HT 3
Thema: Dinoflagellaten in der Lagune Ingril
1.
Skizziere auf Basis von Material A ein Nahrungsnetz und ermittle die zugehörigen Trophieebenen (Material A). Fasse die in den Abbildungen 1 und 2 gezeigten Daten zusammen und leite auf dieser Basis die Populationsentwicklung von Vulcanodinium rugosum im Jahresverlauf in der Lagune Ingril ab (Material B).
(26 Punkte)
2.
Stelle den Prozess der Erregungsübertragung an einer erregenden chemischen Synapse in einem Fließschema dar. Erläutere die Wirkungsweise von Pinnatoxin G auf molekularer Ebene und die Auswirkungen einer Vergiftung bei Säugetieren (Material C).
(16 Punkte)
3.
Nimm Stellung zum Risiko des Verzehrs von Muscheln oder Fischen aus der Lagune Ingril (Materialien A bis C). Entwickle eine Hypothese zur zukünftigen Entwicklung von Massenvermehrungen von V. rugosum unter Berücksichtigung einer möglichen Erhöhung der Wassertemperatur in der Lagune Ingril (Materialien A bis C).
(12 Punkte)
Material A: Lagunen als Lebensraum
An der Mittelmeerküste Südfrankreichs gibt es flache Gewässer, die durch Sandablagerungen vom Mittelmeer fast vollständig getrennt sind. Solche Gewässer werden Lagunen genannt. Hier werden Pazifische Austern und Mittelmeer-Miesmuscheln für den menschlichen Verzehr angebaut. Beide Muschelarten ernähren sich durch Filtration von im Wasser schwebenden meist einzelligen Algen, dem Phytoplankton, und auch durch Filtration von Kleinkrebsen und Rädertierchen, dem Zooplankton, aus dem Wasser. Das Zooplankton frisst auch Phytoplankton.Zum Phytoplankton zählt auch der Dinoflagellat Vulcanodinium rugosum. Es handelt sich um eine einzellige Alge, die frei im Wasser schwimmen kann. V. rugosum lebt in küstennahen Gewässern und kommt in der Lagune Ingril im Freiwasser oder als Aufwuchs auf größeren Algen vor. Die Dünnlippige Meeräsche weidet hier insbesondere während der warmen Jahreszeit bodennah Aufwuchsalgen ab. Der Europäische Wolfsbarsch jagt unter anderem die Dünnlippige Meeräsche, beide Fischarten sind beliebte Speisefische.
Material B: Abiotische Faktoren in der Lagune Ingril
Die Lagune Ingril erhält Süßwasser durch Regen und Zuflüsse, aber auch Salzwasser durch ihre Verbindungen zum Mittelmeer. Die Wassertiefe schwankt etwa zwischen 0,5 und 1,7 Metern, da im Mittelmeerklima Sommertrockenheit und Winterregen typisch sind. Abbildung 1 zeigt monatliche Mittelwerte von Wassertemperatur und Salzgehalt, der Salinität, in der Lagune Ingril im Jahresverlauf. Im Sommer können kurzzeitig auch Wassertemperaturen über 30 °C auftreten.
Abbildung 1
Jahresverlauf abiotischer Faktoren in der Lagune Ingril. A Wassertemperatur; B Salinität.
Es werden Mittelwerte des jeweiligen Monats aus dem Zeitraum von 2000 bis 2013 gezeigt.
Es werden Mittelwerte des jeweiligen Monats aus dem Zeitraum von 2000 bis 2013 gezeigt.

Abbildung 2
Wachstum von Vulcanodinium rugosum in Abhängigkeit von Salinität und Temperatur.
A Wachstumsrate pro Tag; B Maximale Zellzahl pro Milliliter
A Wachstumsrate pro Tag; B Maximale Zellzahl pro Milliliter
Material C: Wirkung von Pinnatoxin G
Viele Dinoflagellaten-Arten enthalten Neurotoxine. Auch Vulcanodinium rugosum produziert ein Toxin, das fettlösliche Pinnatoxin G. Bei Muscheln oder Fischen kann Pinnatoxin G im Fettgewebe eingelagert werden. Die neurophysiologische Wirkung von Pinnatoxin G auf Acetylcholin-gesteuerte Natriumionen-Kanäle von Säugetieren wurde bei zeitlich begrenzter Acetylcholin-Einwirkung untersucht (Abbildung 3). Pinnatoxin G wird nicht durch die Acetylcholin-Esterase abgebaut.
Abbildung 3
Natriumionen-Strom durch Acetylcholin-gesteuerte Natriumionen-Kanäle bei Einwirkung von Acetylcholin.
A Abwesenheit von Pinnatoxin G; B dauerhafte Anwesenheit von Pinnatoxin G. Die Konzentration von Pinnatoxin G war
30 000fach geringer als die von Acetylcholin. Die Angabe negativer Werte für den Ionenfluss ist messtechnisch bedingt.
A Abwesenheit von Pinnatoxin G; B dauerhafte Anwesenheit von Pinnatoxin G. Die Konzentration von Pinnatoxin G war
30 000fach geringer als die von Acetylcholin. Die Angabe negativer Werte für den Ionenfluss ist messtechnisch bedingt.
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1.
Nahrungsnetz und Trophieebenen:

