HT 1 – Ökologie, Neurobiologie
Thema: Die Vogel-Vampirfliege auf den Galapagos-Inseln
1.
Stelle die Nahrungsbeziehungen der in Material A beschriebenen Lebewesen in den Ursprungsregionen in Südamerika in einem Nahrungsnetz dar und ermittle die zugehörigen Trophieebenen (Material A). Begründe die starke Ausbreitung der Vogel-Vampirfliege auf den Galapagos-Inseln (Material A).
(19 Punkte)
2.
Stelle die neurobiologischen Prozesse im Verlauf eines Aktionspotentials in Form eines Fließschemas dar und fasse die in Abbildung 1B dargestellten Ergebnisse zusammen (Material B). Erläutere die neurophysiologische Wirkung von Permethrin und leite daraus die Folgen für das Insekt ab (Material B).
(21 Punkte)
3.
Fasse die in Material C dargestellten Daten zusammen. Diskutiere den Einsatz von Permethrin-behandelter Watte zum Schutz von Darwinfinken vor der Vogel-Vampirfliege (Materialien A bis C ).
(14 Punkte)
Material A: Biologie der Vogel-Vampirfliege
Die Vogel-Vampirfliege (Philornis downsi) ist eine Fliegenart, die in großen Teilen Südamerikas vorkommt. 1960 wurde die Vogel-Vampirfliege erstmals auf den Galapagos-Inseln nachgewiesen, wohin sie vermutlich per Schiff oder Flugzeug eingeschleppt wurde. Galapagos besteht aus 13 Hauptinseln. Die Inseln sind bis zu 1700 m hoch und weisen unterschiedliche Lebensräume auf, von heißen, trockenen Lavafeldern bis hin zum feuchten, kühlen Hochland. Die Vogel-Vampirfliege hat sich rasch auf fast allen Hauptinseln verbreitet. Ausgewachsene Vogel-Vampirfliegen ernähren sich von frischen und faulenden Früchten und Blüten verschiedenster Pflanzenarten. Sie legen ihre Eier in Vogelnester. Die Vogel-Vampirfliegen-Larven saugen Blut von den Vogelküken, die daraufhin unter Blutarmut und geringem Wachstum leiden und meist sterben. Ein Fliegenweibchen legt bis zu 180 Eier, die es auf 20 bis 30 Nester verschiedener Vogelarten verteilt. In einer Vogel-Brutzeit entstehen mindestens drei Fliegengenerationen.
Tab. 1: Vergleich ausgewählter Faktoren der Lebensbedingungen der Vogel-Vampirfliege in ihren Ursprungsregionen in Südamerika und auf den Galapagos-Inseln

Material B: Wirkung von Permethrin auf Nervenzellen
Der Befall mit Vogel-Vampirfliegen hat zu einem starken Rückgang der Anzahl vieler Darwinfinken geführt. Zur Bekämpfung der Vogel-Vampirfliegen auf den Galapagos-Inseln wird das Insektizid Permethrin eingesetzt. Insekten nehmen Permethrin über die Körperoberfläche auf. Bei ausreichend hoher Dosierung sterben die behandelten Insekten, bei zu niedriger Dosierung können sie sich wieder erholen. Permethrin bindet an spannungsgesteuerte Natriumionen-Kanäle in den Axonen. In Experimenten wurden die neurophysiologischen Auswirkungen von Permethrin untersucht. Dazu wurden Nervenzellen von Insekten mit Permethrin behandelt und kurz gereizt; es wurde das Membranpotential gemessen (Abbildung 1).
Abb. 1: Wirkung von Permethrin auf das Membranpotenzial von Nervenzellen.
A ohne Permethrin-Zugabe; B nach Permethrin-Zugabe
A ohne Permethrin-Zugabe; B nach Permethrin-Zugabe
Material C: Permethrin zum Schutz von Darwinfinken
Auf den Galapagos-Inseln ist die Anzahl vieler Darwinfinken durch den Befall mit Vogel-Vampirfliegen stark zurückgegangen, da jährlich bis zu 95 % der Küken im Freiland sterben. Um die Vogelbestände zu schützen, wurde in Freilandexperimenten eine Bekämpfungsmaßnahme mit dem Insektizid Permethrin genauer untersucht.
