Thema 1
Gedichtinterpretation
Thema: Ludwig Christoph Heinrich Hölty (* 1748 − † 1776): Lied eines Liebenden (1776) Aufgabenstellung:- Stelle die Situation des lyrischen Ichs dar.
- Zeige an ausgewählten Beispielen, wie sprachliche und formale Aspekte die Aussage des Gedichtes stützen.
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Beglückt, beglückt,
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Wer dich erblickt,
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Und deinen Himmel trinket;
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Wem dein Gesicht,
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Voll Engellicht,
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Den Gruß des Friedens winket.
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Ein süßer Blick,
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Ein Wink, ein Nick,
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Reißt mich zur Himmelssphäre;
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Den ganzen Tag
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Sinn ich ihm nach,
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Und baue dir Altäre.
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Dein liebes Bild,
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So sanft, so mild,
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Führt mich an goldner Kette;
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Erwachet warm
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In meinem Arm,
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Und geht mit mir zu Bette.
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Beglückt, beglückt,
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Wer dich erblickt,
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Und sich in dir berauschet;
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Blick gegen Blick,
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Nick gegen Nick,
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Kuss gegen Kuss vertauschet.
Aus: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 215-216.
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Lies dir den Text zunächst aufmerksam durch und markiere Satzteile oder Wörter, die dir auffallen. Auch hilft es, wenn du dir stichwortartig Notizen zum Thema des Textes machst.Einleitung
- Das vorliegende Gedicht mit dem Titel Lied eines Liebenden stammt von Ludwig Christoph Heinrich Hölty aus seinem Todesjahr 1776.
- Es handelt sich um ein Liebesgedicht bzw. um eine Art Preislied, wie es der Titel bereits vermuten lässt. Der Autor lässt ein Lyrisches Ich zu Wort kommen, das von seiner vollkommenen Geliebten erzählt. Das Gedicht thematisiert die Unerreichbarkeit dieser Geliebten.
- Zeitgeschichtlich einordnen lässt sich Höltys Gedicht in die Epoche des Sturm und Drang.
Hauptteil
Inhaltliche Analyse- Die Figur des Liebenden fungiert als Lyrisches Ich. Das Lyrische Ich erzählt schwärmerisch von einer Geliebten, die vollkommen zu sein scheint.
- In der ersten Strophe des Gedichts wird die Wirkung der Geliebten auf die Allgemeinheit beschrieben. Das Lyrische Ich rühmt die beglückende Wirkung, die die Geliebte laut ihm auf jeden Menschen hat.
- Die zweite und dritte Strophe thematisieren die Wirkung der Geliebten auf das Lyrische Ich. („Reißt mich zur Himmelssphäre“, V. 9; „Sinn ich ihm nach“, V. 11; „Dein liebes Bild“, V. 13)
- Seine Geliebte zwingt ihn von morgens bis abends an sie zu denken. Das Lyrische Ich steht in einem emotionalen Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Geliebten (vgl. V. 12, 15).
- Die emotionale Verbundenheit und Abhängigkeit wird dadurch verstärkt, dass das Lyrische Ich zu jeder Tageszeit an seine Geliebte denken muss. Dementsprechend verwendet der Autor vermehrt Hinweise auf Tageszeiten.(vgl. V. 10, 16, 18).
- In der dritten Strophe stellt sich das Lyrische Ich vor, wie seine Geliebte in „[s]einem Arm“ (V. 17) liegt und erwacht. Das Gedicht gibt jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass die Geliebte seine Liebe überhaupt erwidert. Es liegt nahe, dass das Lyrische Ich seine Vorstellungen ausschließlich imaginiert (vgl. Strophe 3 und 4).
- Die vierte und damit letzte Strophe kontrastiert die Interaktion zwischen anderen Liebenden und der Geliebten selbst (vgl. V. 20ff.).
- Die Geliebte erscheint gleichzeitig nah und fern, sie scheint einerseits sichtbar, andererseits jedoch unerreichbar für den Liebenden.
- Die Existenz der Geliebten sorgt jedoch insgesamt dafür, dass sich das Lyrische Ich beglückt und bereichert fühlt.
- Zur Metrik lässt sich sagen, dass sich ein zweihebiger Jambus männlicher Kadenz mit einem dreihebigen Jambus weiblicher Kadenz abwechselt.
- Es handelt sich um vier Strophen mit jeweils sechs Versen, die in Schweifreimen verfasst sind und durch Enjambements miteinander verbunden werden.
- Die verwendeten traditionellen Formelemente unterstreichen den liedhaften Charakter des Werks. Dieser wird außerdem durch die volksliedhafte und emotionale Sprache verstärkt. Insgesamt zeichnet sich das Gedicht durch eine leicht verständliche Sprache aus.
- Die rein positive Beschreibung der Geliebten wird am verwendeten Wortschatz des Gedichts deutlich (vgl. V. 5, 7, 13 f.).
- Die Geliebte wird durch das Lyrische Ich direkt angesprochen (vgl. V. 2ff., 13, 20 f.). Das Auftreten eines Lyrischen Ichs und die direkte Ansprache unterstreichen die emotionale Verbundenheit zwischen dem Lyrischen Ich und seiner Geliebten.
- Das ständige Verschwimmen von Realität und Bild („Dein liebes Bild“, Z. 13) ist durchaus typisch für den Autor.
- Das Gedicht bedient sich abstrakter Begriffe aus dem religiösen Bereich, die als Metaphern dienen („Himmelssphäre“, V. 9;„Altäre“, V. 12;„goldne Kette“, V. 15). Die Geliebte wird dadurch ebenfalls überhöht bzw. sakralisiert.
- Die geliebte Frau ist keine individuelle Figur, sondern fungiert als abstrakter Typus einer Geliebten.
- Äußerst typisch für die Dichtung der Empfindsamkeit ist eine unpersönliche Haltung des Lyrischen Ichs zur Geliebten, die der Leser auch in diesem Gedicht vorfindet.
- Häufige Verwendung von Assoziationen und Assoziationsketten sowie rhetorischen Stilmittel, um die emotionale Befindlichkeit und das Glücksgefühl des Lyrischen Ich auszudrücken.
- Die Wiederholung der ersten beiden Verse in der ersten und letzten Strophe (vgl. V. 7 f. und V. 22 f.) hat eine bestärkende Wirkung im Gedicht.
- Mit den Stilmitteln Hyperbel: „Reißt mich zur Himmelssphäre; Den ganzen Tag“ (V. 9f.); Klimax (vgl. V. 22 ff.); Metapher (vgl. V. 3, 5, 12, 15) und Anapher (vgl. V. 1 f. und V. 19 f., V. 14) veranschaulicht der Autor die Emotionen des Lyrischen Ichs und verstärkt den Eindruck eines emotionalen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Lyrischen Ich und seiner Geliebten.
Schluss
- Höltys Gedicht Lied eines Liebenden thematisiert die Situation einer verliebten Person, deren Schwarm jedoch unerreichbar zu sein scheint.
- Trotzdem sorgt die Geliebte für das Glücksempfinden des Lyrischen Ichs. Wie gezeigt, enthält das Werk zahlreiche romantische Motive. Der Inhalt korrespondiert auf äußerst künstlerische Weise mit den verwendeten formalen Mitteln.
- Inhaltlich fügt sich das Gedicht in die bekannte Epoche der Liebe und Empfindsamkeit, die des Sturm und Drang ein, zu dessen Vertretern auch Hölty zählt. Im Vordergrund dieser Epoche stehen die emotionale und ausdrucksstarke Sprache, das innere Erleben und der Themenkomplex von Liebe, Emotion und Sehnsucht.