- Produzent: Phytoplankton dient allen Arten als Nahrungsgrundlage, und gewinnt seine Energie durch Photosynthese.
- Primärkonsumenten: Zooplankton ist Primärkonsument für Phytoplankton. Miesmuscheln, Austern und die Dünnlippige Meeräsche, wenn diese Phytoplankton fressen.
- Sekundärkonsumenten: Miesmuscheln und Austern die Zooplankton fressen, sowie der Mensch bzw. Wolfsbarsch, der sich von der Meeräsche ernährt, sind Sekundärkonsumenten.
- Tertiärkonsumenten: Der Mensch ist Tertiärkonsument, wenn er Miesmuscheln oder Austern isst.
2.
Erregungsübertragung an einer erregenden chemischen Synapse:
Wirkungsweise von Pinnatoxin G und Auswirkungen einer Vergiftung bei Säugetieren:
Pinnatoxin G bewirkt eine deutliche Reduktion des Natrium-Ionenstroms durch Acetylcholin-gesteuerte Natrium-Ionenkanäle. In Abwesenheit des Toxins wird etwa 5 ms nach Einwirken von Acetylcholin ein schnell steigender Ionenfluss (mit negativem Betrag) bis knapp -1,5 nA gemessen. Dieser Puls dauert etwa 5 ms an, und steigt dann über die nächsten 25 ms wieder auf das Ausgangsniveau. Ist Pinnatoxin G vorhanden, so wird der Einstrom der Natrium-Ionen minimal später ausgelöst. Außerdem strömen weniger Natrium-Ionen ein, was dazu führt, dass der elektrische Fluss nur noch etwa ein Drittel des Ionenflusses ohne Toxin beträgt. Der Grund dafür könnte sein, dass Pinnatoxin G die transmittergesetuerten Ionenkanäle der postsynaptischen Membran blockiert, und somit weniger Ionenkanäle öffnen können.
Nimmt ein Säugetier das Toxin auf, so führt der verminderte Ionenfluss zu einer Beeinträchtigung der Erregungsleitung an der postsynaptischen Membran. Da weniger Ionen in die Postsynapse einströmen, fällt das abgeleitete postsynaptische Potenzial entsprechend geringer aus. Wird der Schwellenwert zum Auslösen eines Aktionspotenzials nicht erreicht, so kann die Erregung nicht weitergeleitet werden. Infolgedessen kommt es zu Lähmungserscheinungen der Muskulatur, und gegebenenfalls zum Tod.

3.
Risiko des Verzehrs von Muscheln oder Fischen aus der Lagune Ingril:
Der Pinnatoxin G produzierende Dinoflagellat V. rugosum steht an der Basis der Nahrungskette für verschiedene Muschel- und Fischarten, die in der Lagune Ingril vorkommen. Das Toxin ist fettlöslich, und kann sich so im Gewebe von Fischen und Muscheln anreichern. Gerade in den Sommermonaten, in denen es zu einer Massenvermehrung von V. rugosum kommt, sollte daher auf Fisch und Muschelen aus der Lagune Ingril verzichtet werden, da ansonsten das gefährliche Pinnatoxin G durch die Nahrung aufgenommen werden kann.
Zukünftige Entwicklung von Massenvermehrungen von V. rugosum:
Massenvermehrungen treten vorallem in den Sommermonaten auf. Das liegt daran, dass die Wassertemperatur und Salinität in diesem Zeitraum optimal für die Vermehrung des Dinoflagellaten sind. Findet eine starke Vermehrung von V. rugosum statt, so entstehen auch mehr Überdauerungszellen, und die Anzahl der aktiven Zellen im nächsten Jahr ist höher. Durch den Klimawandel kommt es öfter zu extremen Wetterereignissen, wie Rekordhitze oder Dürreperioden. Gegebenenfalls lässt dadurch die Süßwasserzufuhr in die Lagune nach, und die Salinität steigt weiter. Auch die Wassertemperatur hängt mit der Erderwärmung zusammen. In Zukunft kann das dazu führen, dass immer öfter die Bedingungen für Massenvermehrungen von V. rugosum ideal sind. Damit steigt auch das Risiko einer Vergiftung mit Pinnatoxin G beim Verzehr von Fischen oder Muscheln aus der Lagune Ingril.