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Analyse eines Sachtextes
Thema: Kübra Gümüşay: Sprache und Sein Aufgabenstellung:- Analysiere den Textauszug aus Kübra Gümüşays Schrift Sprache und Sein.
(38 Punkte)
- Stelle die Theorie von Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf zum Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit in Grundzügen dar. Vergleiche diese mit der Position von Kübra Gümüşay. Nimm abwägend Stellung zu der von der Autorin aufgeworfenen Frage, ob wir eine Sprache brauchen, „die gänzlich darauf verzichtet, Menschen nach ihrer Geschlechtsidentität zu kategorisieren“ (Z. 49 f.).
(34 Punkte)
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Stellen Sie sich vor, Folgendes geschieht: Ein Vater und ein Sohn sind mit dem Auto unter-
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wegs und haben einen Unfall, bei dem beide schwer verletzt werden. Der Vater stirbt wäh-
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rend der Fahrt zum Krankenhaus, der Sohn muss sofort operiert werden. Bei seinem Anblick
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jedoch erblasst einer der diensthabenden Chirurgen und sagt: „Ich kann ihn nicht operieren –
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das ist mein Sohn!“
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Wer ist diese Person? Die Wissenschaftlerin Annabell Preussler verwendet dieses Beispiel,
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um zu verdeutlichen, welche Bilder sich aufgrund unseres Sprachgebrauchs in unseren Köpfen
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festsetzen. Die Antwort lautet: Es ist die Mutter.
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Warum sorgt diese Geschichte im ersten Moment für Irritation? Weil wir uns – wenn von
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einem „Chirurgen“ die Rede ist – einen Mann vorstellen, keine Frau. Wir tun das, weil die
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deutsche Sprache nicht nur geschlechtsspezifische Pronomen kennt, sondern auch einen Genus,
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also ein grammatikalisches Geschlecht – anders als beispielsweise das Englische, in dem der
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teacher sich auf eine Lehrerin oder einen Lehrer beziehen kann. Trotz dieser Unterscheidungs-
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möglichkeit gibt es die Konvention des generischen Maskulinums, die dazu führt, dass die
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Berufsbezeichnung Lehrer Männer wie Frauen umfassen soll.
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Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg argumentiert, dass mit einer solchen Sammel-
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bezeichnung weder Männer noch Frauen gemeint seien, sondern eben alle, die lehren. Nur
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die Tätigkeit sei interessant. Damit wird jedoch der männliche Standpunkt als neutral universalisiert
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und die männliche Form als Standard vorgegeben. Wenn also weder Männer noch
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Frauen gemeint sind – warum dann nicht einfach die weibliche Form nehmen? Das schlägt
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Luise F. Pusch vor, Mitbegründerin der feministischen Sprachwissenschaft in Deutschland.
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Wenn also die Berufsbezeichnung Lehrerin lautete, ließe sich dann immer noch behaupten,
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es seien all jene gemeint, die lehren?
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Das Gedankenspiel verdeutlicht die Unzulänglichkeit des generischen Maskulinums. Es
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reicht nicht aus, dass Frauen – womöglich – mitgemeint sind, wenn sie nicht auch von allen
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mitgedacht werden, die den Begriff verwenden.
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Die Wissenschaftlerinnen Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny und Friederike Braun haben
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den Einfluss geschlechtergerechter Sprache auf unser Denken in folgendem Experiment auf-
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gezeigt: Sie legten 50 Frauen und 46 Männern, unterteilt in drei Gruppen, jeweils einen Frage-
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bogen vor. Die Fragebögen waren alle exakt gleich, sie unterschieden sich einzig in der Ge-
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schlechterbezeichnung. Während die einen nach ihren liebsten Romanhelden befragt wurden,
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wurde die zweite Gruppe nach ihren liebsten Romanfiguren und die dritte nach ihren liebsten
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RomanheldInnen befragt. Also mit männlicher, geschlechtsneutraler und schließlich männ-
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lich-weiblicher Begriffsform, dem Binnen-I.
