HT 2 – Neurobiologie, Genetik
Thema: Pestizideinsatz in der Lachszucht
1.
Stelle in einem Fließdiagramm die Informationsübertragung an einer Acetylcholingesteuerten Synapse dar. Beschreibe die in Abbildung 1 dargestellten Ergebnisse (Material A). Erläutere die Auswirkungen von Azamethiphos auf molekularer Ebene und auf Ebene des Organismus (Material A).
(21 Punkte)
2.
Ermittle für die in Tabelle 1 dargestellten Nukleotidsequenzen die zugehörigen mRNA- und Aminosäuresequenzen sowie den Mutationstyp (Materialien B und D). Erläutere mögliche Auswirkungen der Mutationen auf die Funktion der Acetylcholinesterase (Materialien A und B).
(16 Punkte)
3.
Ermittle für die Stämme 1, 2 und 3 begründend die entsprechenden Genotypen (Materialien B und C). Vergleiche die in Abbildung 3 gezeigten Ergebnisse mit denen in Abbildung 1 und entwickle eine Hypothese zur Erklärung der Befunde (Materialien A bis C).
(17 Punkte)
Material A: Die Wirkung des Pestizids Azamethiphos
Lachsläuse (Lepeophtheirus salmonis) sind parasitäre Kleinkrebse. Sie befallen den Atlantischen Lachs, leben auf dessen Körperoberfläche und ernähren sich von Schleim, Hautpartikeln und Blut der Fische. Betroffene Fische zeigen offene Wunden in der Haut und Blutarmut. Dies kann zum Tod der Fische führen. In der Lachszucht führt ein Befall der Fische zu großen wirtschaftlichen Verlusten. Als Maßnahme wird in der Aquazucht das Pestizid Azamethiphos verwendet, das in geringen Mengen (0,2 µg pro Liter) den Zuchtbecken beigefügt wird. Um die Wirkung des Pestizids auf die Nervenzellen von Lachsläusen zu untersuchen, behandelte man homozygote Wildtyp-Lachsläuse für 24 Stunden mit Azamethiphos. Anschließend wurde die Aktivität des Enzyms Acetylcholinesterase (AChE) bei den so behandelten Wildtyp-Lachsläusen ermittelt (Abbildung 1).
Abb. 1: Aktivität der Acetylcholinesterase (AChE) bei Wildtyp-Lachsläusen unter verschiedenen Bedingungen.
Dargestellt sind die Mittelwerte sowie die maximalen und minimalen Werte.
Dargestellt sind die Mittelwerte sowie die maximalen und minimalen Werte.
Material B: Azamethiphos-Resistenz und ihre genetischen Ursachen
Nach jahrelangem, dauerhaftem Einsatz von Azamethiphos in der Aquazucht wurde eine weit verbreitete Resistenz bei Lachsläusen gegen dieses Pestizid festgestellt. Auf der Suche nach den Ursachen der Resistenz stieß man auf das ace1a-Gen der Lachslaus. Dieses codiert die Acetylcholinesterase.
Tab. 1: Ausschnitt aus dem nicht-codogenen Strang des ace1a-Gens bei Lachsläusen.
E: empfindlich; R: resistent
E: empfindlich; R: resistent

Material C: Wirksamkeit von Azamethiphos bei unterschiedlichen Stämmen der Lachslaus
In Lachszucht-Gewässern Norwegens fand man Lachslaus-Stämme mit unterschiedlichen Genotypen bezüglich des ace1a-Gens. Es wurde die Wirksamkeit von Azamethiphos auf Lachsläuse der drei Stämme untersucht. Dazu behandelte man drei Lachslaus-Stämme für 24 Stunden mit diesem Pestizid und untersuchte die Auswirkungen (Abbildung 2). Anschließend wurde die Aktivität des Enzyms Acetylcholinesterase bei Stamm 1 unter dem Einfluss von Azamethiphos ermittelt (Abbildung 3).
Abb. 2: Anteil der toten Lachsläuse nach der Behandlung mit Azamethiphos

Abb. 3: Aktivität der Acetylcholinesterase (AChE) bei Lachsläusen aus Stamm 1 unter verschiedenen Bedingungen.
Dargestellt sind die Mittelwerte sowie die maximalen und minimalen Werte.
Dargestellt sind die Mittelwerte sowie die maximalen und minimalen Werte.
Material D: Codesonne und Tabelle zum genetischen Code


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1.
Informationsübertragung an einer Acetylcholin-gesteuerten Synapse:
Eine Acetylcholin führende erregende Synapse ist für die Weiterleitung von Reizen, beispielsweise zwischen zwei Nervenzellen, zuständig. Am Ende eines Axons befindet sich die Synapse, die über die präsynaptische Membran mit dem synaptischen Spalt in Kontakt steht. Als synaptischen Spalt bezeichnet man eine etwa 20–30 nm breite Lücke zwischen zwei Synapsen.
