HT 2 – Ökologie, Evolution
Thema: Ökologie und Evolution Eurasischer Spitzmäuse
1.
Fasse die Angaben zu den Beutespektren der drei genannten Spitzmausarten zusammen (Material A). Werte Material A im Hinblick auf die ökologischen Beziehungen aus und begründe die Koexistenz der drei Spitzmausarten (Material A).
(14 Punkte)
2.
Fasse die in Abbildung 1A dargestellten Ergebnisse zusammen und deute das Verhalten der Spitzmausarten (Materialien A und B). Stelle unter Berücksichtigung der Daten aus Abbildung 1B eine begründete Hypothese über die Bedeutung des Giftes für die Eurasische Wasserspitzmaus auf (Materialien A und B).
(20 Punkte)
3.
Analysiere den in Abbildung 2 gezeigten Stammbaum im Hinblick auf das Auftreten von Giften bei den dargestellten Gattungen (Materialien B und C). Entwickele auf der Basis aller Materialien eine Hypothese zur evolutiven Entstehung von Eurasischer Wasserspitzmaus und Sumpfspitzmaus (Materialien A bis C).
(20 Punkte)
Material A: Ökologie Eurasischer Spitzmausarten
Die Eurasische Wasserspitzmaus (Neomys fodiens) zählt wie die Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus) und die Waldspitzmaus (Sorex araneus) zur Familie der Spitzmäuse. Alle drei Arten kommen in Europa und Teilen Asiens gemeinsam vor. Die Eurasische Wasserspitzmaus ist die größte der drei Arten. Sie besitzt Schwimmborsten an den Hinterfüßen und am Schwanz. Sie kann gut schwimmen und tauchen. Das nachtaktive Tier bewohnt nicht zu dicht bewachsene Uferbereiche von meist schnell fließenden Gewässern. Auch Sümpfe, nasse Wälder und Wiesen werden besiedelt. Die nachtaktive Sumpfspitzmaus kann ebenfalls schwimmen und tauchen. Ihre Schwimmborsten sind kleiner als die der Eurasischen Wasserspitzmaus oder fehlen ganz. Sie lebt bevorzugt an Ufern langsam fließender Gewässer und in Feuchtgebieten mit dichtem Kraut- und Strauchbewuchs. Die tag- und nachtaktive Waldspitzmaus besiedelt insbesondere feuchte Wälder und Feuchtwiesen, aber auch andere Landlebensräume. Neben den in Tabelle 1 gezeigten Wirbellosen zählen auch kleinere Wirbeltiere wie Frösche und Fische zur Beute der Eurasischen Wasserspitzmaus. Die Waldspitzmaus frisst selten kleinere Wirbeltiere wie Frösche oder junge Mäuse.
Tab. 1: Beutespektrum von Eurasischer Wasserspitzmaus, Sumpfspitzmaus und Waldspitzmaus. Es wurden Fäkalien von gefangenen Spitzmäusen untersucht. Die gezeigten Werte geben an, bei wie viel Prozent der Spitzmäuse die jeweiligen Beutetiere gefunden wurden.

Material B: Umgang von Spitzmausarten mit Beutetieren
Spitzmäuse nehmen täglich eine große Menge an Nahrung zu sich, ihr Energiebedarf ist sehr hoch. Da sie auch über den Winter aktiv sind, benötigen sie ganzjährig Nahrung. Sie erbeuten häufig mehr Beutetiere als sie direkt verzehren. Ein Teil der Beute wird für längere Zeit im Bau gehortet. Dafür werden einige Beutetiere durch Bisse immobilisiert. Dies kann mechanisch erfolgen, indem Nerven durchtrennt werden, welche die Muskeln innervieren. Möglich ist zudem eine Immobilisierung mithilfe von Giften. Die Eurasische Wasserspitzmaus und die Sumpfspitzmaus produzieren ein Gift in Drüsen unter der Zunge. Das Gift kann bei einem Biss mit dem Speichel übertragen werden. Es hat eine muskellähmende Wirkung. Die Waldspitzmaus ist dagegen ungiftig. In einem Laborexperiment wurde der Umgang mit der Beute von Eurasischer Wasserspitzmaus und der kleineren Waldspitzmaus im Zusammenhang mit der Beutegröße und Beutemasse untersucht. Dazu wurden den Spitzmäusen unterschiedliche Beutetiere angeboten. Als kleine, leichte Beute dienten Mehlkäfer-Larven, als mittelgroße Beute wurden Regenwürmer angeboten und als große, schwere Beute dienten Frösche. Es wurde ermittelt, welcher Anteil der jeweiligen Beutetiere sofort an Ort und Stelle oder nach und nach gefressen wurde. Zudem wurde erfasst, welcher Anteil der Beute im Bau gehortet oder ignoriert wurde (Abbildung 1A). Abbildung 1B zeigt die jeweils zur Überwältigung der Beute benötigte Zeit.