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Weibliche RomanheldInnen wurden am häufigsten in der geschlechtsneutralen und der
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männlich-weiblichen Begriffsform genannt, deutlich weniger dagegen in der ersten Gruppe,
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also jener, bei der die männliche Form vermeintlich Figuren beiderlei Geschlechts „neutral“
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umfasst. Viele ähnliche Studien, die sich mit dem Gebrauch der männlichen Sprachform be-
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schäftigen, haben das gleiche Ergebnis erbracht: Frauen werden gedanklich weniger einbe-
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zogen.
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Wie lässt sich dieses Problem lösen? Darüber wird seit Jahrzehnten gestritten und debat-
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tiert. Sollen wir ein Binnen-I verwenden (und damit eine binäre Geschlechterdarstellung
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sprachlich zementieren)? Einen Unterstrich (und damit die weibliche Form als Anhängsel
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in weite Ferne vom männlichen Wortstamm rücken)? Einen Doppelpunkt? Ein Ausrufezei-
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chen? Ein Sternchen? Ein X? Und wie sprechen sich diese Schreibweisen jeweils aus? Was
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würde sich im Sprachgebrauch durchsetzen? Trotzdem bleibt die Frage: Bekämpfen diese
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Vorschläge nur Symptome? Brauchen wir vielleicht eine neue, sichtbar nicht neutrale Endung
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für die männlichen Formen? Damit Lehrer tatsächlich all jene meint, die lehren? Damit der
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Mann nicht mehr der Standard ist? Oder brauchen wir eine Sprache, die gänzlich darauf ver-
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zichtet, Menschen nach ihrer Geschlechtsidentität zu kategorisieren? Bei Sprachen wie Swahili,
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Usbekisch, Armenisch, Finnisch oder Türkisch ist das der Fall. [...]
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Klar ist: Wir müssen uns mit der Architektur der Sprache beschäftigen, die unsere Realität
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erfassen soll. Damit wir aussprechen können, was ist. Damit wir sein können, wer wir sind.
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Damit wir sehen können, wer die jeweils anderen sind.
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Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen
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meiner Welt.
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Ludwig Wittgenstein
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Bei einem Abendessen in einer diversen Runde habe ich über dieses Thema gesprochen –
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darüber, wie Sprache Menschen ausgrenzen kann. Viele am Tisch stimmten mir zu und berich-
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teten von eigenen Erfahrungen, bis sich eine Frau zu Wort meldete, die bis dahin geschwie-
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gen hatte. Sie sagte, sie sei überrascht, dass ich und auch andere im Raum sich so für Unge-
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rechtigkeiten in der Sprache interessierten. Sie selbst habe sich nie vom generischen Maskuli-
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num ausgeschlossen, nie durch Sprache begrenzt gefühlt. [...]
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Ein bisschen ratlos hörte ich ihr zu. Und dachte: Vielleicht kann sich ein Mensch, der noch
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nie gegen eine Mauer gelaufen, der noch nie hart auf den Boden der Machtlosigkeit, des Kon-
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trollverlusts, der Demütigung, der Einsamkeit oder der Sprachlosigkeit geschlagen ist – viel-
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leicht kann so ein Mensch sich die Mauern, die sich tatsächlich durch unsere Gesellschaft zie-
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hen, gar nicht vorstellen. Vielleicht läuft dieser Mensch neben einer solchen Mauer entlang,
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ohne sie auch nur zu spüren. Ohne zu ahnen, dass sie für viele andere [...] real ist.
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Eine inzwischen berühmte Analogie des US-amerikanischen Autors David Foster Wallace
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ist ein bildlicher Ausdruck dessen, was Sprache und ihre Macht für mich bedeuten: „Schwim-
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men zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegen-
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richtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: ‚Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?‘ Die
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zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem ande-
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ren einen Blick zu und sagt: ‚Was zum Teufel ist Wasser?‘“
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Sprache in all ihren Facetten – ihr Lexikon, ihre Wortarten, ihre Zeitformen – ist für Men-
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schen wie Wasser für Fische. Der Stoff unseres Denkens und Lebens, der uns formt und prägt,
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ohne dass wir uns seiner in Gänze bewusst wären. Wenn ich dieses Bewusstsein herstelle,
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wenn ich die Grenzen meiner eigenen Wahrnehmung spüre, dann löst das Demut in mir aus.
