Thema 1
Gedichtinterpretation
Thema: Frank Richter (* 1960): Ein Wort von dir (o.J.) Aufgabenstellung:- Interpretiere das Gedicht. Stelle dabei die Situation des lyrischen Ichs dar.
- Beschreibe dabei die Struktur des Textes sowie ausgewählte Gestaltungsmittel in ihrer Funktion.
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Ein Wort von dir eröffnet Welten
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und fällt in meine kleine ein,
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sprichst du zu mir, prophetisch, selten,
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und lässt du meine Antwort gelten,
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dann können wir verbunden sein.
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Komm, lass uns das Gehörte wiegen,
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ob es uns weiter tragen kann.
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Ich habe gern mit dir geschwiegen
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und ließ mich gern von dir besiegen,
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es hat mir immer gut getan.
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Wenn Worte warm wie Küsse schmecken,
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wird weit das Herz und still der Mund,
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dann muss sich keiner mehr verstecken,
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dann können wir die Welt entdecken,
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so schön, so gut, so weit, so rund.
Aus: Frank Richter: In den Purzelbaum meiner Gefühle. Verlag Hille, Ch. Dresden, 2004, S. 20.
Einleitung
- Frank Richters Gedicht Ein Wort von dir ist 2004 in In den Purzelbaum meiner Gefühle erschienen. Wann genau der Autor dieses Gedicht verfasst hat, ist allerdings nicht vermerkt.
- Im Gedicht sinniert das lyrische Ich über seine Kommunikation mit einem namenlosen Gegenüber und betont, wie wichtig es ist, aufgeschlossen, auf Augenhöhe und ohne Vorurteile miteinander zu sprechen.
- Hauptthema von Ein Wort von dir ist der Wert guter Kommunikation für ein erfülltes Leben und liebevolle, gesunde Beziehungen.
Hauptteil
Formale Analyse- Es handelt sich um ein 3-strophiges Gedicht, in welchem jede Strophe aus 5 Versen besteht.
- Alle 3 Strophen weisen ein festes Reimschema auf und folgen dem Muster abaab mit gleichmäßig wechselnden Kadenzen und 4-hebigem Jambus.
- Auch innerhalb der Strophen finden sich Reime, so arbeitet der Autor in Vers 2 und 4, sowie in Vers 13 und 14 mit einem Anfangsreim.
- Sowohl Strophe 1 als auch Strophe 3 bestehen jeweils aus nur einem verschachtelten Satz. Lediglich Strophe 2 ist in zwei Sätze unterteilt.
- Ein lyrisches Ich tritt als Erzähler auf und spricht ein namenloses Gegenüber mit Personalpronomen an.
- Das lyrische Ich spricht voller Bewunderung einen Gesprächspartner mit dem Personalpronomen „dir“ (V. 1) an.
- Die Worte seines Gegenüber wirken auf das lyrische Ich bereichernd, da sie ihm Welten eröffnen (Vgl. V. 1).
- Direkt in der 1. Strophe wird „Wort“ aus dem Titel des Gedichts aufgegriffen und steht als Leitbegriff des Gedichts für das miteinander Reden und Kommunikation als Ganzes.
- Auch die Personifikation von „Wort“ macht deutlich, welche Macht Kommunikation hat („Ein Wort von dir eröffnet Welten / und fällt in meine kleine ein“, Vgl. V. 2).
- Das lyrische Ich macht außerdem mit dem Vergleich zu seiner „kleinen Welt“ (V. 2) deutlich, dass jeder durch gute Kommunikation dazulernen kann und sich daher auf andere Meinungen und Erfahrungen einlassen sollte.
- Das Substantiv „Welt“ (V. 1) wird als wichtiger Begriff eingeführt. Es steht sinnbildlich dafür, wie gute Kommunikation den Horizont erweitern kann und Einblick in neue, unbekannte Dinge bzw. Welten gibt.
- Außerdem bittet das lyrische Ich darum, der Andere möge seine Meinung und Antwort genauso anhören und ernst nehmen (Vgl. V. 4), da nur so eine gute, faire Kommunikation gelingen kann.
- Satzzeichen: Die 1. Strophe besteht aus einem langen Satzkonstrukt, in dem mehrere Nebensätze und Einschübe durch Kommata abgetrennt werden.
- Personifikation: Das „Wort“ wird personifiziert, indem ihm die Fähigkeit zugeschrieben wird, neue Welten zu „eröffnen“, also den Horizont zu erweitern (Vgl. V. 1).
- Pronomen: Spricht das lyrische Ich zu Beginn noch von sich und „du“, wechselt es am Ende der Strophe über zu einem „wir“ (V. 5), was für die Verbundenheit steht, die durch ein Gespräch auf Augenhöhe und voller Respekt entsteht.
- Die 2. Strophe beginnt mit einem Imperativ („Komm“, V. 6). Das lyrische Ich fordert das Gegenüber damit dazu auf, über das Gesprochene nachzudenken und seine Richtigkeit abzuwiegen (Vgl. V. 6-7).
