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Prüfungsaufgaben (ZP10)
Inhaltsverzeichnis

Leseverstehen

Kann Pop das Klima retten?

Joachim Hentschel
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(1) Ein besonderes musikalisches Ereignis, Tausende von Teenagern haben ihm entgegengefiebert.
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Die 17 000 Plätze der Mercedes-Benz-Arena Berlin sind besetzt, der Lärm ist gewaltig, schon bevor
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die Musik beginnt. An diesem Donnerstagabend im Sommer 2022 tritt Billie Eilish auf. 20 Jahre alt,
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eine der erfolgreichsten Musikerinnen der Welt, Stilikone, Influencerin. Die großen, drängenden
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Fragen werden an diesem Abend trotzdem nicht ausgeblendet: Beim Song „All the good girls go to
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hell“ flimmern verstörende Videos über die LED-Bildschirme: Waldbrände, schmelzendes Polareis,
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Wasserschildkröten, die sich in Plastikmüll verheddern. „Die Menschheit ist so dumm“, singt Billie
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Eilish zum wummernden Beat, „warum sollten wir sie retten?“
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(2) Die jungen Leute singen mit. Sie gehören zur Fridays-for-Future-Generation und würden wohl
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fast alle die Alarmparole unterschreiben, die Billie Eilish gelegentlich auf ihrem T-Shirt trägt:
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„No Music on a Dead Planet“. Dass sie sich hier allerdings auf einer Veranstaltung mit denkbar schlechtem
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CO2-Fußabdruck befinden, wissen viele nicht. Popkonzerte sind gigantische Energie- und Ressourcen-
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fresser: Zu den Hunderten Kilowattstunden, die Soundanlage, Scheinwerfer und Effekte jeden Abend
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verbrauchen, kommen Bewirtschaftung, Licht, Lüftung, Müll und Transport. Nicht nur die Künstler,
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ihr Team und ihre Ausrüstung fliegen und fahren durch die Welt, in Berlin reisen 17 000 Zuschauer
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an und ab.
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(3) „Wir alle, und das betrifft jede Branche, müssen die beste Art finden, um unsere Jobs weiter prak-
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tizieren zu können“, sagte Coldplay-Sänger Chris Martin 2019 dem britischen Radio- und Fernseh-
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sender BBC und vermeldete, die Band werde nicht mehr touren, bis sie nachhaltige Alternativen ent-
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deckt habe. Immerhin setzen solche Drohungen die Entertainmentbranche unter Druck. Die hat sich
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für Nachhaltigkeit lange Zeit wenig interessiert. Fans wundern sich schon länger, wenn zum Konzert-
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ticket nicht automatisch die kostenlose Anfahrt per Bus oder Bahn gehört. Doch hinter den Kulissen
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wäre viel mehr möglich. „Eine der vielversprechendsten Möglichkeiten ist die Energieversorgung mit
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Ökostrom“, sagt Fine Stammnitz von Green Touring Network. „Die Musikindustrie hat die Strahl-
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kraft, den Wandel zum effektiven Klimaschutz kulturell zu begleiten und zu emotionalisieren.“ Nur
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müsse sie dieses Potenzial auch nutzen.
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(4) Beim Eilish-Konzert sieht man, was schon möglich ist. In einem der Korridore der Arena, in denen
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sonst Cola, Würstchen und T-Shirts verkauft werden, stehen Aktivistinnen und Aktivisten an ihrem Stand.
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Billie Eilish hat die NGOs persönlich eingeladen, sie zu begleiten. Das ist Segen und Bekenntnis.
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„Viele Künstler wollen heute nicht nur ihre CO2-Bilanzen verbessern, sondern auch ihren Aktivismus
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mit ihren Fans teilen“, sagt Lauren Sullivan, zweite Chefin von Reverb. Die Non-Profit-Agentur für
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Nachhaltigkeit im Musikgeschäft gibt es seit 2004. „Unsere Arbeit ist oft nur ein Wassertropfen, aber