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Demut vor der Welt, die ich nur aus meinem eingeschränkten Blickwinkel betrachte. Ich bin
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dankbar für das Bewusstsein um die Existenz dieser Grenzen – ich hoffe, sie bewahren mich
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davor, mit unwandelbaren Prämissen und Grundannahmen durch die Welt zu gehen. Das Be-
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wusstsein für unsere Grenzen relativiert die Dinge, die wir ignorant voraussetzen. Die Dinge,
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die wir als universal postulieren – definieren sie doch nichts mehr als die Grenzen unseres
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Horizonts.
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Die Begrenztheit meiner Wahrnehmung ist aber auch Antrieb – sie veranschaulicht mir,
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wie viel ich noch lernen, aufsaugen und verstehen kann. Wenn Sprache unsere Betrachtung
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der Welt so fundamental lenkt – und damit auch beeinträchtigt –, dann ist sie keine Banalität,
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kein Nebenschauplatz politischer Auseinandersetzungen. Wenn sie der Stoff unseres Denkens
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und Lebens ist, dann müsste es selbstverständlich sein, dass wir uns immer wieder fragen, ob
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wir einverstanden sind mit dieser Prägung.
Anmerkung zur Autorin:
Kübra Gümüşay (* 1988 in Hamburg) hat in Hamburg und London Politikwissenschaften studiert. Sie lebt in Hamburg
und arbeitet als Journalistin. Kübra Gümüşay schreibt zu den Themen Rassismus, Feminismus, Netzkultur und setzt sich
mit Fragen gesellschaftlicher Vielfalt auseinander. Weiterhin betätigt sie sich als politische Aktivistin. Aus: Kübra Gümüşay: Sprache und Sein. 10. Auflage. Berlin/München: Hanser Berlin 2020, S. 19 – 23.
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Einleitung
- Vorliegender Textauszug aus dem Werk Sprache und Sein von Kübra Gümüsay erscheint im Hanser Verlag im Jahr 2020 in Berlin.
- Thematisch befasst sich der Auszug mit Sprache im Kontext menschlichen Denkens, Realitätsbezug und Anwendung im alltäglichen Leben und gesellschaftlichen Rahmen.
- Besonders im Hinblick auf Sprache als Machtinstrument wird diese beleuchtet, ebenso, wie der Umstand, dass Sprache das Denken formt.
Hauptteil
Positionierung Kübra Gümüsays- Die Autorin bemerkt, dass Sprache einen uns teilweise bisher unergründeten und unbewussten Einfluss auf das menschliche Denken und demzufolge Handeln besitzt. Was wir denken, wird immer von der Wahl, Qualität und Richtung der Sprache, die wir und andere verwendet, geprägt.
- Beispielsweise die Verwendung einer geschlechterneutralen Sprache erzielt eine Gleichbehandlung aller Geschlechterformen und Typen, während der Gebrauch einer stark am Maskulinen ausgerichteten Sprache unweigerlich zu Diskriminierung andersgeschlechtlicher Gender führt.
- Nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass die Verwendung grammatikalischer Regeln im Hinblick auf Geschlecht eine enorme Wirkung darauf besitzt, inwieweit wir allen Geschlechtern eine Daseins- und Gleichberechtigung einräumen.
- Die Einführung einer Pro-Gender-Sprache ist ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung mannigfaltiger Geschlechtertypen.
- Spätestens, wenn man sich vor Augen führt, welchen massiven Einfluss Sprache auf unsere Lebenshaltung besitzt und wie sie unser Denken formt, sollte der reflektierte und selbstkritische Gebrauch von Sprache zu einer Selbstverständlichkeit werden. Sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum.
