HT 1 – Ökologie
Thema: Obst als Lebensraum
1.
Skizziere auf Basis von Material A ein Nahrungsnetz und gib begründend die zugehörigen Trophieebenen an (Material A).
(11 Punkte)
2.
Fasse die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse zusammen und erkläre auf dieser Basis die Bedeutung der Taufliege für die Bäckerhefe (Materialien A und B). Beschreibe die in Abbildung 1 dargestellten Ergebnisse und werte diese im Hinblick auf die Bedeutung von Duftstoffen für die Vermehrung der Taufliege aus (Materialien A und C). Prüfe, inwiefern es sich bei der Beziehung zwischen Bäckerhefe und Taufliege um eine Symbiose handelt (Materialien A und B).
(27 Punkte)
3.
Gib eine Definition für den Begriff Coevolution an. Fasse die in Abbildung 2 dargestellten Ergebnisse zusammen (Material D) und diskutiere auf Basis aller Materialien, inwiefern die Beziehung zwischen Taufliege und Bäckerhefe auf Coevolution zurückzuführen ist (Materialien A bis D).
(16 Punkte)
Material A: Lebensraum Weintrauben
Reife Weintrauben, die Früchte der Weinrebe (Vitis vinifera), sind für viele Organismen Nahrungsquelle und Lebensraum. Hefen, zu denen auch die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) gehört, sind einzellige Pilze. Die Bäckerhefe kommt in der Natur vor allem auf Früchten vor. Im Herbst verbreitet sie sich rasch auf reifen, zuckerreichen Weintrauben. Sie vergärt den Zucker zur Energiegewinnung, wobei unter anderem Alkohol und verschiedene flüchtige Stoffe entstehen. Auch andere Pilze, wie etwa der Grauschimmelpilz (Botrytis cinereum) oder Penicillium-Arten, nutzen Weintrauben als Nahrungsquelle. Die Taufliege (Drosophila melanogaster) ist weltweit verbreitet und lebt auf verschiedenen Früchten und anderem organischen Material. Ausgewachsene Taufliegen nutzen überreife und gärende Weintrauben als Nahrungsquelle und Substrat für die Eiablage. Die Fliegen und ihre Larven fressen nicht nur die Früchte, sondern auch die darauf vorkommende Bäckerhefe, die lebensnotwendige Aminosäuren, Fette und Vitamine enthält. Schlupfwespen der Gattung Leptopilina können ein Ei in eine Taufliegen-Larve legen. Die geschlüpfte Wespenlarve frisst die Taufliegen-Larve von innen her und verlässt als ausgewachsene Wespe deren Hülle. Zebraspringspinnen (Salticus scenicus) jagen auf reifen und gärenden Weintrauben Insekten, die sie aus mehreren Zentimetern Entfernung anspringen und mit einem Giftbiss töten.Material B: Verbreitung der Bäckerhefe auf Weintrauben
In einem Experiment wurden ausgewachsene Taufliegen verwendet, die im Labor gezüchtet worden waren und vor dem Versuch keinen Kontakt mit Bäckerhefe hatten. Diese Taufliegen wurden zu Versuchsbeginn entweder einen Tag lang mit Bäckerhefe-freiem Futter oder mit einem Futter mit lebender Bäckerhefe gefüttert. Jeweils eine dieser Taufliegen wurde dann auf eine sterilisierte, Bäckerhefe-freie Weintrauben-Probe gesetzt. Als Kontrolle dienten Weintrauben-Proben ohne Zugabe von Taufliegen (Tabelle 1).
Tab. 1: Wachstum von Bäckerhefe auf Weintrauben. Es wurden jeweils zehn Versuche durchgeführt.

Material C: Vermehrung der Taufliege
In weiteren Experimenten wurde der Einfluss der Früchte und der Bäckerhefe auf die Vermehrung der Taufliege untersucht. Dazu wurden vier verschiedene Proben verwendet: Weintrauben, durch Bäckerhefe-Zusatz vergorene Weintrauben, ein Weintrauben-freies Nährmedium für Taufliegen und das durch Bäckerhefe-Zusatz vergorene Nährmedium. Die von diesen Proben abgegebenen Duftstoffe wurden als Geruchsprobe aufgefangen. Jede Geruchsprobe wurde einzeln in einen Windkanal gegeben, in dem sich jeweils 20 Taufliegen befanden. Nach 15 Minuten wurde jeweils die Anzahl der Taufliegen gezählt, die gegen den Wind geflogen und auf der betreffenden Geruchsquelle gelandet waren (Abbildung 1A). Weiterhin wurde aus den vier Proben jeweils ein Untergrund für die Eiablage hergestellt. Je 20 befruchtete Taufliegenweibchen wurden für 24 Stunden zu den Eiablageuntergründen gegeben und anschließend die abgelegten Eier gezählt (Abbildung 1B). In einem dritten Experiment wurden zwei Tage alte, Hefe-freie Taufliegen-Larven zum einen auf Weintraubenstücke mit oder ohne Bäckerhefe und zum anderen auf das Nährmedium mit oder ohne Bäckerhefe gelegt. Danach wurde der prozentuale Anteil an Larven bestimmt, die sich bis zur ausgewachsenen Taufliege entwickelten (Abbildung 1C).