Dabei wurden in einem ersten Experiment Spender mit Baumwollfasern aufgestellt, welche von den Darwinfinken für den Nestbau genutzt werden. Die Versuchs-Spender enthielten Baumwollfasern, die mit 1 %iger Permethrin-Lösung behandelt worden waren. Die Baumwollfasern in den Kontroll-Spendern waren mit Wasser behandelt. Nach Beendigung der Brut wurden in den Nestern die Masse der zum Nestbau verwendeten Baumwolle sowie die Anzahl an Vogel-Vampirfliegen-Larven bestimmt (Abbildung 2).
In einem zweiten Freilandexperiment wurden Nester mit 1 %iger Permethrin-Lösung oder mit Wasser eingesprüht. Anschließend wurde die Anzahl der in diesen Nestern flügge gewordenen Jungvögel bestimmt (Abbildung 3).
Außerdem sollte untersucht werden, ob eine Permethrin-Behandlung langfristige Folgen für die Darwinfinken hat. Dazu wurden Laborexperimente mit den nah verwandten Zebrafinken (Taeniopygia guttata) durchgeführt, die leichter zu halten und zu vermehren sind als Darwinfinken.

Abb. 2: Anzahl von Vogel-Vampirfliegen-Larven bei verschiedenen Baumwollmassen im Nest

Abb. 3: Anteil der flügge gewordenen Jungvögel an der gesamten Anzahl geschlüpfter Küken in Nestern mit und ohne Permethrin-Behandlung
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1.
Nahrungsnetz:
Trophieebenen:

- Die verschiedenen Pflanzenarten können zu den Produzenten gezählt werden. Mittels Fotosynthese produzieren sie organische Stoffe, die den ausgewachsenen Vogel-Vampirfliegen als Nahrung dienen.
- Die Vogel-Vampirfliegen sind somit Konsumenten 1. Ordnung. Gleichzeitig sind sie auch Konsumenten 2. Ordnung, da sich die Larven der Vogel-Vampirfliege vom Blut der Wirtsvögel ernähren.
- Ameisen und Schlupfwespen sind Konsumenten 2. Ordnung, da sie sich von den Vogel-Vampirfliegen-Larven ernähren.
- Die Vogel-Vampirfliege ist ein invasiver Neobiont. Solche Arten wurden unter Einfluss des Menschen, in ihnen zuvor nicht zugänglichen Gebiete gebracht und verbreiteten sich dort rasch.
- Die Vogel-Vampirfliege stammt aus einem großen Verbreitungsgebiet in Südamerika. Sie hat sich dort auf die jeweiligen klimatischen Bedingungen spezialisiert. Auch auf den Galapagos-Inseln findet sie, je nach Insel, unterschiedliche klimatische Bedingungen vor.
- Da sich die ausgewachsene Vogel-Vampirfliege von verschiedenen Blüten und Früchten ernährt, findet sie auf den Galapagos-Inseln ein vielfältiges Nahrungsangebot vor.
- Die Larven der Vogel-Vampirfliege leben parasitär von dem Blut verschiedener Jungvögel. Auf den Galapagos-Inseln finden sie mit denen in ihrem Ursprungsgebiet verwandten Vogelarten vor. Diese können sie problemlos als Wirtsvögel nutzen.
- Die Weibchen der Vogel-Vampirfliege legen viele Eier, wobei sich in einer Brutgeneration der Vögel mindestens drei Fliegengenerationen entwickeln. Die Fliegenart hat somit eine hohe Reproduktionsrate.
- In ihrem Ursprungsgebiet in Südamerika werden die Vogel-Vampirfliegen-Larven von Ameisen und Schlupfwespen dezimiert. Auf den Galapagos-Inseln werden nur sehr wenige Larven von Schlupfwespen getötet. Andere Fressfeinde gibt es auf den Galapagos-Inseln nicht.
- Die Wirtsvögel auf den Galapagos-Inseln werden viel stärker von der Vogel-Vampierfliege befallen, als die Wirtsvögel des Ursprungsgebietes. Vermutlich konnten sich die neuen Wirtsvögel nicht so gut an den Parasiten anpassen, da diese zum einen noch nicht lange in einem Lebensraum evolvieren, und sich die Fliegen andererseit sehr schnell vermehren und somit die Vogelpopulation stark reduzieren.