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er zieht Kreise, von den Konzertbesuchern bis zu den Gemeinden vor Ort, in die sie die Ideen hinein-
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tragen“, erzählt sie per Videokonferenz.
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(5) Für die Billie-Eilish-Tour hat Reverb einen Nachhaltigkeits-Roadie eingeführt. Er kümmert sich
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an jeder Station um Recycling- und Bewirtungsfragen, stellt sicher, dass die vertraglich zugesicherte
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vegane Verpflegung fürs Publikum bereitsteht. Für manche Kunden recherchiert Reverb Ökobauern
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entlang der Tourstrecke und vereinbart regionale Lieferungen in die Hallen. Die Mitarbeiter sortieren
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Müll, sammeln sogar gerissene Gitarrensaiten ein, um sie zu verwerten oder zu spenden. Die wahr-
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haft großen Räder müssen aber noch gedreht werden: Ökostrom in den Hallen, Biodiesel oder E-An-
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trieb für die Zubehörtrucks sowie ein Ausgleich für die Anreise der Fans – solche Leistungen müsse
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man noch aufbauen, sagt Lauren Sullivan. Ob manche Band sie bucht, um Umweltfreundlichkeit
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vorzutäuschen? „Kann ich mir kaum vorstellen“, antwortet sie. „Dafür wird es viel zu nervig und
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unbequem, wenn unsere Leute erst loslegen.“
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(6) Viele Künstlerinnen und Künstler ergreifen Eigeninitiative. Coldplay, die sich 2019 selbst auf null
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setzten, sind neu zurückgekehrt und fliegen mit Flugzeugen, die mit pflanzlichem Bio-Kraftstoff be-
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tankt sind. Die Rock-Band Radiohead boykottiert Konzerthallen mit schlechtem Anschluss an den
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öffentlichen Nahverkehr und die Band The 1975 kündigt an, keine neuen T-Shirts zu produzieren.
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Fans können zu den Auftritten gebrauchte Shirts mitbringen, die vor Ort bedruckt werden. Der An-
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fang ist gemacht. Doch bis zur Klimaneutralität ist es noch ein weiter Weg. Allein die Musikfestivals
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in Deutschland verbrauchen nach einer Schätzung des Aktionswerks Nachhaltigkeit zur Stromerzeu-
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gung rund 400 Millionen Liter Diesel pro Saison. Entfernt von den Zentren gibt es keine Ökostrom-
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steckdosen; die meisten der 80 000 Besucher des Hurricane Festival kommen mit dem Auto nach
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Scheeßel. Die Müllberge auf den Campingplätzen sehen entsprechend beeindruckend aus.
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(7) Müll und Logistik lassen sich vielleicht lösen. Woher aber den Strom in der freien Natur nehmen?
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Denn das Erlebnis der Natur gehört nun mal zur Festivalatmosphäre. Die Lösung könnte bald eine
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bushäuschengroße mobile Brennstoffzelle mit dem Namen Every2where liefern, ein mit Wasserstoff
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betriebenes, schadstofffrei arbeitendes Kraftwerk mit 100 Kilowatt Leistung, das man von der Wiese
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zur Wüste und wieder zurückfahren kann. Die Technologie ist völlig neu, auch andernorts einsetzbar.
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In den besten Fällen kann die Branche ein Antrieb für Erneuerung sein, eine Art Labor. Jacob Bilabel,
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Leiter des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit, vergleicht ein Musikfestival mit einer vorübergehend
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aufgebauten Stadt. „Gelingt es uns, sie zukunftsfähig zu machen, was Energie, Mobilität, Vielfalt
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und den Umgang mit Ressourcen betrifft, dann lernen wir daraus viel, was man in Barcelona, Passau,
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New York oder Koblenz praktizieren kann.“