Abb. 1: Einfluss von Bäckerhefe auf die Vermehrung von Taufliegen. A Anteil der Taufliegen, die auf der jeweiligen Geruchsquelle gelandet waren; B Anzahl der auf dem jeweiligen Untergrund abgelegten Eier je Weibchen; C Anteil der bis zum ausgewachsenen Stadium überlebenden Larven
Material D: Duftstoffe der Hefen
Die Gruppe der Hefen umfasst 83 Gattungen mit etwa 600 Arten. Viele dieser Pilze produzieren Duftstoffe. In einem Versuch wurden sieben verschiedene Hefe-Arten eingesetzt, die phylogenetisch wenig verwandt sind und sich deutlich in ihren Lebensbedingungen unterscheiden: Einige leben auf Früchten, andere auf Insekten, in Milch oder als Krankheitserreger des Menschen. In einem Windkanal-Versuch, wie in Material C beschrieben, wurde untersucht, inwiefern ausgewachsene Taufliegen zu Geruchsproben dieser verschiedenen Hefe-Arten fliegen (Abbildung 2).
Abb. 2: Anteil der Taufliegen, die auf der Geruchsprobe der genannten Hefe-Arten gelandet waren. Kontrolle: Probe ohne Duftstoff
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1.
Nahrungsnetz auf Basis von Material A:
Hinweis: Die Darstellung der Schlupfwespe als Nahrungsgrundlage der Zebraspringspinne ist ebenfalls korrekt, da die Zebraspringspinne verschiedene Insekten erbeutet.
Zugehörige Trophieebenen:

- Die Weinrebe ist ein autotropher Organismus, da sie in der Lage ist, Fotosynthese zu betreiben. Damit zählt sie zu den Produzenten, die anderen Lebewesen als Nahrungsquelle dienen.
- Die drei Pilzarten Grauschimmel, Bäckerhefe und Penicillium werden den Konsumenten erster Ordnung zugeordnet, da sie Produzenten als Nahrungsquelle nutzen.
- Die Taufliege ist sowohl Konsument erster Ordnung als auch Konsument zweiter Ordnung, da sie sich von Weintrauben und Bäckerhefe ernährt.
- Die Zebraspringspinne und die Schlupfwespe nutzen Taufliegen als Nahrungsgrundlage und sind somit Konsumenten zweiter beziehungsweise dritter Ordnung.
2.
Zusammenfassung der in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse:
- Werden Taufliegen mit Bäckerhefe gefüttert, so wächst die Bäckerhefe auf zuvor nicht befallenen Weintrauben.
- Die Bäckerhefe ist nur dann in der Lage auf Weintrauben zu wachsen, wenn diese von einer Taufliege besucht wird, die mit Bäckerhefe gefüttert wurde.
- Vermutlich hat die Taufliegen die Bäckerhefe auf die Weintrauben übertragen. Somit sorgen die Taufliegen für die Verbreitung der Bäckerhefe.
- Auf mit Bäckerhefe vergorenen Substraten landeten verhältnismäßig mehr Taufliegenweibchen als auf nicht vergorenen Substraten. Es spielte dabei keine erhebliche Rolle, ob das Substrat Weintauben oder ein Nährmedium war.
- Die Geruchsquelle der Weintraube ohne Bäckerhefe wurde dabei von etwa 30 % der Fruchtfliegenweibchen angeflogen, die Geruchsquelle des Nährmediums ohne Bäckerhefe nur von etwa 10 % der Fruchtfliegenweibchen
- Auf die mit Hefe behandelten Weintrauben und das behandelte Nährmedium legten die Weibchen je etwa 8 Eier pro Weibchen ab. Auf die unbehandelten Weintrauben legten sie ca. 4 Eier und auf das nicht mit Hefe behandelte Nährmedium etwa ein Ei.
- Die Überlebensrate der Taufliegenlarven war auf den mit Hefe behandelten Substraten deutlich höher als auf den unbehandelten. Auf den Weintrauben mit Hefe überlebten etwa 65 % aller Larven, auf den unbehandelten Weintrauben waren es dagegen unter 20 %. Auf dem Nährmedium mit Hefe überlebten etwa 50 % aller Fliegenlarven, auf dem Nährmedium ohne Hefe überlebte keine der Larven.
- Die Taufliegenweibchen hatten im Experiment die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Substraten zu wählen. Die Substrate waren entweder mit Bäckerhefe behandelt, oder unbehandelt. Die Fliegen konnten die verschiedenen Proben am Geruch unterscheiden.