Ein Aktionspotenzial erreicht die Präsynapse
Öffnen spannungsabhängiger Calcium-Ionenkanäle in der Membran
Einstrom positiv geladener Calciumionen
Erhöhte Calcium-Ionenkonzentration in der Synapse
Wanderung der mit dem Transmittermolekül Acetylcholin gefüllten synaptischen Bläschen
Bewegung in Richtung der präsynaptischer Membran
Verschmelzen mit präsynaptischer Membran
Transmitterstoff wird durch Endocytose in den synaptischen Spalt entlassen
gelangt durch Diffusion bis zur postsynaptischen Membran
In der postsynaptischen Membran befinden sich ligandengesteuerte Natrium-Ionenkanäle
Acetylcholin bindet an diese
Öffnung der Natrium-Ionenkanäle wird induziert
Positiv geladene Natriumionen strömen in die Zelle ein
Depolarisation der postsynaptischen Membran wird ausgelöst
Entstehung eines EPSP (exzitatorisches postsynaptisches Potenzial)
Transmittermolekül löst sich von den Rezeptoren in der postsynaptischen Membran
Natrium-Ionenkanäle schließen
Natrium-Ioneneinstrom wird unterbunden
Enzym Acetylcholinesterase spaltet Acetylcholin in seine Grundbestandteile
Über Endocytose werden diese nun wieder in die Präsynapse aufgenommen
Zusammensetzung zu Acetylcholin
Speicherung in den synaptischen Bläschen
Calcium-Ionenpumpen transportieren die eingeströmten Calciumionen unter ATP-Verbrauch wieder aus der Präsynapse hinaus.
In Abbildung 1 dargestellte Ergebnisse:
In Abbildung 1 ist die AChE-Aktivität (in relativen Einheiten) gegen die eingesetzte Azamethiphos-Konzentration in µg pro Liter aufgetragen. Es wurden jeweils der Mittelwert, sowie die maximalen und minimalen Werte angegeben. Wird dem Wasser kein Wirkstoff zugesetzt, so besitzt die Aktivität der Acetylcholinesterase einen Relativwert von 60, mit 30 Punkten Abweichung zum Minimalwert und 40 Punkten Abweichung zum Maximalwert. Bei einer Konzentration von 2 µg pro Liter ist die Aktivität der Acetylcholinesterase mit bei einem Relativwert von etwa 5 deutlich verringert. Hier konnten auch keine großen Abweichungen zum Mittelwert gemessen werden. Vermutlich handelt es sich bei Azamethiphos um einen Hemmstoff der Acetylcholinesterase.
Auswirkungen von Azamethiphos:
Bei einer herabgesetzten Aktivität der Acetylcholinesterase kann auf molekularer Ebene nicht mehr so viel Transmittermolekül abgebaut werden. Es verbleibt im synaptischen Spalt und es bindet immer wieder ein neues Transmittermolekül an die Rezeptoren der postsynaptischen Membran. Dadurch ist die Aktionspotenzialfrequenz stark erhöht, und es kommt zu einer Dauererregung der Muskelfasern. Für den Organismus führt die Dauererregung der Muskelfaser zu einer Muskelverkrampfung, die zu Erschöpfung und schließlich zum Tod führen kann.
Ein Aktionspotenzial erreicht die Präsynapse
2.
mRNA- und Aminosäuresequenz der Nukleotidsequenzen:
E-Allel
mRNA: 5' GGU UGC UCC GUA ... GGG AAU UAU UUC 3'
Aminosäuresequenz: Gly-Cys-Ser-Val-...-Gly-Asn-Tyr-Phe R-Allel
mRNA: 5' GGU UGC UCG GUA ... GGG AAU UAU UAC 3'
Aminosäuresequenz: Gly-Cys-Ser-Val-...-Gly-Asn-Tyr-Tyr Mutationstyp: Bei den resistenten Lachsläusen treten innerhalb der Nukleotidsequenz zwei Punktmutationen an Position 3 in Triplett 235 und an Position 2 in Triplett 362 auf. Die erste Punktmutation ist eine stumme Mutation – trotz der Mutation wir die gleiche Aminosäure eingebaut. Die zweite Mutation ist eine Substitutionsmutation. Sie führt bei der Translation nicht zu einem Einbau von Phenylalanin sondern zu Tyrosin. Daher handelt es sich um eine Missense Mutation. Auswirkungen der Mutation auf die Funktion der Acetylcholinesterase: Durch die Mutation wird eine andere Aminosäure in die Polypeptidkette eingebaut als im Wildtyp. Durch diesen Unterschied kann es passieren, dass sich das entstehende Enzym (Acetylcholinesterase) in einer leicht veränderte dreidimensionale Struktur faltet. Möglicherweise ist die Bindestelle für Azamethiphos so nun nicht mehr vorhanden oder zugänglich. Das Gift hat keine Wirkung auf die Acetylcholinesterase. Das Enzym kann seine Funktion normal ausführen. Daher sind Lachsläuse mit dieser Mutation resistent gegen die Wirkung von Azamethiphos.