- Indem Gümüsay die Leser*innen ihres Textauszugs dazu einlädt, sich auf das Gedankenexperiment der Wissenschaftlerin Annabell Preussler einzulassen, verdeutlicht sie, wie eng das Denken und die Sprache miteinander verknüpft sind.
- Hervorgehoben wird vor allem, wie allgegenwärtig und dominant der Gebrauch der maskulinen Form in der deutschen Sprache ist.
- Die Autorin untersucht diesen Umstand besonders vor dem Hintergrund des Eisenbergschen Ansatzes, der besagt, dass der Einsatz einer generischen Form des Maskulinen aus sprachstruktureller Sicht nicht verwerflich wäre.
- Dem Ansatz Peter Eisenbergs stellt Gümüsay die Argumentationsgrundlage der Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch gegenüber, die sich ganz klar gegen einen generischen Gebrauch des Maskulinen ausspricht, da sie hierbei die Gefahr einer Benachteiligung von Frauen sieht.
- Zum einen spricht sich die Autorin gegen Eisenbergs Position aus, da er in ihren Augen rückschrittig und diskriminierend für Frauen ist, zum anderen betont Gümüsay noch einmal im selben Atemzug ihre eigene Stellung, die sie ganz eindeutig mittels der Anführung eines weiteren Gedankenexperiments der feministischen Seite zuordnet.
- Welche wissenschaftlichen Positionen zum Thema Gender im Sprachkontext existieren bereits und vor welche Herausforderungen sehen sich diese gestellt?
- Ist die Etablierung einer gänzlich geschlechterneutralen Sprache denkbar?
- Gümüsay weist auf die Notwendigkeit, sich umfassend und reflektiert mit Sprache zu beschäftigen, hin. Die Motivation dahinter sollte zum einen ein grundsätzlicher Wille des Verstehens vom Erfassen der Außenwelt sowie des eigenen Denkens sein.
- Die Zusammenhänge von Denken, Sprache, Wahrnehmen und Meinungsentwicklung untersucht Gümüsay unter der Heranziehung von Theorien Wittgensteins, dem Phänomen Sprache ist Macht sowie der näheren Beleuchtung der Grenzen, welche sich uns als Menschen im Wahrnehmen und Denken auftun.
- Die Autorin schließt diesen Textabschnitt damit, dass sie final noch einmal auf den Zusammenhang zwischen eigenen Gedanken und sprachlicher Produktion hinweist. Ferner konstatiert sie noch einmal die Wichtigkeit, sich demzufolge sprachlich und gedanklich immer wieder einem Reset zu unterziehen und ein hohes Maß an Selbstreflexion an den Tag zu legen.
- Gümüsay arbeitet unter anderem in der Anführung ihrer Argumente mit Gedankenexperimenten, die wiederum das kontroverse Thema des Genderns veranschaulicht.
- Wissenschaftlich fundierte Positionen, teilweise auch in Form von Zitaten und anhand bewiesener Ergebnisse aus der Forschung, untermauern Gümüsays eigene Meinungen und Argumentationsgrundlagen zum Thema.
- Durch eine homogene Abwechslung aus wissenschaftlich elaborierten Ergebnissen und eigenen exemplarischen Hinzuziehungen schafft es Gümüsay, die Aufmerksamkeit ihrer Leser*innen bis zum Schluss zu halten.
- Ihre Argumentation schließt die Autorin mit einem umfassenden Fazit sowie einem Appell an die Leser*innen ihres Textauszuges.
- Direktes Ansprechen der Leserschaft mit den Personalpronomen Sie und wir (Vgl. Z. 1, 9, 10, 46, 51) kreiert eine Atmosphäre, in der sich Leser*innen mit in die Thematik einbezogen fühlen und die somit ein schnelleres Eintauchen ins Thema ermöglicht.
