HT 2 – Ballistische Schutzwesten
- Gib die Monomere sowie den Reaktionstyp der Synthese des Polyester-Präpolymers an. Erläutere unter Angabe einer Reaktionsgleichung mit Strukturformeln die Bildungsreaktion des Polyester-Präpolymers und erkläre, wie sich diese zugunsten einer besseren Produktausbeute steuern lässt.
(22 Punkte)
- Erkläre die einzelnen Reaktionsschritte der Bildung von Poly-
-methylstyrol aus
-Methylstyrol unter Zugabe eines organischen Peroxids. Gib für diese Teilschritte Reaktionsschemata an. Begründe den Einsatz des Copolymers aus
-Methylstyrol und dem Polyester-Präpolymer in Schutzwesten anstelle von Poly-
-methylstyrol.
(18 Punkte) - Vergleiche die zwischenmolekularen Wechselwirkungen im Polyaramid und im Hochleistungspolyethen mithilfe von geeigneten Strukturformelausschnitten. Erkläre, wie Verzweigungen in Polyethenketten die zwischenmolekularen Wechselwirkungen beeinflussen. Diskutiere die Vorteile des FKV gegenüber einer ausschließlichen Verwendung von Verstärkungsfasern.
(20 Punkte)
Fachspezifische Vorgaben:
Ballistische Schutzwesten – auch „kugelsichere Westen“ genannt – dienen dazu, die Trägerin oder den Träger vor der tödlichen Wirkung von Geschossen aus Schusswaffen zu schützen. Sie werden von Polizistinnen und Polizisten auf der ganzen Welt während ihres Dienstes verwendet. Das Geschoss bleibt nach einem Beschuss in der Weste und die Energie des Einschlags wird auf eine möglichst große Fläche verteilt. Damit dies sicher gelingt, bestehen die Kleidungsstücke aus einem Faser-Kunststoff-Verbund (FKV), einem Werkstoff, bei dem Verstärkungsfasern in einen Kunststoff (Matrix) eingebettet werden. Der FKV muss sehr reißfest sein und darf auch bei hohen Temperaturen nicht schmelzen.
Abbildung 1:
Faser-Kunststoff-Verbund (FKV) – Verstärkungsfasern werden von einer Kunststoffmatrix umgeben.
Faser-Kunststoff-Verbund (FKV) – Verstärkungsfasern werden von einer Kunststoffmatrix umgeben.
Herstellung der Matrix
Die Matrix besteht aus einem Copolymer, das aus
-Methylstyrol und einem kurzkettigen Polyester-Präpolymer gebildet wird.

Herstellung der Verstärkungsfasern
Es gibt unterschiedliche Verstärkungsfasern, die sich für den Einsatz in einer solchen Art von Schutzweste eignen. Am häufigsten werden Fasern aus Polyaramid oder Hochleistungspolyethen verwendet. Hochleistungspolyethen besteht aus völlig unverzweigten, d.h. nur linearen Ketten, während die Polymerketten in normalem Polyethen auch Verzweigungen haben. Beide Kunststoffe, Polyaramid und Hochleistungspolyethen, werden nach der Herstellung zuerst gesponnen und danach verstreckt, so dass große Bereiche mit parallelen Molekülketten entstehen (kristalline Bereiche). Die fertigen Fasern bettet man bei der Matrixbildung ein, es entsteht eine Platte aus einem Faser-Kunststoff-Verbund.
Zusatzinformationen:
Kristallisationsgrad
Die Kristallisation ist der Übergang eines Kunststoffs in einen hochgeordneten Zustand. Der Kristallisationsgrad gibt an, welcher Anteil des Werkstoffs diesen Zustand erreicht hat.
Zugfestigkeit
Ein Probekörper mit definierten Abmessungen wird mittels einer Prüfmaschine auseinandergezogen. Die maximale Kraft pro
bis zum Zerreißen ist die Zugfestigkeit.
Tabelle 1: Kristallisationsgrad und Zugfestigkeit von Polyaramid und verschiedenen Polyethen-Sorten
Polyethen (LD): Polyethen mit einer geringen Dichte
bis
Polyethen (HD): Polyethen mit einer hohen Dichte
bis


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1.
Monomere des Polyester-Präpolymers
Reaktionstyp der Synthese
Es gibt mehrere Möglichkeiten:
Das Polyester-Präpolymer ist ein Polymer mit wiederholenden Esterbindungen, die sich durch die Polykondensation der Carboxylgruppe der Maleinsäure und der Hydroxylgruppen des cis-2-Buten-1,4-diols bilden. Während der Reaktion wird Wasser als Nebenprodukt abgespalten.
Die Moleküle besitzen zwei endständige funktionelle Gruppen, sind also bifunktionell und können dadurch zu einer Molekülkette weiterreagieren. Das Endprodukt ist ein Polyester. Bessere Produktausbeute