- Mit der Frage, ob das Gehörte „weiter tragen“ (V. 7) kann, zeigt das lyrische Ich auf, dass es für gute Kommunikation genauso wichtig ist, zuzuhören und zu reflektieren, inwieweit das Gehörte einen voran bringt.
- Außerdem schließt das lyrische Ich auch das Schweigen als wichtigen Aspekt der Kommunikation mit ein, wenn es betont „Ich habe gern mit dir geschwiegen“ (V. 8).
- Des Weiteren zeigt sich das lyrische Ich offen für Neues. Anstatt auf seine eigene Meinung zu beharren, lässt es sich im Gespräch gern „besiegen“ (V. 9), also eines Besseren belehren.
- Imperativ: Das lyrische Ich will seinem Gegenüber deutlich machen, wie wichtig Zuhören und Nachdenken ist.
- Tempuswechsel: Beginnt die Strophe noch im Präsens („wiegen“, V. 6), wechselt sie mit „habe ... geschwiegen“ und „ließ ... besiegen“ (Vgl. V. 8/9) in die Vergangenheitsform. Damit macht das lyrische Ich deutlich, dass es seine Aussagen auf frühere Erfahrungen bezieht und diese als allgemeingültig betrachtet.
- Personifikation: Das Gehörte kann „weiter tragen“ (V. 7), es hat also die Macht, eine Person zu belehren oder voranzubringen.
- Parallelismus: In Vers 8 und 9 arbeitet der Autor mit einem parallelen Satzbau, um aufzuzeigen, dass sowohl Schweigen und Nachdenken als auch Nachgeben und Fehler eingestehen gleichwertig zu guter Kommunikation gehören.
- Alliteration: Durch die stilistische Betonung von „gut getan“ (V. 10) macht das lyrische Ich klar, dass gelungene Kommunikation Menschen immer bereichert.
- In der 3. Strophe zieht das lyrische Ich eine Art Fazit. Es macht deutlich, dass liebevolle Kommunikation („warm wie Küsse“, V. 11) zu einem besseren Miteinander führt.
- Gelungener Austausch kann Vertrauen aufbauen („wird weit das Herz“, V. 12) und eine gemeinsame Basis schaffen, in der sich beide sicher fühlen („muss sich keiner mehr verstecken“, V. 13).
- Außerdem zeigt das lyrische Ich auf, wie durch Kommunikation der Wunsch entstehen kann, gemeinsam miteinander neue Wegen gehen zu wollen und die Welt zu entdecken (Vgl. V. 14).
- Diese Botschaft wird in Strophe 3, anders als in den bisherigen, eher schlichten Strophen, mit einer Vielzahl an Stilmitteln hervorgehoben.
- Alliteration: „Wenn Worte warm wie ... wird weit“ (V. 11-12)
- Metapher: Mit dem metaphorischen Vergleich „Worte warm wie Küsse schmecken“ (V. 11) wird der große Wert gelungener Kommunikation für menschliche Beziehungen betont.
- Antithese: Die Antithetik zwischen „verstecken“ und „entdecken“ (V. 13/14) lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Aussage und unterstreicht, welche Wirkung gute Gespräche haben.
- Parallelismus: Die Antithese wird stilistisch noch durch den parallelen Aufbau der beiden Verse 13 und 14 untermauert, der zusätzlich mit dem Anfangsreim von „dann“ beginnt.
- Akkumulation: Die Aufzählung ohne Konjunktion im letzten Vers verstärkt die appellative Wirkung der letzten Strophe noch mehr.
- Wiederholung: Außerdem werden ganz bewusst die beiden Leitbegriffe „Worte“ (V. 11) und „Welt“ (V. 14) wieder aufgegriffen, sowie das Pronomen „wir“ (V. 14) betont.
Titel
- Der Titel Ein Wort von dir zeigt bereits die Wertschätzung, die das lyrische Ich gegenüber der Meinung seines Gesprächspartners hat.
- Das einzelne „Wort“ steht also für das große Ganze, für Kommunikation als solche.
- Dass im Titel das Pronomen „dir“ erwähnt wird, passt außerdem zur Botschaft des Gedichts. Es geht nicht nur um die eigene Meinung, sondern darum, durch gemeinsamen Austausch und durch Nachgeben zur wahren Erkenntnis zu kommen.
Schluss
- Frank Richter gibt in seinem Gedicht eine Art Anleitung für gute, gelungene Kommunikation.
- Er macht deutlich, dass miteinander Reden aus vielen verschiedenen Aspekten besteht.
- Besonders in der immer schneller werdenden Zeit heutzutage, bei der großen Ablenkung durch soziale Medien und bei dem zunehmenden Egoismus in unserer Gesellschaft ist gesunder, liebevoller, zwischenmenschlicher Austausch wichtiger denn je.