- Wiederum das Pronomen Ich (Vgl. Z. 57, 60) setzt die Autorin ein, um die Verbundenheit zu ihren eigenen Standpunkten zu untermauern.
- Weitestgehend simpler syntaktischer Aufbau, der zu einem erhöhten Lesefluss und einem besseren Textverständnis beiträgt.
- Anapher: „Damit wir aussprechen können, was ist. Damit wir sein können, wer wir sind. Damit wir sehen können, wer die jeweils anderen sind.“ (Z. 52 f.). Diese Wortwiederholung am Anfang des Satzes verfügt über die Funktion, einen Text rhythmisch zu strukturieren und außerdem durch die Wiederholung, den Inhalt zu betonen.
- Asyndeton: „Ihr Lexikon, ihre Wortarten, ihre Zeitformen“ (Z. 76). Die Aufzählung von Wort- oder Satzteilen, wie es hier der Fall ist, ohne dass diese jedoch mit Konjunktionen verbunden wären, führt dazu, dass ein bestimmter Sachverhalt noch einmal deutlicher herausgestellt wird.
- Inflationärer Gebrauch (rhetorischer) Fragen: „Einen Unterstrich (und damit die weibliche Form als Anhängsel in weite Ferne vom männlichen Wortstamm rücken)? Einen Doppelpunkt? Ein Ausrufezeichen? Ein Sternchen? Ein X? Und wie sprechen sich diese Schreibweisen jeweils aus?“ (Z. 42 ff.). Mit diesen vielen aufeinanderfolgenden Fragen erzielt die Autorin eine erhöhte Aufmerksamkeit ihrer Leserschaft, lockert den Text auf und weist noch einmal auf die Dringlichkeit der Fragen hin.
- Metaphorik: Indem die Autorin Ausdrücke wie „Grenzen“ (Z. 54) und „Mauer“ (Z. 76) verwendet, verbildlicht sie Sprache und verstärkt damit das Vorstellungsvermögen der Leser*innen und nimmt ihnen gleichzeitig den abstrakten Charakter von Sprache.
- Gümüsays Textauszug folgt insgesamt einem feuilletonistischen, belletristischen und teils umgangssprachlichen Schreibstil, der in diesem Fall das Erfassen des tendenziell theorielastigen Sachverhalts erleichtert.
Schluss
- Mit ihrem Textauszug, der sowohl aus fachlichen als auch alltagstauglichen Beispielen und Komponenten besteht, schafft es die Autorin sowohl fachlich versierte Experten zum Thema mitzureißen, als auch das allgemeine Publikum in die Thematik einzuführen.
- Durch den lebendigen Wechsel verschiedener Verstehens- und Kommunikationsebenen wie Gefühls,- Sach- und Informationsebene vermag Gümüsay einen Lesefluss bei ihren Leser*innen zu erzielen, der bis zum Ende des Textauszuges anhält.
- Besonders im Hinblick auf die inhaltliche Thematik von Sprache zehrt die linguistische Diversität des Textes.
Zweite Teilaufgabe
Einleitung
Theorie Edward Sapirs und Benjamin Lee Whorfs vor dem Hintergrund von Sprache, Denken & Wirklichkeit- Die beiden Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass Sprache eng an das Handeln, Wahrnehmen und Denken eines Menschen geknüpft ist.
- Aufgrund unterschiedlicher Ausgangslagen soll das Gesprochene von Sprechern im Hinblick ihrer Umstände differenziert betrachtet werden, bspw. das Sprachvermögen von Fremdsprachler*innen anders gewertet werden als das von Muttersprachler*innen etc.
- Mit in das Wahrnehmen und Werten von Sprache zählen außerdem interkulturelle Kompetenzen hinein und dass durch kulturelle Unterschiede verschiedene Sichten auf Sprache möglich sind und sein müssen.
- Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bspw. die deutsche Sprache keiner universalen, sondern nur einer relativen Wirklichkeit entspricht.
