Lerninhalte in Deutsch
Prüfungsaufgaben (Hauptschulabschluss)
Inhaltsverzeichnis

Aufgabe 3

Textbeschreibung Prosa

Thema:
  • Pattie Wigand: Ein Montagmorgen im Bus
Aufgabenstellung:
  • Verfasse eine Textbeschreibung zum vorliegenden Prosatext.
  • Beachte dabei vor allem folgende Punkte:
  • \(\rightarrow\) Nenne Titel, Autor/-in und Thema des Textes.
    \(\rightarrow\) Fasse den Inhalt des Textes kurz in eigenen Worten zusammen.
    \(\rightarrow\) Erkläre, warum die Fahrgäste am Ende der Durchsage des Busfahrers erleichtert sind.
    \(\rightarrow\) Vergleiche das Verhalten der Fahrgäste in den vier weiteren Bussen mit denen im Bus der Hauptfigur.
    \(\rightarrow\) Erkläre, warum die Situation im Bus für die Hauptfigur ein „Montagmorgenwunder“ darstellt.
    \(\rightarrow\) Formuliere deine eigene Meinung zum Text. Begründe dabei auch, ob du dir manchmal wünschst, dass die Menschen mehr aufeinander zugehen.
  • Der Text muss mindestens 150 Wörter umfassen, er kann jedoch auch länger sein. Schreibe in vollständigen Sätzen. Gliedere deinen Text in Einleitung, Hauptteil und Schluss. Achte auf korrekte Sprache und Rechtschreibung, beides wird bewertet.

(50 P)
Material
Ein Montagmorgen im Bus
Pattie Wigand
1
Es waren drei kleine Wörter, die ein Wunder bewirkten.
2
Als ich in den Bus stieg, schien die Sonne. Bei einem Blick aus dem Fenster des 151ers
3
zeigte sich freilich der Winter in Chicago von seiner schmutzigsten Seite – kahle Bäume,
4
Schneematsch, die Autos voller Streusalzspritzer.
5
Der Bus fuhr mehrere Kilometer am Lincolnpark entlang, aber niemand schaute hinaus.
6
Wir, die Fahrgäste, saßen in dicken Mänteln dicht nebeneinander und dösten zum
7
eintönigen Rattern des Motors in der stickigen, überheizten Luft. Kein Mensch sprach.
8
Das gehörte zu den ungeschriebenen Regeln des Berufsverkehrs in Chicago. Zwar
9
begegneten uns jeden Tag dieselben Gesichter, aber wir versteckten uns lieber hinter
10
unseren Zeitungen. Menschen, die nebeneinander saßen, hielten mit dünnen Bögen
11
Papier Distanz.
12
Als sich der Bus den Wolkenkratzerpalästen näherte, ertönte plötzlich eine laute Stimme
13
aus den Lautsprechern: „Achtung! Achtung!“ Zeitungen raschelten. Hälse streckten sich.
14
„Hier spricht der Fahrer.“ Stille. Alles starrte dem Fahrer auf den Hinterkopf. In seiner
15
Stimme lag Autorität. „Legen Sie alle die Zeitung weg.“ Langsam, zentimeterweise
16
sanken die Blätter. Der Fahrer wartete. Wir falteten die Zeitungen zusammen und legten
17
sie auf den Schoß. „Nun drehen Sie alle den Kopf zur Seite und sehen Sie Ihrem
18
Sitznachbarn ins Gesicht. Na, los, auf geht's!“ Erstaunlicherweise gehorchten wir. Noch
19
lächelte niemand. In gedankenlosem Gehorsam folgten wir wie eine Herde.
20
Neben mir saß eine ältere Frau mit rotem, fest um den Kopf geschlungenen Schal. Ich
21
sah sie fast täglich. Wir blickten uns in die Augen und warteten unbewegt auf die nächste
22
Anweisung.
23
„Jetzt sprechen Sie mir nach … “
24
Es war ein Befehl, erteilt im Ton eines militärischen Ausbilders: „Guten Morgen,
25
Nachbar!“ Die Stimmen klangen schwach und ängstlich. Bei vielen von uns waren es die
26
ersten Worte, die uns an dem Tag über die Lippen kamen. Doch wir sagten sie wie
27
Schulkinder im Chor zu dem fremden Menschen neben uns.
28
Wir lächelten uns an. Wir konnten nicht anders. Da war zum einen das Gefühl der
29
Erleichterung, dass wir nicht entführt oder ausgeraubt wurden, zum anderen aber auch
30
das leise Empfinden, dass eine lange unterdrückte allgemeine Höflichkeit zum Vorschein
31
kam. Wir hatten es gesagt: Das Eis war gebrochen. Guten Morgen, Nachbar. Eigentlich
32
war es gar nicht so schwer. Einige wiederholten es sogar. Andere gaben sich die Hand.
33
Viele lachten. Der Busfahrer sagte nichts mehr. Es war auch gar nicht nötig. Keine
34
einzige Zeitung wurde wieder hochgenommen. Alle unterhielten sich angeregt. Erst
35
hatten wir zwar den Kopf über den verrückten Kerl von Fahrer geschüttelt, aber nun
36
waren wir alle froh über seinen Einfall. Immer wieder gab es Gelächter, freundliche
37
Gespräche, wie ich sie nie zuvor in einem Linienbus gehört hatte.
38
Als wir meine Haltestelle erreichten, sagte ich meiner Nachbarin auf Wiedersehen und
39
sprang aus der Bustür, um einer Pfütze auszuweichen. An derselben Haltestelle hatten
40
vier weitere Busse angehalten, deren Fahrgäste einstiegen. Die Weiterfahrenden saßen
41
regungslos und stumm da. Anders die Leute in meinem Bus. Als er losfuhr, brachten ihre
42
lebhaften Mienen mich zum Lachen. Der Tag hatte besser angefangen als alle Tage
43
sonst.
44
Ich blickte dem Fahrer nach. Er sah konzentriert in den Rückspiegel, um eine Lücke im
45
Verkehr zu erspähen. Es schien ihm gar nicht bewusst zu sein, welch ein
46
Montagmorgenwunder er da vollbracht hatte.

Aus: Wagener, Andrea (Hg.): Deutschbuch 8. Berlin: Cornelsen Verlag. 2017. S. 127 f. (zu Prüfungszwecken bearbeitet).

Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!

monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?