Abb. 1: Umgang von Eurasischer Wasserspitzmaus und Waldspitzmaus mit Beutetieren.
A Fress- und Hortungsverhalten;
B zur Überwältigung unterschiedlicher Beute benötigte Zeit; die Waldspitzmaus hat in diesen Experimenten keine Frösche überwältigt.
A Fress- und Hortungsverhalten;
B zur Überwältigung unterschiedlicher Beute benötigte Zeit; die Waldspitzmaus hat in diesen Experimenten keine Frösche überwältigt.
Material C: Verwandtschaftsverhältnisse und Giftigkeit
Die Verwandtschaftsverhältnisse ausgewählter Spitzmausgattungen wurden auf der Grundlage molekularer Daten ermittelt und in Bezug zum Auftreten des Merkmals Giftigkeit in einem phylogenetischen Stammbaum dargestellt (Abbildung 2). Die Eurasische Wasserspitzmaus und die Sumpfspitzmaus gehören zur Gattung Neomys (Wasserspitzmäuse).
Abb. 2: Phylogenetischer Stammbaum ausgewählter Gattungen der Sptzmäuse.
Die Kleinohrigel (Erinaceus) gehören nicht zu den Spitzmäusen und bilden die Außengruppe.
Die Kleinohrigel (Erinaceus) gehören nicht zu den Spitzmäusen und bilden die Außengruppe.
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1.
Zusammenfassung der Beutespektren der drei Spitzmausarten:
- Die Eurasische Wasserspitzmaus ernährt sich vorwiegend von wasserlebenden Wirbellosen wie Wasserasseln und Köcherfliegenlarven. Zu ihrem Beutespektrum gehören aber auch landlebende Wirbellose wie zum Beispiel Spinnen und kleinere Wirbeltiere wie Frösche.
- Die Sumpfspitzmaus frisst bevorzugt Spinnen und Regenwürmer. Sie ernährt sich aber auch von anderen Landwirbellosen und ab und zu auch von Wasserwirbellosen wie Wasserasseln.
- Die Waldspitzmaus ernährt sich ausschließlich von landlebenden Wirbellosen und kleineren Wirbeltieren. Zu ihrer Beute gehören hauptsächlich Regenwürmer und Käfer.
- Alle drei Spitzmausarten ernähren sich carnivor von Wirbellosen oder kleinen Wirbeltieren.
- Die Wasserspitzmaus und die Sumpfspitzmaus ernähren sich zudem von wasserlebenden Tieren.
- Somit sind die Beutespektren aller Spitzmausarten recht ähnlich und breit gefächert.
- Die ökologischen Nischen aller Spitzmausarten überschneiden sich.
- Alle Spitzmausarten bevorzugen feuchte Gebiete und sind auch bei Nacht aktiv. Somit herrscht zwischen den Arten interspezifische Konkurrenz.
- Die Waldspitzmaus ist im Gegensatz zur Wasser- und Sumpfspitzmaus auch tagsüber aktiv. Sie kann dadurch leichter Beute finden, die ausschließlich tagaktiv ist.
- Die Habitatwahl der Spitzmausarten ist zwar ähnlich, unterscheidet sich jedoch beispielsweise hinsichtlich der Fließgeschwindigkeit der Gewässer.
- Dadurch wird die interspezifische Konkurrenz abgeschwächt. Durch Unterschiede in den jeweiligen ökologischen Nischen der Arten, ist eine Koexistenz möglich.
2.
Zusammenfassung der in Abbildung 1 A dargestellten Ergebnisse zum Umgang mit der Beute der beiden Spitzmausarten:
- Kleinere Beutetiere wie die Mehlkäferlarven wurden im Experiment von beiden Spitzmausarten fast immer direkt gefressen.
- Mittelgroße Beutetiere wie Regenwürmer wurden meist nicht direkt gefressen, sondern erst nach und nach oder erst nach einer Immobilisierung. Die Wasserspitzmaus ignorierte Regenwürmer häufiger als die Waldspitzmaus.