2.
Neurobiologische Prozesse im Verlauf eines Aktionspotenzials:
Depolarisation bis zum Schwellenwert
Öffnen spannungsabhängiger Natriumionen-Kanäle
Einstrom von Natriumionen
führt zu einer Ladungsumkehr
Inaktivierung der Natriumionen-Kanäle
Stopp des Natriumionen-Einstroms
Öffnung spannungsgesteuerter Kaliumionen-Kanäle
Ausstrom von Kaliumionen
Repolarisation und Hyperpolarisation
Schließen der Kaliumionen-Kanäle
Ladungsausgleich
Ruhepotenzial wird eingestellt.
Ergebnisse aus Abbildung 1:
- Wird dem Insekt Permethrin verabreicht, so löst ein Reiz mehrere Aktionspotenziale hoher Frequenz aus.
- Zwischen den einzelnen Aktionspotenzialen bleibt die Depolarisation erhalten. Das Ruhepotenzial kann sich erst nach Ende des letzten Aktionspotenzials wieder einstellen.
- Am Axon bindet Permethrin an spannungsgesteuerte Natriumionen-Kanäle.
- Die Depolarisationsphase des Aktionspotenzials verläuft dabei normal. Die Öffnung der Natriumionen-Kanäle wird somit nicht von Permethrin beeinträchtigt.
- Vermutlich sorgt die Gabe von Permethrin für eine verlängerte Öffnung der Natriumionen-Kanäle. Auch während der Repolarisation strömen weiterhin Natriumionen in die Zelle ein. Dadurch kann sich kein Ruhepotenzial einstellen, und die Depolarisationsphase hält länger an.
- Das Schwellenpotenzial kann dadurch nicht unterschritten werden. Das Ausbleiben einer Hyperpolarisation ermöglicht das unmittelbare Entstehen weiterer Aktionspotenziale.
- Mit der Zeit nimmt diese Wirkung ab, und es wird wieder ein Ruhepotenzial ausgebildet.
- Eine erhöhte Aktionspotenzialfrequenz kann zu einer Überreizung und zu Krämpfen führen.
- Je höher die Dosis an Permethrin ist, desto länger hält die Depolarisationsphase an, und desto höher ist die Aktionspotenzialfrequenz.
- Dies führt im schlimmsten Fall zu einer Überlastung des Nervensystems und kann zum Tod führen.
3
Zusammenfassung der Daten aus Material C:
- Im Experiment wurde beim Einbau der mit Wasser behandelten Watte ein hoher Befall an Vogel-Vampirfliegen-Larven festgestellt.
- Verwendeten die Vögel mit Permethrinlösung behandelte Fasern, so ging der Befall mit Vogel-Vampirfliegen-Larven stark zurück.
- Ab einer Mindestmenge von 1 g Baumwollfasern pro Nest ließen sich nahezu keine Vogel-Vampirfliegen-Larven in den Nestern finden.
- Es ließ sich zeigen, dass in den Nestern, die behandelte Baumwollfasern enthielten, die Kükensterblichkeit deutlich geringer war, als in den Nestern mit Kontroll-Baumwolle.
- Im Laborexperiment mit den Zebrafinken wurden in der ersten Kükengeneration noch keine signifikanten Unterschiede zur Überlebensrate der Küken zwischen Kontroll- und Untersuchungsgruppe festgestellt.
- In der zweiten Generation überlebten allerdings nur 64 % der Küken, deren Nester mit Permethrin behandelt wurden, und 100 % der Küken, deren Nester nicht behandelt wurden.
- Der Einsatz von Permethrin zum Schutz der Darwinfinken sollte kritisch betrachtet werden.
- Es liegt die Vermutung nahe, dass Permethrin über lange Zeit den Bruterfolg der Darwinfinken senkt.
- Außerdem ist nicht geklärt, ob Permethrin gesundheitsschädigend für andere Tierarten ist, und dadurch das Ökosystem gefährden könnte.
- Daher sollte über eine Alternative zum Einsatz von Permethrin nachgedacht werden.