ständige Einberufung des Oberoffiziers, der seine Tauglichkeit überprüfen möchte.
- Anhand beider Protagonisten ist erkennbar, welchen positiven Effekt die Präsenz einer geliebten Figur auf die beiden Männer ausübt. In beiden Fällen fungieren die Frauenfiguren als eine Art Retterfigur oder Schutzengel – wenn man so will.
- Perspektivisch nehmen sich die beiden Werke nicht viel – in beiden Geschichten erzählt der Erzähler aus der Ich-Perspektive. Dies führt dazu, dass sich Lesende in beiden Fällen gut in die jeweilige Hauptfigur hineinzuversetzen vermögen.
- Insofern dass beide Männer trotz der ihnen auferlegten Kontrollen, Überwachung und Einschränkungen ihre innere, widerständige Haltung nicht brechen lassen, kann dieser Umgang mit Autoritäten als offenkundige kritische Würdigung dessen angesehen werden, wie Kriegsveteranen und Menschen auch im Allgemeinen in der Zeit nach dem Krieg vom Staat und Obrigkeiten behandelt wurden.
- Während man in Bölls Geschichte als Leser*in zwar nur einen kurzen Blick darauf erhält, wie hingezogen sich der Zählende zu seiner Geliebten (Z. 22 ff.) fühlt, wird diese emotionale Verbindung in Unter der Drachenwand zwischen Veit und Margot noch eingehender beschrieben. Außerdem erfährt man in der Kurzgeschichte auch nicht, ob es zu einer Realisierung der Wunschliebe zwischen Protagonist und seiner Geliebten kommt.
- Die Wundheilung Veit Kolbes Wunde scheint um einiges langwieriger zu sein als die des Protagonisten in Bölls Kurzgeschichte. Dort wird nur kurz am Anfang erwähnt, dass man ihm „[s]eine Beine geflickt“ (Z. 1) habe und infolge dessen nahtlos in seiner neuen Anstellung als Passantenzähler anfängt.
- Der Rückeroberungsversuch der persönlichen Freiheit oder zumindest der Versuch, diese wieder ein Stück weit zu erlangen, spielen in beiden Werken eine Rolle. Allerdings erhält Veit Kolbe tatsächlich eine immerhin temporäre Freistellung von seinem Beruf, während der Protagonist in der Kurzgeschichte gleich weiter eingesetzt wird.
- Das Bedürfnis, sich gegen die ihnen auferlegte Doktrin aufzulehnen, leben die beiden Männer in unterschiedlichem Maße aus. Der Kriegsveteran bei Böll führt eher eine innere Rebellion gegen seine Vorgesetzten, wenngleich Veit Kolbe höhere Risiken eingeht, um bspw. seinen Freund Robert Raimund Perttes vor den Nationalsozialisten zu schützen.
- Bereits in der Länge der beiden Geschichten unterscheiden sich die Werke voneinander: Während man als Leser*in bei Böll nur einen bemessenen Zeitausschnitt erfährt, begleitet man Veit Kolbe und die anderen Figuren in Unter der Drachenwand über einen längeren Zeitraum.
- Während Böll nicht weiter auf die gesellschaftlichen Strömungen und Effekte des Krieges eingeht und ausschließlich aus der Linse des Protagonisten erzählt wird, zoomt Arno Geiger aus der Ich-Perspektive des Protagonisten in Unter der Drachenwand heraus und demonstriert auch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, reaktionären Autoritäten und damit verbundene Ausgrenzung und Diskriminierung am Schicksal einzelner Individuen wie des Robert Raimund Perttes.
- Bereits in der Entstehung unterscheiden sich die beiden Werke maßgeblich voneinander. Während Bölls Werk An der Brückebereits 1949 erscheint und damit zur Nachkriegsliteratur gehört und zeitlich linear mit der Zeit in seiner Kurzgeschichte ist, publiziert Arno Geiger seine Novelle Unter der Drachenwand erst im Jahr 2018 und demzufolge zählt sie als Gegenwartsliteratur.
- Aufgrund der differierenden Veröffentlichungs- und Enstehungszeitpunkte weichen auch die Perspektiven, für deren Erzählform sich die jeweiligen Autoren entscheiden, voneinander ab.