- Es konnte gezeigt werden, dass die Taufliegen sowohl bei der Landung als auch bei der Eiablage Medien mit Bäckerhefe bevorzugen. Dass das Nährmedium ohne Bäckerhefe eher gemieden wurde, erhöhte die Überlebensrate der Larven.
- Sowohl die Weintrauben als auch die Bäckerhefe dienen der Taufliege als Nahrungsgrundlage, da sie Zucker, Vitamine und wertvolle Aminosäuren enthalten. Dementsprechend können die Fliegenlarven auf Weintrauben, die mit Bäckerhefe behandelt sind, am besten wachsen und überleben.
- Werden die Eier auf Weintrauben ohne den Zusatz der Bäckerhefe abgelegt, überlebten nur wenige Fliegenlarven. In den Weintrauben scheinen somit zwar nicht alle oder genügend überlebenswichtige Stoffe enthalten zu sein, dennoch genügen sie für das Überleben einiger Larven. In dem Nährmedium war dieser lebensnotwendige Nahrungsbestandteil wohl nicht enthalten, sodass auf dem nicht mit Hefe behandelten Nährmedium keine der Larven bis zum ausgewachsenen Stadium überlebte.
- Die Tatsache, dass manche Fruchtfliegenlarven sich bei der Eiablage nach dem Frucht-Geruch richten, erhöht die Überlebensrate der Larven im Vergleich zu der Überlebensrate auf Frucht-Geruch freiem Nährmedium ebenfalls.
- Liegt eine Symbiose zwischen zwei Arten vor, so profitieren beide Arten von der Beziehung.
- Die Bäckerhefe profitiert von der Taufliege, da sie durch die Taufliege auf neue Nahrungsquellen wie reifendes Obst übertragen wird.
- Die Taufliege profitiert auf der anderen Seite auch von der Bäckerhefe, da die Bäckerhefe eine wichtige Nahrungsgrundlage für die Taufliege darstellt.
- Man kann somit von einer symbiotischen Beziehung sprechen, da beide Partner in gewissem Umfang von der Beziehung profitieren.
- Die Taufliegen schädigen die Bäckerhefe in ihrem Wachstum, da die Fliegen den Pilz fressen. Die Fraßschäden werden vermutlich durch die Verbreitung der Bäckerhefe auf neue Nahrungsquellen ausgeglichen, und für die Hefe überwiegt der Vorteil.
- Die Bäckerhefe ist dabei aber nicht ausschließlich auf die Taufliege als Verbreiter angewiesen. Auch andere Tiere, die zwischen verschiedenen reifenden Früchten wechseln (wie die Zebraspringspinne) können die Bäckerhefe zu neuen Nahrungsquellen führen. Außerdem ist die Bäckerhefe in der Lage, auf unterschiedlichen Substraten zu wachsen.
- Da die beiden Partner auch ohne den jeweils anderen überleben können, handelt es sich hierbei um eine fakultative (also nicht verbindliche) Symbiose.
3.
Definition Coevolution:
- Unter dem Begriff Coevolution versteht man einen Evolutionsprozess, bei dem sich zwei Arten wechselseitig beeinflussen. Auslöser ist eine enge Beziehung zwischen den Arten, die durch einen ähnlichen Selektionsdruck zustande kommt.
- In dem Experiment wurde untersucht, wie Taufliegen auf Geruchsproben unterschiedlicher Hefearten reagieren
- Es stellte sich heraus, dass die getesteten Hefearten alle nahezu gleich oft von den Taufliegen angeflogen wurden. Die Kontrolle ohne Duftstoff wurde dagegen nur sehr selten angeflogen.
- Die Bäckerhefe übt insofern einen Selektionsdruck auf die Taufliege aus, als dass die Bäckerhefe einen wichtigen Nahrungsbestandteil für adulte Tiere und Larven darstellt.
- Da die Taufliege die Bäckerhefe auf neuen Nahrungsquellen verbreitet, übt auch die Taufliege einen Selektionsdruck auf die Bäckerhefe aus.
- Die Anlockung der Taufliege durch Duftstoffe der Hefe könnte eine Angepasstheit an diesen Selektionsdruck darstellen, und auf Coevolution zurückzuführen sein.
- Andererseits werden Taufliegen anlockende Duftstoffe von vielen verschiedenen Hefearten abgegeben. Auch von Hefearten, die in Milch oder auf Insekten leben, und nicht in Symbiose mit Taufliegen vorkommen.
- Die Produktion von Duftstoffen, und die Anlockung von Taufliegen durch diese Duftstoffe ist bei verschiedenen, nicht näher verwandten Hefearten sehr verbreitet. Somit kann dieses Merkmal nicht als Grundlage eines spezifischen, wechselseitigen Selektionsdrucks betrachtet werden.
- Es liegt demnach keine Coevolution zwischen der Taufliege und der Bäckerhefe vor.