mRNA: 5' GGU UGC UCC GUA ... GGG AAU UAU UUC 3'
Aminosäuresequenz: Gly-Cys-Ser-Val-...-Gly-Asn-Tyr-Phe R-Allel
mRNA: 5' GGU UGC UCG GUA ... GGG AAU UAU UAC 3'
Aminosäuresequenz: Gly-Cys-Ser-Val-...-Gly-Asn-Tyr-Tyr Mutationstyp: Bei den resistenten Lachsläusen treten innerhalb der Nukleotidsequenz zwei Punktmutationen an Position 3 in Triplett 235 und an Position 2 in Triplett 362 auf. Die erste Punktmutation ist eine stumme Mutation – trotz der Mutation wir die gleiche Aminosäure eingebaut. Die zweite Mutation ist eine Substitutionsmutation. Sie führt bei der Translation nicht zu einem Einbau von Phenylalanin sondern zu Tyrosin. Daher handelt es sich um eine Missense Mutation. Auswirkungen der Mutation auf die Funktion der Acetylcholinesterase: Durch die Mutation wird eine andere Aminosäure in die Polypeptidkette eingebaut als im Wildtyp. Durch diesen Unterschied kann es passieren, dass sich das entstehende Enzym (Acetylcholinesterase) in einer leicht veränderte dreidimensionale Struktur faltet. Möglicherweise ist die Bindestelle für Azamethiphos so nun nicht mehr vorhanden oder zugänglich. Das Gift hat keine Wirkung auf die Acetylcholinesterase. Das Enzym kann seine Funktion normal ausführen. Daher sind Lachsläuse mit dieser Mutation resistent gegen die Wirkung von Azamethiphos.
3.
Genotypen der Stämme 1, 2 und 3:
Insgesamt kann zwischen drei Genotypen unterschieden werden. Homozygote Wildtyp-Allel Träger mit dem Genotyp EE, homozygote Resistenz-Allel Träger mit dem Genotyp RR und heterozygote Individuen, die sowohl das Wildtyp-Allel als auch das Resistenz-Allel besitzen (ER). In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass bei Stamm 1 nur etwa 15 % aller Lachsläuse bei einer Behandlung mit dem Pestizid sterben. Dies deutet auf den Genotyp RR hin, da diese Individuen durch die doppelte Veranlagung des Resistenz-Allels auch mehr mutierte Acetylcholinesterase exprimieren können. Bei Stamm 2 ist die Sterberate mit etwa 37 % schon deutlich höher. Dies deutet auf das Vorhandensein eines Wildtypallels hin (Genotyp ER). Individuen mit heterozygoter Veranlagung exprimieren sowohl mutierte als auch unveränderte Acetylcholinesterase. Dadurch ist bei ihnen die Resistenz gegen das Pestizid nicht so effizient wie bei Stamm 1. Bei Stamm 3 sterben nahezu alle getesteten Tiere bei einer Pestizidbehandlung. Daher besitzen Tiere aus Stamm 3 den Genotyp EE. Sie können keine gegen das Pestizid resistente Acetylcholinesterase exprimieren.
Hypothese zur Erklärung der Befunde in Abbildung 3:
Auf den ersten Blick scheinen die in Abbildung 3 dargestellten Ergebnisse im Widerspruch mit dem für Stamm 1 ermittelten Genotyp zu liegen. Stamm 1 ist homozygot gegenüber dem resistenten Allel. Dementsprechend wäre zu erwarten, dass bei Stamm 1 die Acetylcholinesterase auch bei höheren Konzentrationen des Pestizides aktiv bleibt. Abbildung 3 zeigt jedoch, dass bei einer Konzentration von 2 µg Azamethiphos pro Liter, die Aktivität der Acetylcholinesterase mit 19 relativen Einheiten gegenüber der Aktivität bei 0 µg pro Liter deutlich verringert ist. Beim Vergleich von Abbildung 1 und 3 fällt auf, dass die Acetylcholinesterase der Individuen aus Stamm 1 allgemein eine höhere Aktivität zeigt, als bei den Wildtyp-Lachsläusen aus Abbildung 1. Es könnte also sein, dass eine Resistenz gegen das Pestizid die Acetylcholinestrase nicht vollständig gegen die Inaktivierung schützt. Offenbar reicht eine Aktivität von etwa 19 relativen Einheiten der Acetylcholinesterase aber aus, um einen Großteil der Lachsläuse vor dem Tod zu bewahren.