- Mehlkäferlarven wurden im Vergleich zu Regenwürmern von beiden Spitzmausarten deutlich seltener gehortet.
- Die Waldspitzmaus ignoriert Beute seltener als die Wasserspitzmaus.
- Kleinere Beute wird bevorzugt direkt gefressen, und deckt damit den hohen Energiebedarf der Spitzmäuse während der aktiven Nahrungssuche.
- Der gehortete Teil der Nahrung dient den Spitzmäusen als Nahrung in ihren Ruhephasen.
- In den kälteren Wintermonaten könnte dieses Verhalten nützlich sein, da die Spitzmaus in dieser Jahreszeit nicht so viel Nahrung erbeuten kann wie sonst. Sie kann sich dann von ihren Vorräten ernähren.
- Das Horten von größeren Beutetieren bietet dabei den Vorteil, dass diese eine höhere Biomasse besitzen, und die Spitzmaus länger ernähren können.
- Im Experiment wurde mittelgroße Beute wie beispielsweise Regenwürmer schneller von der Wasserspitzmaus erlegt als von der Waldspitzmaus.
- Große Beutetiere wie Frösche wurden ausschließlich von der Wasserspitzmaus erlegt.
- Das legt die Vermutung nahe, dass das Gift der Wasserspitzmaus ihren Jagderfolg deutlich erhöht.
- Das Gift ermöglicht es der Wasserspitzmaus, größere Tiere wie Frösche zu überwältigen. Das Gift löst bei den Fröschen vermutlich eine Muskellähmung aus und hindert die Tiere somit an der Flucht.
- Nicht giftige Spitzmäuse brauchen vergleichsweise länger, um Beute zu erlegen. Giftige Spitzmäuse können Beute schneller erlegen, und sparen dadurch Energie.
- Das Gift der Eurasischen Wasserspitzmaus könnte daher den Beutefang und Jagderfolg steigern. Somit stellt das Gift ein Selektionsvorteil gegenüber anderen Arten dar.
3.
Analyse des Stammbaumes im Hinblick auf das Auftreten von Giften:
- Der letzte gemeinsame Vorfahr der Spitzmäuse lebte vor ca. 65 Millionen Jahren. Vor 20 Millionen Jahren spaltete sich die Entwicklungslinie in die verschiedenen Arten auf.
- In den Gattungen Crocidura, Blarina und Neomys sind giftige Arten vorhanden. Diese sind aber nicht näher miteinander verwandt. Alle anderen Gattungen der Entwicklungslinie haben keine giftigen Arten entwickelt.
- Aufgrund der hohen Anzahl an ungiftigen Arten, und der nur weit entfernten Verwandtschaft der giftigen Arten, liegt die Vermutung nahe, dass das Merkmal Giftigkeit im Laufe der Evolution mehrfach unabhängig voneinander entstanden ist.
- Das Merkmal Giftigkeit begründet somit keine nähere Verwandtschaft der gezeigten Gattungen. Die Giftigkeit mancher Arten hat sich vermutlich im Laufe der Evolution konvergent entwickelt.
- Vermutlich leben die giftigen Spitzmausarten in ökologisch ähnlichen Gebieten. Sie alle sind einem ähnlichen Selektionsdruck ausgesetzt. Das könnte ein Grund für die Entwicklung des Giftes sein.
- Beide Spitzmausarten gehören zu derselben Gattung (Neomys). Vermutlich war die Stammart dieser Gattung ebenfalls giftig, da alle Unterarten das Merkmal der Giftigkeit aufweisen.
- Das Merkmal der Giftigkeit ist vermutlich durch eine Mutation entstanden. Dabei entwickelte der Vorfahr der beiden Spitzmausarten die Fähigkeit, zur Produktion von Giften in Drüsen unter der Zunge. Dies verschaffte den Tieren einen Selektionsvorteil beim Jagen und Erlegen von Beute.
- Vermutlich hatte der letzte gemeinsame Vorfahre der Wasserspitzmaus und der Sumpfspitzmaus Schwimmborsten, um Gewässer besser als Jagdgebiet nutzen zu können, und neue Habitate zu erschließen.
- Im Laufe der Evolution isolierte sich der Genpool der Stammart durch Mutation weiter voneinander, bis zwei getrennte Arten entstanden waren.