Maleinsäure bzw. cis-Butensäure

cis-2-Buten-1,4-diol
- Kondensationsreaktion / Veresterung
- Substitutionsreaktion
- Additions-Eliminierungsreaktion

Die Moleküle besitzen zwei endständige funktionelle Gruppen, sind also bifunktionell und können dadurch zu einer Molekülkette weiterreagieren. Das Endprodukt ist ein Polyester. Bessere Produktausbeute
- Einsatz eines Katalysators: Durch das Herabsetzen der Aktivierungsenergie kann die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht und die Produktausbeute gesteigert werden. Der Katalysator geht unverbraucht aus der Reaktion hervor.
- Prinzip von LE CHATELIER bzw. des kleinsten Zwangs: Die Reaktion steht in einem chemischen Gleichgewicht, deswegen können einige Faktoren verändert werden, um die Produktausbeute zu steigern.
Entfernung des Nebenprodukts (Wasser), womit sich das Gleichgewicht auf die Seite der Produkte verschiebt.
Erhöhung der Konzentration der Edukte, wodurch sich das Gleichgewicht ebenfalls auf die Seite der Produkte verschiebt.
Zusätzlich: Die Reaktion ist exotherm, also kann durch eine Temperaturerniedrigung das Gleichgewicht auf Produktseite verschoben werden.
2.
Reaktionsschritte bei der Bildung von Poly-
-methylstyrol
Die Bildung von Poly-
-methylstyrol aus erfolgt durch eine radikalische Polymerisation von
-Methylstyrol unter Zugabe eines organischen Peroxids als Initiator.
Startreaktion:
In der Startreaktion wird das organische Peroxid durch eine thermische oder chemische Aktivierung in Radikale gespalten. Die gebildeten Radikale sind hochreaktive Spezies mit einem ungepaarten Elektron.
Kettenstart bzw. Initiierung:
Das Startradikal greift ein
-Methylstyrol-Molekül an, wodurch ein
-Methylstyrol-Radikal entsteht.
Kettenwachstum bzw. Propagation
Die gebildeten Radikale reagieren mit jeweils mit weiteren
-Methylstyrol-Molekülen und initiieren eine Kettenreaktion. Dabei wird ein neues Radikal am α-Kohlenstoffatom des Styrols gebildet, während das ursprüngliche Radikal an die entstehende Styrolkette gebunden bleibt. In diesem Schritt wird die Polymerkette verlängert.
Kettenabbruchreaktion bzw. Termination
Die Kettenreaktion endet, wenn zwei Radikale miteinander reagieren. Die Terminierung führt zum Abbruch der Kettenreaktion und zum Abschluss der Polymerisation.
Begründung des Einsatzes eines Copolymers
Da es sich um einen Thermoplasten handelt (einzelne, unverzweigte Ketten) kann der Kunststoff beim Erhitzen schmelzen. Dies wird durch den Einsatz eines Copolymers verhindert, da bei der Reaktion neue Quervernetzungen entstehen. Dabei sind die sehr reaktiven Doppelbindungen in den Präpolymer-Molekülen quasi Ankerpunkte für zusätzliche Polymerisationsreaktionen und dadurch vielseitig einsetzbar.
Das entstandene quervernetzte Polymer ist ein Duroplast, der auch bei hohen Temperaturen seine Härte und Formstabilität behält und in den die Verstärkungsfasern fest integriert sind.




3.
Vergleich der zwischenmolekularen Wechselwirkungen
Polyaramid bildet starke Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Amidgruppen aus, woraus eine stark vernetzte Struktur resultiert. Hochleistungspolyethen hingegen weist hauptsächlich Van-der-Waals-Kräfte aufgrund der Abwesenheit von polaren Gruppen und funktionellen Gruppen auf, was dennoch eine kristalline Struktur mit hoher Dichte und Zugfestigkeit ermöglicht.
Einfluss von Verzweigungen
Durch Verzweigungen in Polyethenketten wird die Kettenanordnung beeinflusst, da die Ketten weniger dicht gepackt und nicht kristallin vorliegen. Dies bewirkt, dass weniger Kontaktpunkte zwischen den Ketten herrschen, die Wechselwirkungen (VAN-DER-WAALS-Kräfte) abschwächen und die Zugfestigkeit abnimmt.
Vorteile von FKV gegenüber Verstärkungsfasern
Beim Faser-Kunststoff-Verbund werden sehr zugfeste Verstärkungsfasern in die Matrix eingebettet. Dadurch wird die Stabilität erhöht und die Schmelzbarkeit erschwert.
Eine Weste ohne Matrix hätte eine geringere Schutzwirkung, da der Einschlag einer Kugel durch die Erhitzung die Faserstabilität verringert.
Polyaramid |
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Hochleistungspolyethen |
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