- Auch kann daraus geschlossen werden, dass sprachlich nur ein begrenzter Determinismus möglich ist und Sprache das Denken und Handeln zwar entscheidet, jedoch nicht gänzlich.
Hauptteil
Vergleich der Theorie Sapirs und Whorfs mit Gümüsays Ansatz Gemeinsamkeiten- Sprache entscheidet die Richtung der Wahrnehmung.
- Sprache ist eng an menschliches Denken geknüpft und besitzt daher die Fähigkeit, das Denken zu beeinflussen und vice versa.
- Mit Sprache gehen neben Möglichkeiten auch Grenzen einher.
- Während Gümüsay Sprache auch unter dem pragmatischen Aspekt beleuchtet, konzentrieren sich Sapir und Whorf vor allem auf das Sprachsystem.
- Gümüsay versteht Sprache vor primär als Kommunikationsträger, Sapir und Whorf vor allem als grammatikalisches System.
- Sapir und Whorf konzentrieren sich in ihrer Theorie vor allem auf erkenntnistheoretische Ansätze, während die Autorin des vorliegenden Textauszuges sich mit einem kritischen Sprachgebrauch (im Hinblick auf Geschlechter) auseinandersetzt.
- Während sich Sapir und Whorf bewusst eine politische Positionierung vermeiden, bezieht Gümüsay mit ihrer Pro-Argumentation zum Thema Gendern in der deutschen Sprache ganz klar Stellung.
- Auch, wenn Gümüsays geschlechterneutraler Ansatz eine Generalisierung aller geschlechterspezifischen Endungen bedeutet, ist ihre Intention dahinter, die Daseinsberechtigung der einzelnen Geschlechter zu betonen.
- Besonders am Herzen liegt der Autorin hierbei, dass sich alle Geschlechter repräsentiert fühlen und die Sensibilität der Gesellschaft für die mannigfaltigen Geschlechterrollen sensibilisiert wird.
- Durch die Aufnahme aller Geschlechter in den Sprachgebrauch findet auch automatisch die Integration in den gesellschaftlichen Raum statt.
- Das Gendern wird als Bewegung verstanden, die die Inklusion und Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig vom Geschlecht, berücksichtigt.
- Gleichzeitig möchte Gümüsay mit ihrer Frage vermeiden, dass es zu einer Überbewertung von Geschlechtern kommt und damit neue Probleme entstehen könnten.
- Durch die Etablierung einer geschlechterneutralen Sprache ist denkbar, dass reaktionäre Hierarchieordnungen erst gar nicht zum Greifen und somit umgangen werden könnten.
- Eine Neutralisierung aller Geschlechter im Sprachgebrauch, mit dem Ziel, dass vorgefertigte Meinungen erst gar keinen Spielraum haben, sich zu entwickeln.
- Geschlechterneutrale als Chance für gleichberechtigten Umgang mit Menschen unabhängig vom Geschlecht und damit als Potenzial für Fortschritt in der Gender-Debatte.
Schluss
- Gümüsays Textauszug können zwei Standpunkte entnommen werden: Die Befürwortung und Verstärkung der femininen Form im Sprachgebrauch der bisher sehr maskulinlastigen deutschen Sprache sowie der Ansatz, geschlechterspezifische Ausdrücke gänzlich aus dem deutschen Wortschatz zu eliminieren.
- Beide Ansätze verfolgen das Ziel der Gleich- und Daseinsberechtigung aller Geschlechter.
- Grundsätzlich wird auch die enge Verknüpfung von Handeln und Denken an die Sprache thematisiert, wobei eben besonders im Hinblick auf diskriminierende Situationen wie die obige Gender-Thematik eingegangen wird.
- Auch, wenn ich den Ansatz eines Nichtsichtbarmachens von Geschlechterunterschieden als durchaus nachvollziehbares Manöver zur Gleichberechtigung verstehen kann, ist es meiner Meinung nach wichtig, auch den weiblichen Endungen in der deutschen Sprache und damit der Frau als gleichberechtigtes Wesen als solches, eine Stimme zu geben.