Aus: Joachim Hentschel: Kann Pop das Klima retten? In: For Our Planet 1/2022, S. 17 – 19, (Text gekürzt und adaptiert).

Aufgaben zu: Kann Pop das Klima retten?

Kreuze die richtige Antwort an.
1.
Zu Beginn des Textes erfahren die Lesenden, dass Billie Eilish (Abschnitt 1) ...
a) schon seit 20 Jahren als Influencerin bekannt ist.
b) auch auf bedrohliche Umweltthemen hinweisen will.
c) werden Umweltschäden als Folge von Popkonzerten häufig überschätzt.
d) sind vor allem Flugreisen zu Popkonzerten schädlich für die Umwelt.
2.
Laut Autor Joachim Hentschel (Abschnitt 2) ...
a) sind die Umweltauswirkungen von Popkonzerten vielen Besuchern nicht bewusst.
b) wollen junge Leute von problematischen Folgen der Popkonzerte nichts wissen.
c) werden Umweltschäden als Folge von Popkonzerten häufig überschätzt.
d) sind vor allem Flugreisen zu Popkonzerten schädlich für die Umwelt.
3.
Die Ankündigung der Band Coldplay im Jahr 2019, ohne nachhaltige Reisemöglichkeit nicht mehr auf Tour zu gehen, (Abschnitt 3) ...
a) veranlasste die Veranstalter, der Band mit Schadenersatz zu drohen.
b) drängte die Entertainmentbranche dazu, mehr Umweltbewusstsein zu zeigen.
c) führte zu verwunderten Äußerungen von Fans in einer Radio-Sendung des BBC.
d) bestätigte die Musikindustrie in ihren bisherigen Bemühungen um hohe Nachhaltigkeit.
4.
Fine Stammnitz von Green Touring Network ist der Meinung, dass die Musikindustrie (Abschnitt 3) ...
a) durch ihre Strahlkraft Menschen für den Klimaschutz gewinnen kann.
b) bei Kulturveranstaltungen effektiv Klimaschutzvorgaben umsetzt.
c) ihr Potenzial schon erfolgreich für Klimaschutzwerbung einsetzt.
d) unbemerkt schon seit langem Klimaschutzziele verfolgt.
5.
Lauren Sullivan von Reverb stellt fest, dass die Konzertbesucher (Abschnitt 4) ...
a) die Gedanken der Agentur weiterverbreiten.
b) Veranstaltungen in ihren Gemeinden vor Ort bevorzugen.
c) von den Künstlern immer mehr Aktivismus erwarten.
d) die Arbeit von Reverb oft kritisch bewerten.
6.
Die Agentur Reverb kümmerte sich bei der Billie-Eilish-Tour unter anderem um (Abschnitt 5) ...
a) die vollständige Versorgung der Konzerthallen mit Ökostrom.
b) eine werbewirksame Ablenkung von Umweltschäden durch die Konzerte.
c) die Verfügbarkeit veganer Nahrung für die Konzertbesucher.
d) eine günstigere Energieversorgung für die Begleitfahrzeuge der Sängerin.
7.
Der Autor geht davon aus, dass Musikveranstaltungen (Abschnitt 6) ...
a) gar nicht umweltfreundlicher ausgerichtet werden können.
b) noch lange Zeit nicht klimaneutral ausgerichtet sein werden.
c) auch zukünftig keine Umweltschutzvorgaben erfüllen müssen.
d) bereits in naher Zukunft mit deutlich weniger Strom auskommen.
8.
Die moderne Brennstoffzelle mit dem Namen Every2where (Abschnitt 7) ...
a) ersetzt alle früheren Methoden der Energiegewinnung.
b) sorgt für Strom auch außerhalb bebauter Gebiete.
c) wurde unter anderem in Koblenz entwickelt.
d) arbeitet mit Sonnenenergie.
9.
Erläutere den Zusammenhang zwischen dem Foto und dem Text (Abschnitte 5 – 7).
Freiwillige sammeln Müll auf einem Festivalgelände mit einer Bühne im Hintergrund.
Aus: How not to trash the planet at a music festival
27.06.2019; Zugriff: 20.02.2024.
10.
Ordne die Inhalte den passenden Abschnitten (4–7) zu.
Überschrift Textabschnitt (4 – 7)
a) Beispiele für Nachhaltigkeitsbemühungen einiger Künstler und anhaltende Herausforderungen
b) Neue Technologie zur mobilen Energieversorgung
c) Umweltschutzinformation statt Warenverkauf bei Konzertveranstaltungen
d) Aufgaben einer Nachhaltigkeitsagentur vor und bei Konzert-Events
11.
Erläutere im Textzusammenhang, inwiefern die Musikbranche „ein Antrieb für Erneuerung“ (Z. 60) sein kann (Abschnitt 7).
12.
Kreuze die richtige Antwort an.
Der Autor macht in seinem Text insgesamt deutlich, dass (alle Abschnitte) ...
a) für Umweltschäden durch Festivals besonders deren Besucher verantwortlich sind.
b) kritische Popsongs schon einiges zur Verbesserung des Klimas beigetragen haben.
c) das Hauptproblem des hohen Treibstoffverbrauchs bei Konzerten nicht lösbar ist.
d) auch bei großen Musikfestivals nachhaltiger Umweltschutz möglich ist.
13.
Eine Schülerin sagt nach dem Lesen des Textes:
„Die Veranstaltung großer Konzert-Events sollte aus Umweltschutzgründen verboten werden.“
Schreibe eine kurze Stellungnahme zu dieser Aussage.
Du kannst der Auffassung zustimmen oder nicht. Wichtig ist, dass du deine Meinung begründest.
Beziehe dich dabei auf den Text.

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